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Fachartikel, 19.05.2006
E-Mail-Kommunikation
E-Mail ist nicht gleich E-Mail – Anrede und Gruß müssen zum Anlass passen
Irgendwann erwischt es jeden: Der neue Kunde, der gute Kollege oder der strenge Chef warten auf eine wichtige E-Mail. Aber wie sieht die Anrede aus?
Reicht ein lockeres „Hey“ oder muss es heißen „Sehr geehrter Herr Kunde“? Nicht einfacher ist es beim Gruß. „cu“ für „see you“ ist verbreitet unter Internet-Freaks. Aber schreibt man dem Chef nicht doch lieber „Mit freundlichen Grüßen“? Es kommt auf den Zusammenhang ebenso an wie auf die persönliche Beziehung zwischen Absender und Empfänger.

Auch Menschen, die eher selten Briefe schreiben, kommen mittlerweile häufig in die Lage, E-Mails verfassen zu müssen, stellt Christiane Thim-Mabrey fest. Die Sprachwissenschaftlerin ist Privatdozentin an der Universität Regensburg und beobachtet, dass die E-Mail sowohl im Beruf als auch privat oft an die Stelle von Telefonaten, persönlichen Gesprächen und herkömmlichen Schreiben aller Art tritt.

„Dabei werden selbst Menschen, die das Briefeschreiben gewohnt sind, leicht unsicher, ob sie sich in der E-Mail an dieselben Regeln halten sollen“, sagt Thim-Mabrey. Sie verweist auf Mails, die man selbst erhält, die dem bisher Gewohnten nicht entsprechen und die dadurch Unsicherheit hervorrufen. So frage sich mancher E-Mail-Schreiber, ob es sich vielleicht um neue Standards handele, in die er selbst nur noch nicht genügend Einblick habe.

Doch verbindliche Richtlinien gibt es nicht, allenfalls so genannte Netiquette-Regeln im Internet. Die aber sind weder einheitlich noch auf das berufliche Umfeld zugeschnitten. Schon gar nicht lässt sich die elektronische Post an Geschäftspartner nach solchen Vorlagen texten. Gerade „König Kunde“ freundet sich eher mit zu förmlichen als mit zu locker geschriebenen Mails an.

Deshalb kommt es durchaus auch auf das Fingerspitzengefühl an: Natürlich kann man sich mit Freunden relativ locker per E-Mail austauschen. Aber Anreden wie ‚Hey’ erinnern eher an einen Raubfisch, der im Karpfenteich sein Unwesen treibt. Sie passen weder in die Korrespondenz zwischen Chef und Mitarbeiter noch in Mails an Kunden oder Interessenten! Deshalb muss sich der E-Mail-Verfasser zunächst darüber klar sein, welcher Art die jeweilige Mail ist und ob es zwischen den Kommunikationspartnern Vereinbarungen dazu gibt.

Der kleine Unterschied

Früher, als die Hauspost noch mit der Hauspost kam, lagen Abreißblocks mit Titeln wie „Kurzinfo“ oder „Notiz“ und mit Kästchen zum Ankreuzen auf jedem Schreibtisch. Die vorgedruckten Zettel wurden ausgefüllt und an die eigentliche Korrespondenz geheftet. Das ist bei der E-Mail nicht anders – wenn wir nämlich eine Mail ausschließlich nutzen, um dies oder das als Anlage zu verschicken. Für diesen Fall darf der ‚elektronische Zettel’ getrost einem wirklichen ‚Zettel’ ähneln – wie ehedem mit kurzen Angaben zu Absender, Empfänger, Betreff und einem knappen Hinweis, was mit der Anlage zu tun ist.

Man kann die Mail auch verwenden, um lediglich Fakten zu notieren: Jemand war in einer Besprechung und will die Ergebnisse für alle Teilnehmer festhalten; man hat einen Besuch gemacht oder ein Telefonat geführt und möchte bestimmte Leute über den Inhalt informieren; der Schriftführer teilt allen Beteiligten den Status eines Projektes mit – dies sind nur einige Beispiele für zahlreiche Gelegenheiten, eine E-Mail in Form eines „Memo“ und nicht etwa als Brief zu verfassen. Sofern dies in der Firma üblich oder mit den Empfängern abgesprochen ist, dürfen dabei Anrede und Grußformel getrost entfallen.

Doch sobald die Mail den Charakter eines Briefes hat, müssen Anrede und Gruß der Form entsprechen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die der Verfasser je nach Anlass, Zusammenhang und persönlicher Beziehung zum Empfänger wählen kann. Das Spektrum reicht dabei von distanziert über höflich bis zuvorkommend und verbindlich.

‚Freundliche’ oder ‚Liebe’ Grüße?

Um den richtigen Ton zu finden, muss man sich fragen, ob man schon mal Kontakt zum Empfänger hatte, um welchen Anlass es sich handelt und wie der Adressat einzuschätzen ist. Auch sind zwischen jüngeren Menschen andere Formeln üblich als zwischen älteren und mancher Berufsbereich hat ebenfalls seine eigenen Gepflogenheiten. So halten einige Zeitgenossen die Anrede „Lieber Herr Müller“ keineswegs für zu intim, weil sie sich vom englischen „Dear“ herleite. Thim-Mabrey sieht darin gar die Entsprechung zur traditionellen Briefanrede, gibt aber zu bedenken: „Junge Leute empfinden diese Anrede manchmal als zu vertraut. Für sie ist ein lockeres ‚Hallo’ völlig normal.“

Unterschiedlich sind die Gepflogenheiten auch in verschiedenen Branchen. So stammt die Anrede „Guten Tag“ vermutlich aus der Werbeszene, wird aber auch sonst immer beliebter. Sie wirkt zwar etwas steif, gilt aber durchweg als in Ordnung, wenn der Name folgt. Allerdings betrachtet Sprachwissenschaftlerin Thim-Mabrey das „Guten Tag“ eher als „Verlegenheitsanrede“.

Feingefühl ist auch am Schluss gefragt. Zwar findet man kaum noch „Hochachtungsvoll“ unter einer E-Mail, aber „cu“ oder „Tschüss“ passen erst recht nicht für jeden Anlass. Mit den klassischen „freundlichen Grüßen“ macht man dagegen wenig verkehrt – außer, wenn der Empfänger ein guter Bekannter oder Freund ist. In Ordnung sind meist „viele“, „beste“ oder „schöne Grüße“; vertrauter wird es bei „liebe“ oder „herzliche Grüße“. Es hängt demnach sehr von der Beziehung zum Empfänger ab, was man am besten schreibt. So berichtet Christiane Thim-Mabrey: „Meine Studenten finden ‚liebe Grüße’ unverfänglicher als ‚herzliche Grüße’. Bei mir persönlich ist es dagegen umgekehrt.“

Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich Grüße mit Lokalkolorit: Während sich der verbindliche Ton durch Formeln wie „Herzlichst aus dem sonnigen Düsseldorf“ unterstreichen lässt, sucht Sprachwissenschaftlerin Thim-Mabrey die Gründe für den Gebrauch bestimmter Formulierungen. Vielleicht, meint sie, komme der regionale Bezug aus dem Fernsehen – wo etwa der Korrespondent aus dem „verregneten Hamburg“ zurück ins Studio gebe?

*Lesetipp: E-Mail-Guide von Jan de Vries, GU-Verlag München, 2006
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