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Fachartikel, 20.11.2007
Management (allgemein)
Von der Natur lernen – das Management von „Unternehmenskörpern“
­Was können Menschen sowohl privat als auch für das Management von Unternehmen von der Natur lernen? Alles! Wir sind Natur. Nur was natürlich ist, das kann auf Dauer auch bestehen. Und unsere Unternehmen – sind sie natürlich und vital? In vielen Fällen sicher nicht! Was also tun? Die Antwort, wie wir vitale, lebens- und menschenfreundliche Unternehmen schaffen, erhalten wir von der Natur!
Was heutzutage in und mit Unternehmenskörpern geschieht, begründet sich nur vordergründig in der Wirtschaft und der Politik. In Wirklichkeit ist jedoch ein menschliches Problem. Schließlich waren es wir Menschen, die diese Wirtschaft und diese Politik, die unser Leben so sehr jeden Tag beeinflusst, einst erdachten. Was heute ist, ist nicht selbst von uns geschaffen: Es kommt auch stets auf uns zurück. Entsprechend kann es auch vom Menschen ‚neu’ gestaltet werden – je nach Erkenntnisstand und Einsichtsvermögen.


Die Funktionsweise eines Organismus, seiner Organe und deren Bestandteile sowie deren Wechselwirkungen zwischen Individuen werden in der Physiologie und Physiologie beschrieben. Beide Begriffe entstammen derselben Wurzel: dem Wort „Physik“. Das griechische Wort ‚physis’ bedeutet zu Deutsch: Natur, Naturordnung, Wesen aller Dinge, Welt, das Gewordene, das Geschöpf.

Ebenso wie biologische Systeme, Organismen, Organe und Ökosysteme folgen auch technische oder politische Systeme sowie Unternehmensorganisationen bestimmten, natürlichen Grundprinzipien - oder auch nicht. Die Anwendung der (Er)Kenntnisse aus biologischen Systemen auf technische, ökonomische oder politische Systeme könnte wegweisend sein für eine ökologische, d. h. letztlich auch wiederum biologische oder physiologische Strukturanpassung von Wirtschaft, Technik, Politik und Unternehmen. Denn sowohl in jedem biologischen System als auch in Unternehmenskörpern geht es letztlich immer wieder um die gleichen Fragen: Wachstum, Funktionskriterien zur Qualitätskontrolle und Entwicklung, Kommunikation, Altern, Steuerung, Energieversorgung.

Das Streben nach Wachstum und Entwicklung

Organismen, ebenso wie Unternehmen, haben die Fähigkeit und auch den Zwang zu wachsen. Den Ausgangspunkt zum Wachstum bildet jeweils eine einzige Zelle. Sicher ist jedoch, dass in keinem Organismus unbegrenztes Wachstum auftreten kann und dass ohne Abschaffen von Überflüssigem immer Probleme auftreten müssen. Denn: Was nicht funktioniert, degeneriert, atrophiert und stirbt letztlich. Diese Gestaltung eines (Unternehmens)Organismus kann im Laufe der Entwicklung sowohl Aufbau als auch Abbau bedeuten.

Jedes Zugrundegehen wird durch die Funktion und Funktionsweise des entsprechenden Abschnittes erreicht. Einen vergleichbaren Vorgang gibt es zum Beispiel auch bei technischen Systemen, wenn etwa die elektrisch leitenden Bahnen bei vorgefertigten Platinen nach einem bestimmten Muster weggeätzt werden. Man könnte diesen Vorgang mit dem vielleicht ungewöhnlich klingenden Schlagwort "Innovation durch Abschaffen" (0. Grün, 1985) im ökonomischen Bereich in Verbindung bringen. Auch in Unternehmenskörpern gibt es sicher etliches, was mit „Innovation durch Abschaffung“ beschrieben werden könnte. Der Faktor „Wachstum“ ist sicher nicht das einzige Maß für Fortschritt und Entwicklung.

Ein besonders wichtiges und charakteristisches Merkmal für die Entwicklung eines Individuums ist die exakte Einhaltung der zeitlichen Koordination. Jede Abweichung führt zu Missbildungen, etwa, dass der hohle Schädel wächst und sich darin kein Gehirn entwickelt. Vergleichbare Vorkommnisse sind leider auch im Rahmen von Unternehmenskörpern zu beklagen – etwa überdimensionierte Bürogebäude und Einrichtungen ohne aktive Produktion (von Mitarbeitern – Organen).

Ein weiteres zentrales Kennzeichen eines Organismus ist seine Einheit. Ein Organismus kann nur in seiner Gesamtheit funktionieren! Jeder Versuch einer Aufsplitterung stellt eine Katastrophe dar. Stellen Sie sich bitte vor, Ihre Hände würden beschließen, ab heute allein und unabhängig vom Gesamtkörper zu agieren... In so manchen Unternehmen wird gerade dies heute praktiziert!

Kommunikation

Trotzdem wir uns im (digitalen) Informations- und Kommunikationszeitalter befinden, ist die Kommunikation noch nie so schwierig gewesen. Wir leben im Zeitalter der Sprachlosigkeit. Nur wenige Menschen sind sich bewusst, was sie sagen. Sie erkennen die bildhaften Bedeutungen in den Worten nicht mehr, haben kein Ohr für die in Worten enthaltene Botschaft und deren Potential zur Verwirklichung: "Vorschläge“ beinhalten Schläge und "Maßnahmen" bedeutet Maß nehmen.

In vielen Bereichen wird das wahrhaftige Gespräch völlig außer Acht gelassen, obwohl es sich um den wirklich entscheidenden Kontakt zwischen Menschen handelt. Gespräche z.B. mit Kunden oder Mitarbeitern werden Ziel- und Nutzenorientiert geführt. ‚Echte’ Gespräche haben Freiraum und fördern oft ungeahnte Träume, Ideen und Phantasien zu Tage. Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass nicht Zahlenindexwerte, Daten und Fakten, sondern die in einem Gespräch vermittelten, unerwarteten Information für komplexe Betrachtungen von Personen und Unternehmenskörper entscheidend sein müssen.

Stabilität

Unter den Kriterien, die für die Funktionsweise eines steuerbaren Systems maßgebend sind, ist die Stabilität von besonderer Bedeutung. In etwas vereinfachter Weise ausgedrückt, ist ein System stabil, wenn die Reaktion auf eine Belastung gewisse Grenzen nicht überschreitet. Die sicherste Methode, um ein System instabil zu machen, besteht darin, in einen Regelkreis Zeitverzögerungen einzubauen. Verspäteter Informationsfluss, als Folge unvollständiger, machtbezogener, egoistischer Kommunikation, kann den Unternehmenskörper nachhaltig schädigen. In einer etablierten Bürokratie werden Zeitverzögerungen nicht nur toleriert, sondern sind sogar Ausdruck der Autorität. Eine tiefenpsychologische Interpretation dieser bürokratischen Zeitverzögerung wird von Erich Fromm (1973) gegeben:

"Man könnte auch an den Bürokraten hinter dem Postschalter denken und sein kaum merkliches dünnes Lächeln beobachten, wenn er pünktlich um fünf Uhr dreißig seinen Schalter schließt, so dass die beiden letzten Kunden, die schon eine halbe Stunde draußen gewartet haben, unverrichteter Dinge weggehen und am nächsten Tag noch einmal wiederkommen müssen. Dabei geht es nicht darum, dass er Punkt 5.30 Uhr aufhört, Briefmarken zu verkaufen; wichtig an seinem Verhalten ist, dass es ihm Spaß macht, die Leute zu frustrieren, ihnen zu zeigen, dass ER sie unter seiner Kontrolle hat, eine Befriedigung, die sich deutlich auf seinem Gesicht widerspiegelt." Fallen Ihnen ganz spontan ähnliche, aktuelle Beispiele ein?

Altern und Erstarren

Wenn etwas sehr stabil ist, kann es auch sehr leicht erstarren. Alle biologischen Systeme, Unternehmenskörper eingeschlossen, werden, obschon belebt, im Alter starr. Es ist hierfür der Begriff der institutionellen Sklerose geprägt worden (Olson, 1982). Alterungsprozesse in Ökosystemen ebenso wie in sozialen Systemen laufen oft zyklisch ab. Eine Verjüngung der Unternehmenskörper ist daher durchaus möglich! Starre entsteht durch Reduktion der Flexibilität, durch unzählige Einzelfestlegungen, Regeln, Vorschriften und Verknüpfungen, die jede Bewegungsfähigkeit zunichte machen.

Die eigene Starre erzeugen wir oft selbst: Vor lauter Beschränkungen können wir uns oftmals nicht mehr rühren. Stellen Sie sich einfach nur mal vor, unsere Füße müssten, um sich bewegen zu können/dürfen, einen etwaig vorgeschriebenen ‚Dienstweg’ einhalten, nämlich vor der Bewegung erst eine Erlaubnis vom nächsten Vorgesetzten (wer das wohl wäre: das Knie?) einholen und eine bestimmte Bearbeitungsfrist (2-3 Tage?) abwarten, bevor sie den ersten Schritt zu machen befugt sind? Die Motivation, sich zu bewegen bzw. einen Schritt zu tun, sie wäre sicher schnell verschwunden. In der Neurologie wird eine derartige Starre als Parkinsonsche Erkrankung bezeichnet. Und in Unternehmenskörpern?

Die optimale Steuerung

Manche biologischen Funktionen, die genau und stabil bei hoher Flexibilität geregelt werden sollen, enthalten eine Komponente chaotischer, anscheinend zufälliger Schwankungen. Emil Monson (1986) hat die Hypothese vertreten, dass die ständigen Schwankungen des Blutdrucks dazu dienen, den für die momentane Funktion optimalen Wert ständig abzutasten und festzustellen. Deshalb ist eine gewisse Dosis Chaos durchaus als ein günstiges Lebenszeichen, auch eines Unternehmenskörpers, zu sehen und wert zu schätzen. Kontrolle und dementsprechende Macht eines übergeordneten Kopfes gibt es (hier) nicht.

Optimalität heißt jener Kompromiss in einem Multivarianten System, der das sogenannte Kostenfunktional minimiert. In vielen physiologischen Teilsystemen, wie beispielsweise im Blutkreislauf, hat man gefunden, dass dieses Kostenfunktional in erster Linie eine Funktion der eingesparten Energie ist. Es wäre jedoch gefährlich, daraus zu folgern, dass biologische Systeme nur dem Prinzip der Sparsamkeit folgen. Dass auch Unternehmenskörper und andere Strukturen nicht nur der Sparsamkeit dienen, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Denn Einseitigkeit auf diesem Gebiet führt unweigerlich zum Tod des Ganzen. Die Mitte ist das Optimum! Eine zusätzliche wichtige Komponente physiologischer Kostenfunktionale ist die Geschwindigkeit des Ablaufes eines korrigierenden Steuerungsvorganges. Ein lebender Organismus kann sich keine Wartezeiten leisten. Unternehmenskörper etwa?

Hierarchischer Aufbau

Das Zentralnervensystem ist hierarchisch aufgebaut. Die Steuerung vieler Funktionen enthält gleichzeitig in übertragenem Sinn ausgedrückt, föderalistisch dezentrale und zentralistisch autoritäre Komponenten. Soweit es sich um vegetative Funktionen handelt, tritt die zentrale Steuerung als Sparmeister in Erscheinung, der die Gesamtfunktion garantieren muss (in Unternehmen die Führung!); die Steuermechanismen in der Peripherie, d. h. auch in den einzelnen Organen und Organteilen, sind dezentral und garantieren eine relativ große Autonomie des Verbrauchers. Beispiel hierfür sind die Hände als Synonym für Handlungen – Kundenkontakte, Entwicklung, Außendienst, Innendienst...

Es ist somit im Organismus eine offensichtlich ideale Kombination zweier gegensätzlicher Steuerungsstrategien realisiert. Rein hierarchische Systeme können zwar schnell reagieren, sind aber wenig lernfähig! Dezentral gesteuerte Systeme sind lernfähiger, aber langsam (Ralph Ziegler). Eine Kombination sollte die Vorteile beider Strategien vereinigen. Man könnte hier auch Ross Ashby zitieren, dass nur mannigfaltige Strategien mit mannigfaltigen Störungen und Problemen fertig werden (Hans Millendorfer).

Die hierarchisch gegliederte Steuerung regiert mittels einer ungeheuren Dichte des Informationsflusses. Praktisch jede Zelle kann durch Nerven und Hormone angesprochen werden und antworten. Hier sind wir in den Unternehmenskörper noch weit entfernt, solche effizienten Systeme installiert zu haben – sieht man mal vom ‚Tratsch und Klatsch’ ab.

Ein Organ (eine Abteilung, ein Team), das von der Kommunikation ausgeschlossen wird, geht zugrunde. Unvollständige Kommunikation führt zu unvollkommener Funktion. Andererseits ist der Organismus fähig, auf geradezu unfassbar vielfältige Weise eine etwa gestörte Kommunikation im Organismus wiederherzustellen. Dann können wir das auch in Unternehmenskörpern schaffen! Demnach sind für die Funktion eines Organismus die Kommunikationslinien (Nerven - EDV, Postwege, Telefon) entscheidend.

Wenn man in einem Organismus die Rolle der Qualität der Kommunikationsverbindungen untersucht, dann zeigt sich, dass den Nervenverbindungen, die Schmerz signalisieren, eine besondere Bedeutung zukommt. Störung dieser Leitungen bedingt das unbemerkte Auftreten von Verletzungen und Verstümmelungen. Für Unternehmenskörper bedeutet das: erst funktionierende Kommunikations- (leitungen) können Schwach/Schmerzpunkte frühzeitig entdecken helfen. Ist die Verletzung – Schädigung des Unternehmensorganismus geschehen, ist es oft zu spät.

Entscheidungen und Privilegien

Während in einem Organismus eine Hierarchie der Entscheidungskriterien besteht, die für die Regelsysteme im Organismus klar verfügbar sind, sehen sich unternehmerische Entscheidungsträger immer wieder aufs Neue mit der Frage konfrontiert: Was ist wichtiger und was ist weniger wichtig? Nicht selten wird ein (vermeintliches) Problem, dem überhaupt keine messbare Bedeutung zukommt, zu einer Frage, die wesentliche Entscheidungen oder gar die gesamte Verwaltung, Entwicklung und Arbeit im Unternehmen blockiert.

Auf der anderen Seite kann eine vordergründig nebensächliche Entscheidung unglaubliche Brisanz erlangen, wenn Relationen nicht korrekt eingehalten werden. So mag zwar beispielsweise die Abschaffung lang verfügbarer Privilegien, trotz aller schmerzhaften „Nebenwirkungen“ notwendig erscheinen. Wenn jedoch gleichzeitig für andere neue Privilegien geschaffen werden, deren Berechtigung äußerst zweifelhaft erscheint, dann ist die gesamte Maßnahme unverständlich und gefährlich. In biologischen Systemen ist diese Problematik nicht gegeben, da es dort im Grund keine Privilegien gibt, und wenn bestehen sie nur scheinbar und nur für einen begrenzten Zeitraum: in Gefahrensituationen z.B. wird sämtliche, verfügbare und entbehrliche Energie den Beinen zur Flucht gegeben – danach wird dieses Privileg natürlich wieder entzogen.

Fazit

Ein biologischer Organismus funktioniert und lebt nur als Gesamtsystem. Keiner seiner Teile kann diese Funktion ersetzen. Unternehmenskörper sollten als ein biologisches, einheitliches System begriffen und gestaltet werden, da auch hier eine Abtrennung von Teilen einer Amputation gleichkommt. Es mag sein, dass diese Überlegungen trivial erscheinen. Jedoch ist alles Grundlegende trivial. Die Ähnlichkeit von Systemcharakteristika komplexer Gebilde ist weder zufällig noch bedeutungslos. Die Möglichkeit, aus Analogien Schlüsse zu ziehen, sollte genutzt werden. Es ist sinnlos, durch Planungen, Vorschriften oder Gesetzen einen ganz bestimmten Zustand erreichen zu wollen. Systemorientiert gedacht ist entscheidend, eine neue Tendenz einzuleiten. Eine Möglichkeit bietet die für alle Beteiligte nachvollziehbare Orientierung an unseren eigenen Körpern, um vitale, biologische Unternehmenskörper zu erschaffen.

Etablierter Systeme erzeugen Wahrnehmungsunfähigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber (berechtigten) Forderungen nach Wandel durch Geschlossenheit und Selbstreferenz. Erst wenn die Überlebensfähigkeit ernsthaft in Frage gestellt wird, brechen solche abgeschlossenen Strukturen auf. Nur exzellentes Management erreicht die frühzeitige organisatorische Anpassung an erkennbaren Wandel. Herkömmliches Management braucht erst die echte Existenzkrise, um einen für den Fortschritt und das Überleben notwendigen tiefgreifenden Strukturwandel herbeizuführen - falls es dann nicht schon zu spät ist! Welches Management betreiben SIE?

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