Das Erzielen höherer Preis ist heute nur mit bestens trainiertem Verkaufspersonal und exzellentem Service möglich. Deshalb schlagen Unternehmen vielfach den vermeintlich leichteren Weg ein und versuchen den Absatz bei den bestehenden Kunden zu erhöhen. Doch dies allein genügt zum Sichern oder gar Steigern der Umsätze (sowie Erträge) meist nicht. Das wissen auch die Unternehmensführer. Deshalb zielt die Strategie der Unternehmen zumeist auch darauf ab, neue Kunden zu gewinnen. In der Praxis erweist sich das Gewinnen von Neukunden im b2b-Bereich aber als schwierig und langwierig, denn „Neukunden“ gibt es zwar aus Unternehmens-, aber nicht aus Marktsicht. Aus Marktsicht sind die so genannten Neukunden fast stets Wettbewerberkunden – also Unternehmen, die mit anderen Lieferanten zusammenarbeiten. Und dies meist seit vielen Jahren. Entsprechend stabil sind ihre Geschäftsbeziehungen.
Allein der Preis führt (in der Regel) nicht zum Ziel
Wie schwer es ist, Lieferanten zu verdrängen oder ihnen Lieferanteile abzujagen, ist den Vertriebsverantwortlichen in der Regel allzu gut bekannt. Deshalb sehen sie im Preis oft das einzige Instrument, um Wettbewerbern Kunden abzujagen. Dieses Vorgehen ist bei recht simplen Produkte oder Dienstleistungen zuweilen von Erfolg gekrönt. Anders ist dies bei allen jenen Produkten und Dienstleistungen, die für die Leistungsfähigkeit der Zielkunden einen hohen Stellenwert besitzen. Bei ihnen ist ein Verdrängen von Wettbewerbern (rein) über den Preis nicht möglich.
Ein Beispiel: Ende 2004 stellte ein Anbieter von elektrotechnischen Komponenten für den Maschinenbau fest, dass seine Kundenbasis deutlich bröckelt. Also startete er eine Maßnahme zur Neukunden-Akquise. Im Zuge dessen bat der Salesdirector Europe die 40 regionalen Salesmanager, in ihrem Gebiet jeweils die drei Top-Kunden der Wettbewerber zu ermitteln. Deren Einkaufsverantwortliche sollten sie kontaktieren und die Preise der Wettbewerber „attraktiv“ unterbieten, um ihnen einen Lieferantenwechsel „schmackhaft“ zu machen. Das Ergebnis war ernüchternd: Über einen Zeitraum von zwölf Monaten konnte kein einziger Neukunden gewonnen werden. Der Grund: Das Unternehmen hatte die Beziehung der Zielkunden zu ihren Lieferanten schlichtweg unterschätzt. Auch waren so manche Einkaufsverantwortliche ob des „Dumping-Angebotes“ gar nicht froh, denn es brachte sie in Zugzwang. So konnten Sie einerseits den deutlichen Preisunterschied nicht ignorieren, andererseits war ihnen aber klar: Wenn wir auf das Angebot eingehen, kommt auf uns (beziehungsweise mich) Mehrarbeit zu. Dann brauchen wir neue Genehmigungsverfahren in unserer Normenstelle und bei unseren Hauptkunden. Außerdem müssen wir unsere Prozesse modifizieren. Wir müssen auch neue Lieferanten- und Artikelnummern einrichten. Und, und, und ...
Kunden wünschen Sicherheit
Viel wichtiger für viele der Entscheider war aber eine andere Aspekt: Das Wissen um die Produkt- und Servicequalität des aktuellen Lieferanten. Hinzukam außerdem der Umstand, dass die Zusammenarbeit diesem bestens funktionierte. Bei einem neuen Lieferanten hingegen müsste sich das Miteinander Schritt für Schritt erst einspielen. Also kontaktierten zahlreiche Entscheider ihren bisherigen Lieferanten: „Ich habe ein Problem. Mir liegt ein Angebot vor, das zehn Prozent günstiger ist. Wir müssen etwas tun, sonst muss ich auf das Angebot eingehen, da ich eine so große Preisdifferenz nicht rechtfertigen kann.“ Und weil der Lieferant den Preisunterschied oft nur zum Teil ausgleichen konnte, wurden weitere Deals abgeschlossen: „Du gehst mit den Preisen für das Produkt x noch etwas weiter runter, als es deine Schmerzgrenze eigentlich erlaubt. Aber dafür lieferst du uns künftig zusätzlich das Produkt y. Zudem erhältst Du einen Wartungsvertrag für ...“ Das Unternehmen erreichte mit seinen Dumpingangeboten also nur, dass die Beziehung zwischen dem potenziellen Neukunden und seinem bisherigen Lieferanten noch enger wurde.
Die Strategie des zweiten Weges
Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen in das Revier von Wettbewerbern eindringen möchten, dann setzen sie den Hebel nicht beim Preis an. Erfolgversprechender ist der „Weg der kleinen Schritte“ – also eine Strategie, die (vorläufig) nicht darauf abzielt, den bisherigen Lieferanten aus dem Boot zu werfen, sondern sich neben ihm als Zweitlieferant zu etablieren. Wenn dann aufgrund der Zusammenarbeit eine Beziehung zwischen Ihnen (bzw. Ihrem Unternehmen) und den Entscheidern beim Kunden gewachsen ist, können Sie immer noch darauf hinarbeiten, Ihrem Konkurrenten weitere Lieferanteile abzujagen.
Zunächst müssen Sie aber wissen, bei welchen Kunden sich ein solches Bemühen lohnt – also welche Kunden ins Beuteraster Ihres Unternehmens passen. Sind diese Zielkunden identifiziert, gilt es über sie Hintergrundinfos zu sammeln, um zu erkunden, welchen Nutzen Sie ihnen stiften könnten. Dabei sollten Sie vier Nutzen-Ebenen unterscheiden:
Per Ferndiagnose lassen sich diese Infos nur zum Teil gewinnen. Also gilt es, eine persönliche Beziehung zu den Entscheidern bei den Zielkunden aufzubauen, um zu ermitteln, wo Sie den Hebel ansetzen könnten. Vereinbaren Sie mit dem oder den Entscheidern in dem betreffenden Unternehmen ein „Erstgespräch“ – jedoch nicht mit der Erwartung, sogleich einen Auftrag an Land zu ziehen. Ihre Gesprächsziele sollten vielmehr sein:
Potenziale und Möglichkeiten ausloten
Im ersten Gespräch geht darum, auszuloten, unter welchen Voraussetzungen für den Zielkunden eine Zusammenarbeit denkbar wäre und wenn ja in welchen Bereichen? Das Instrument hierzu sind Fragen – und zwar Fragen, die sich folgenden Typen zuordnen lassen.
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Ist-Fragen
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Soll-Fragen
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Abhängig von den gewonnenen Informationen kann Ihr weiteres Vorgehen entweder darauf abzielen,
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Argumente für einen Zweitlieferanten
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Enges Beziehungsgeflecht aufbauen
Wie die Praxis zeigt, werden Kunden im Erstgespräch sich meist nicht dazu durchringen können oder wollen, Sie als weiteren Lieferanten zu engagieren. Dafür ist die Vertrauensbasis noch zu klein. Erörtern Sie deshalb in diesem Gespräch auf keinen Fall Preise und Konditionen. Denn so lange zwischen Ihnen und Ihrem potenziellen Kunden noch keine gewachsene Beziehung besteht, nutzt er diese Infos nur für die Verhandlungen mit seinem bisherigen Lieferanten.
Ihre Gesprächsziel sollte deshalb sein, eine Absprache zu treffen, die sicherstellt, dass Sie und Ihr potenzieller Neukunde im Kontakt und Gespräch bleiben. Vereinbaren Sie mit ihm zum Beispiel regelmäßige Treffen, um sich über die Marktentwicklung auszutauschen. Oder laden Sie ihn zur Besichtung Ihres Werks oder Logistikzentrums ein. Achten sollten Sie dabei darauf, dass nicht nur zwischen Ihnen und Ihrem Gesprächspartner eine immer engere Beziehung entsteht. Vielmehr sollte sich ein immer engeres Beziehungsgeflecht zwischen den Mitarbeitern Ihrer Organisation und der Organisation des Kunden entwickeln. Beziehen Sie also auch Ihre Servicetechniker, Entwickler und Logistikfachleute in den Beziehungsaufbau ein. Denn je enger und vielfältiger die persönlichen Bande zwischen Ihrem Unternehmen und der Kundenorganisation sind, um so eher entscheidet sich der Neukunde für Sie.
Zum richtigen Zeitpunkt in die Offensive gehen
Wenn Sie (und Kollegen/Mitarbeiter von Ihnen) im regelmäßigen Kontakt mit dem Zielkunden stehen, dann erfahren Sie auch, wann sich bei ihm etwas ändert – zum Beispiel technisch, organisatorisch oder personell. Sie erhalten auch Infos über Ihre Konkurrenten. Zum Beispiel, dass er sich mit einer Problemlösung schwer tut. Oder, dass ihn wichtige „Schlüsselpersonen“ verlassen. Oder, dass er ein neues Logistiksystem einführt. Solche Veränderungen führen meist zu Irritationen beim Kunden. Also ergeben sich hieraus für Sie Ansatzpunkte, um bei Ihrer Kontaktperson zum Beispiel mit dem Vorschlag vorstellig zu werden: „Was halten Sie davon, wenn sich die Personen a, b und c aus Ihrer Organisation und die Personen x, y, und z aus unserer Organisation zu einem Spezifikationsworkshop treffen, um gemeinsam zu schauen, wie ...“.
Wenn beim Zielkunden ohnehin Veränderungen anstehen, sind Ihre Chancen, zum Ziel zu kommen, groß. Nun können Sie gezielt darauf hinarbeiten, dass Sie den gewünschten Erstauftrag erlangen oder Ihr Kunde den Lieferumfang erhöht, sofern er Ihnen bereits erste Kleinstaufträge erteilte.
Zum Abschluss noch ein Tipp
Konzentrieren Sie beim Versuch, Wettbewerbern Kunden abzujagen, Ihre Energie nicht auf deren Top-Kunden. Denn dann werden diese „fuchsteufelswild“ und setzen alles daran, dass Sie nicht zum Zug kommen. Anders ist es, wenn Sie deren Kunden im unteren A- und im oberen B-Kunden-Segment umgarnen. Sie stehen nicht so stark im Fokus der Key-Accounter. Deshalb können Sie mit ihnen, bevor Ihre Wettbewerber Ihre „Charme-Offensive“ registrieren, oft so enge Kontakte aufbauen, dass es zum Abwehren Ihres Angriffs bereits zu spät ist.
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Buchtipp
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