Fachartikel, 16.07.2007
Perspektive Mittelstand
Wirtschaft/Mittelstand (allgemein)
Maschinenbau in Ostdeutschland erobert den Weltmarkt
Mit innovativen Produkten erobern flexible mittelständische Betriebe aus den neuen Ländern und Berlin im Bereich Maschinenbau zunehmend den West- und Weltmarkt. In Berlin etwa geht bereits deutlich mehr als die Hälfte der Maschinenbauerzeugnisse in den Export. Auch an Leistungsstärke hat die Branche zuletzt gewonnen. Mit einem Umsatz von 218.000 Euro je Mitarbeiter hat die Hauptstadt deutschlandweit einen der vorderen Produktivitätsplätze erreicht.
Der ostdeutsche Maschinenbau wurde vom Ende der DDR-Planwirtschaft besonders hart getroffen. Fast der gesamte Kundenstamm brach ihm damals weg. Gleichzeitig konnte er im Westen nicht punkten: Mit Einführung der D-Mark waren die Ost-Firmen mit ihren zwar soliden, aber veralteten Maschinen nicht mehr konkurrenzfähig. Der Zusammenbruch erfolgte allerdings in Raten – nicht zuletzt dank subventionierter Ost-Exporte. So zählte der Maschinenbau in Ostdeutschland im Jahr 1991 auf dem Papier zwar 350.000 Beschäftigte – Arbeit bot er diesen allerdings oft schon nicht mehr. Der Umsatz belief sich ein Jahr nach der Wiedervereinigung auf knappe 10 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Allein von Firmen aus Nordrhein-Westfalen wurden damals Maschinen im Wert von 31 Milliarden Euro verkauft. Doch es kam noch schlimmer:

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Der Tiefpunkt im ostdeutschen Maschinenbau wurde 1993 mit 6,7 Milliarden Euro Umsatz, bei den Jobs sogar erst 1997 mit 78.000 Arbeitnehmern erreicht.
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Von vielen schon abgeschrieben, stieg der Maschinenbau in den neuen Ländern anschließend jedoch wie Phönix aus der Asche zu neuer Stärke auf. Im vergangenen Jahr wurde mit einem Branchenumsatz von 13,2 Milliarden Euro ein Nachwende-Rekordwert verzeichnet. Auch bei der Beschäftigung macht sich der Aufschwung jetzt bemerkbar: Während in früheren Jahren die Personaldecke ausreichte, um die Produktion wieder hochzufahren, fehlten zuletzt Kräfte. Die Zahl der Jobs legte im Jahr 2006 um 4,5 Prozent auf 84.440 zu.

Insbesondere Sachsen hat eine Lokomotivfunktion für den Ost-Maschinenbau übernommen. Hier war die Ausgangsposition vergleichsweise günstig: Denn der Landstrich zwischen Görlitz und Klingenthal ist ein Stammland der deutschen Maschinenhersteller, aus dem viele wichtige Erfindungen kommen. Die erste deutsche Textilmaschine entstand ebenso in Sachsen wie die 1839 in Dresden konstruierte erste Lokomotive „Saxonia“. Doch mit der DDR-Planwirtschaft verlor auch der sächsische Maschinenbau den Anschluss. Erfindungsreichtum war nur noch bei der Meisterung von Mangelsituationen gefragt; so entstand hier z.B. die Plastekarosserie des „Trabbi“.

Entsprechend heftig war im Freistaat der Einbruch nach der Wende. Doch irgendwo schlummerte dort noch das Potenzial früherer Tage. Und so fasste der Maschinenbau in Sachsen rascher Tritt als anderswo: Schon seit 1993 wachsen die Umsätze und seit 1998 auch die Beschäftigung in der Branche, so dass Sachsen heute zumindest im Osten wieder die Nase vorn hat. Die Statistik verzeichnet rund 450 Betriebe mit jeweils mindestens 20 Mitarbeitern, die eine breite Produktpalette von Druck- über Werkzeug- und Textilmaschinen bis zu Spezialmaschinen für die Dresdener (und weltweite) Chipindustrie fertigen. Sachsenweit waren im Vorjahr 36.100 Personen im Maschinenbau beschäftigt, fast 17 Prozent mehr als zum Nachwende-Tiefpunkt 1997. Sachsen stellt damit 43 Prozent der ostdeutschen Maschinenbaubeschäftigten – weit mehr, als es seinem Bevölkerungsanteil von 26 Prozent entspricht.

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Auf je 1.000 Sachsen kommen inzwischen 8,5 Jobs im Maschinenbau – damit hat die Branchendichte fast hessisches Niveau erreicht.
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Westdeutsche Flächenländer wie Schleswig-Holstein oder Niedersachen kommen sogar nur auf 7 bzw. 6 Maschinenbauer je 1.000 Einwohner. So gut wie ausgestorben ist die Branche dagegen im Urlaubsparadies Mecklenburg-Vorpommern. Die Zahl der Maschinenbaujobs krebst bei 4.200 vor sich hin. Bei den Ausfuhren schneiden die Berliner Unternehmen mit einer Exportquote von 56 Prozent am besten ab. In der Hauptstadt entstehen hochwertige Maschinen für die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik sowie den medizinischen Bereich, die weltweit vermarktet werden. Mit nur noch 10.500 Beschäftigten musste der Hauptstadt-Maschinenbau allerdings bis zuletzt Einbußen hinnehmen; in den vergangenen zehn Jahren ging fast ein Viertel der Jobs verloren.

Die wenigsten Maschinen exportiert Brandenburg – statistisch gesehen. Weil in und um Hennigsdorf herum aber einer der größten Hersteller von Bahntechnologie sitzt, dürften viele brandenburgische Maschinenbauer letztlich mittelbar ihre Produkte in alle Welt verschiffen – eingebaut in Lokomotiven und Waggons. In der Statistik werden sie indes dem Fahrzeugbau zugeschrieben. Der Maschinenbau in den östlichen Bundesländern ist also auf dem richtigen Gleis – zumal überall Netzwerke entstehen, die den technologischen Umbruch vorantreiben. An der einen oder anderen Stelle kann die Branche jedoch noch an Fahrt zulegen:

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Größenproblem
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In der ostdeutschen Industrie und damit auch im Maschinenbau mangelt es an Großunternehmen, die als Kristallisationspunkte in regionalen Clustern wichtig sind. Im ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbe gibt es nur 148 Betriebe mit mindestens 500 Beschäftigten; jenseits von 1.000 Mitarbeitern sind es sogar nur 42 – oder 7 Prozent des gesamtdeutschen Bestandes. Demzufolge sind die Ostbetriebe stark von Aufträgen großer Westunternehmen abhängig. Kritiker sprechen deshalb von „verlängerten Werkbänken“. In wirtschaftlichen Boomphasen ist das nicht unbedingt ein Manko: Momentan geben viele Großunternehmen aufgrund ihrer vollen Auftragsbücher größere Arbeitspakete an ihre Zulieferer oder verbundene Mittelständler ab.

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Produktivitätssteigerung
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Der Umsatz pro Mitarbeiter wuchs im Maschinenbau von knapp 28.000 Euro im Jahr 1991 auf inzwischen 156.000 Euro; dies sind zwar erst 82 Prozent des gesamtdeutschen Niveaus. Die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen hat sich indes im Laufe des vergangenen Jahrzehnts so weit verbessert, dass die Lohnstückkosten im Verarbeitenden Gewerbe nun leicht unter denen der westdeutschen Industrie liegen.

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Gewinnsituation
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In den ostdeutschen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes betrug im Jahr 2004 (aktuellere Daten liegen nach Angaben des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle nicht vor) der Gewinn vor Steuern im Durchschnitt 3,8 Prozent des Bruttoproduktionswerts; in den westdeutschen Firmen lag die mittlere Rendite bei 2,4 Prozent. Die Erholung bei den Unternehmensgewinnen ist allerdings auch bitter nötig. Denn die Eigenkapitalsituation der Betriebe im Osten lässt noch immer zu wünschen übrig.

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Regionalförderung
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Auch wenn die Gewinne anfangen zu sprudeln, so reichen die Einnahmen noch längst nicht aus, um die Versäumnisse der Vergangenheit auszubügeln. Für Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen benötigt der ostdeutsche Maschinenbau auch weiterhin Mittel aus der Regionalförderung. Die Investitionszulage und Zuschüsse im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur summieren sich für Mittelständler je nach regionalem Fördersatz auf etwa ein Drittel der Kosten für die neuen Maschinen und Anlagen. Bei Großinvestitionen gibt es inzwischen allerdings deutlich weniger vom Staat dazu.

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