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Fachartikel, 16.01.2006
Online-PR
Die Bedeutung von Weblogs für die PR - Teil 1
Schon lange wird im Zusammenhang mit dem Internet über die Demokratisierung der Information und der Kommunikation diskutiert. Jetzt wird das Web um einiges persönlicher. Und es wird immer mehr zum Ort der Interaktion. Erster Teil eines zweiteiligen Beitrag von Prof. Dr. Thomas Pleil.
Weblogs, Wikis und andere Peer-to-Peer-Dienste ermöglichen theoretisch jedem Internet-Nutzer im Netz zu publizieren. Für die PR ergeben sich daraus neue Möglichkeiten der Kommunikation und neue Notwendigkeiten für das Issues Management.

Entstehung des Personal Web Publishing

Grundsätzlich ist wenig Neues daran, dass Internet-User ihre eigenen Websites unterhalten: Die Einführung graphischer Oberflächen im Netz führten Anfang der neunziger Jahre zu einem ersten Boom persönlicher Homepages (Lüthi 2004). Sie sind ein Beispiel für das so genannte Personal Web Publishing (PWP). Unter PWP wird die Möglichkeit des Einzelnen verstanden, kostengünstig im Internet Nachrichten, Berichte, Kommentare oder andere Texte und Bilder zu veröffentlichen. Die Themen können privater Natur, aber auch nach journalistischen Kriterien ausgewählt und aufbereitet sein.

Gerade im wissenschaftlichen Umfeld, in dem das Internet seit jeher selbstverständlich genutzt wird, bieten die Rechenzentren traditionell Kapazität und Hilfestellung für das Bauen persönlicher Homepages, so zum Beispiel die Universität Nürnberg-Erlangen (http://www.rrze.uni-erlangen.de/) oder die Universität Bern (http://www.student.unibe.ch/webseite/index.php). Durch eigene Verzeichnisse sind diese persönlichen Seiten oft nicht nur über die jeweilige Organisationseinheit, sondern anhand des Namens der Mitarbeiter zu finden - wie etwa bei der University of Lethbridge in Kalifornien (http://people.uleth.ca/) oder der Ruhr-Universität Bochum (http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/). Richtlinien bzw. Verpflichtungserklärungen (Beispiel: Ruhr-Uni Bochum, http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/verpflichtung) stecken dabei den Rahmen ab, in dem sich die Internet-Autoren auf dem Server ihres Arbeitgebers bzw. ihrer Hochschule bewegen dürfen. Allerdings ist dieser Rahmen üblicherweise weit gesteckt: Untersagt sind lediglich Werbung und Inhalte, die gegen geltendes Recht verstoßen.

Oft findet sich auf solchen persönlichen Homepages eine Linkliste, die häufig chronologisch sortiert und kommentiert wird (Bausch et.al.2002, 8). Auch tagebuchartig gepflegte Seiten existieren schon seit der ersten Hälfte der 90er Jahre: So begann zum Beispiel Dave Winer, CEO der Softwarefirma UserLand, 1994 Nachrichten und Essays zur IT-Branche zu veröffentlichen (Fisher 2001). Zuvor hatten schon der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, und Netscape-Gründer Marc Andreessen mit tagebuchartigen Einträgen über technische Neuerungen aus ihrem Arbeitsfeld im Internet berichtet (Bauhoff 2004). Seiten dieser Art werden typischerweise als Vorläufer von Weblogs gesehen.

Typische Kennzeichen von Weblogs

Persönliche Webseiten waren anfangs technisch versierteren Nutzern, also IT-Experten, vorbehalten. Erste Tools, die das einfache Erstellen von Weblogs ermöglichen, entstanden Mitte 1999 (Fikisz 2004, 27). Dabei handelt es sich um einfache Content Management Systeme. Seitdem kann jeder Interessierte ohne technische Kenntnisse von jedem Ort mit Onlinezugang aus im Internet publizieren. Neben dieser Möglichkeit haben die Blogging-Tools bewirkt, dass sich bestimmte formale Kennzeichen bei Weblogs durchsetzen. Doch was sind nun Weblogs?

Vorweg eine kurze Klärung neuer Begriffe rund um Weblogs: Statt des Begriffs „Weblog” wird häufig synonym „Blog” verwendet; Betreiber von Weblogs werden als „Blogger” bezeichnet; die Community, die Weblogs betreibt und verfolgt heißt „Blogosphere”.

Eine allgemein gültige Definition für Weblogs gibt es bislang nicht, aber es besteht Einigkeit darin, dass sie sich aus den tagebuchartig gepflegten persönlichen Seiten der Internet-Pioniere entwickelt haben. Albrecht sieht Weblogs „als Nachrichtenbörse. (...) Das Internet wird \'gefiltert\' und die (subjektive) Selektion wird der Weblog Community online mitgeteilt” (Albrecht 2002). Doch neben dem Sammeln und Weiterverbreiten von Informationen ist ein wichtiges Element von Weblogs das durchaus kritische Kommentieren der Fundstellen und das Bereitstellen eigener, neuer Informationen. Der Stil der Einträge ist dabei meist persönlich, ähnlich der journalistischen Kolumne. Deshalb beschreibt Zerfaß Weblogs als „private oder thematische Nachrichtendienste, die als Website publiziert und ähnlich wie ein Tagebuch (...) in regelmäßigen Abständen ergänzt werden” (Zerfaß 2004). Dadurch können sich Informationen, aber im Zweifel auch Fehlinformationen und Gerüchte, in rasender Geschwindigkeit verbreiten. Veröffentlicht werden Weblogs inzwischen nicht mehr nur als eigenständige Website, sondern sie werden häufig auch in größere Sites integriert. Dabei ist es möglich, als einzelne Person oder als Gruppe Blogs zu unterhalten.

Neben der tagebuchartigen Präsentation der Einträge - das Neueste steht oben - ist formal ebenfalls von großer Bedeutung, auf andere Weblogs in einer eigenen Spalte (BlogRoll) zu verweisen. Dabei handelt es sich typischerweise um thematisch ähnlich ausgerichtete Angebote, oder solche, die dem Blogger besonders gut gefallen. Schließlich besteht häufig für jeden Leser die Möglichkeit, Einträge im Blog direkt zu kommentieren. Durch diese Art des partizipatorischen Publizierens, also das Aufgreifen von Informationen anderer Blogs und das Kommentieren durch die Leser innerhalb des Blogs, können intensive Diskussionen und erkennbare Communities entstehen.

Etwa 2001 begann - zunächst vor allem in den USA - „Blogging”, also das Schreiben von Weblogs - zu boomen (ebd.). Im deutschen Sprachraum gibt es nach aktuellen Schätzungen etwa 35.000 bis 40.000 aktive Weblogs (Wichmann 2004). Ende 2003 waren es nach Schätzungen noch lediglich 5.000 (Sixtus 2003). Insgesamt listet die Suchmaschine Technorati (http://www.technorati.com) im August 2004 etwa 3,5 Millionen Weblogs weltweit auf. Da Technorati nicht alle Blogs erfasst, dürften insgesamt etwa vier bis fünf Millionen Blogs existieren. Etwa 15.000 neue Blogs sollen täglich neu entstehen (Technorati 2004). Seit dem Irakkrieg, in dem via Warblogs eine neue - subjektive, aber unabhängige - Art der Berichterstattung praktiziert wurde, wird Blogging auch von einer breiteren Öffentlichkeit intensiver wahrgenommen (z.B. Harrer 2003, Lüthi 2004, S.B. 2004, Patalong 2004).

Die Entstehung von Warblogs wie auch die von den IT-Experten begonnene Tradition, Neuerungen z.B. von Software zu thematisieren, machen klar, dass Weblogs weit mehr sind, als Tagebücher, die aus der Privatheit heraus ins weltweite Netz gehoben werden. Vielmehr ist das Themenspektrum von Weblogs ebenso weit wie das jeder anderen Art der Kommunikation - anders ausgedrückt: Es gibt kaum ein Thema, zu dem nicht gebloggt wird. Zu den Betreibern gehören Manager, Journalisten und vor allem Privatpersonen.

Andere Beispiele für Personal Web-Publishing sind Peer-to-Peer-Angebote. Hier gibt es kollaborative News-Angebote wie z. B. Shortnews (http://shortnews.stern.de/), bei denen jeder Interessierte zum Journalisten werden und Nachrichten veröffentlichen kann. Journalistische Qualitätskriterien werden hierfür jedoch erwartet. Auch Wikis setzen die Zusammenarbeit von Web-Usern voraus. Hier hat jedoch jeder User nicht nur die Möglichkeit, neue Texte anzulegen, sondern auch vorhandene zu überarbeiten. Besonders häufig angewandt werden solche Dienste zum Wissensmanagement, angefangen von Online-Enzyklopädien wie Wikipedia (www.wikipedia.org) bis hin zu Wikis zu speziellen Produkten. Gemeinsam ist diesen Peer-to-Peer-Diensten, dass jeder Interessierte zum Internet-Autor werden kann. Da Weblogs wesentlich stärker verbreitet sind, stehen diese in den folgenden Ausführungen im Mittelpunkt.

Arten von Weblogs

Grob lassen sich drei Arten von Weblogs unterscheiden:

1.) Private Blogs

Diese Blogs sind mit digitalen Tagebüchern vergleichbar. In ihnen werden private Erlebnisse in Bild und Text veröffentlicht. Allerdings können sich die Einträge auch auf das Netz beziehen, also beispielsweise Hobbies oder spezielle Interessensgebiete umfassen. Die neueste technische Entwicklung im Blogging, Fotos und Texte direkt vom Handy aus zu veröffentlichen (so genannte mobile Blogs oder Moblogs) wird bisher vor allem im privaten Zusammenhang genutzt.

2.) J-Blogs und Media Blogs

Dabei handelt es sich um Blogs, die von Journalisten unterhalten werden. J-Blogs (Journalistische Blogs) entstehen meist als private Initiative von Journalisten, die sich typischerweise mit berufspraktischen oder fachlichen Themen befassen. In diese Kategorie fallen unter anderem zahlreiche Warblogs. Seit kurzem haben jedoch auch die klassischen Medien das Thema Blogging für sich entdeckt und bieten immer häufiger auf ihren Seiten eigene Blogs an. Diese Blogs sind in die Websites - und damit auch in die Kommunikationsstrategie - der Medien integriert und können deshalb als eigene Kategorie, die Media Blogs, betrachtet werden. So bloggen zum Beispiel drei USA-Korrespondenten der ARD seit Mitte Juli 2004 auf der Website der Tagesschau (http://blog.tagesschau.de/) zu ihren Eindrücken der Präsidentschaftswahl in den USA. J-Blogs und Media Blogs lassen erwarten, dass sie journalistische Qualitätskriterien am ehesten erfüllen; sie können als eigene und neue journalistische Darstellungsform betrachtet werden.

3.) PR-Blogs

PR-Blogs sind Weblogs, die gezielt im Rahmen einer Kommunikationsstrategie eingesetzt werden. Hierbei lassen sich im Netz die unterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten und Initiatoren beobachten, beispielsweise Unternehmen, NGOs oder bekannte Persönlichkeiten. Deshalb sei an dieser Stelle eine Gliederung vorgeschlagen, die sich an den Betreibern von PR-Blogs orientiert:


::: Watchblogs und Activists\' Blogs: Sie haben das Ziel, kritische Öffentlichkeit herzustellen. Kommerzielle Interessen gibt hier nicht - eher im Gegenteil: Häufig soll eine Gegenöffentlichkeit ohne wirtschaftliche Interessen hergestellt werden. So begleiten die Betreiber von Watchblogs kritisch die Aktivitäten von Unternehmen oder Organisationen, wobei sich diese Kategorie von Weblogs häufig mit den Medien auseinandersetzt. Ein Beispiel ist der Bild-Blog (http://www.bildblog.de); doch auch Public Relations werden kritisch beobachtet: So fördert zum Beispiel das US-amerikanische Center for Media & Democracy das Projekt „PR-Watch”, das den Blog „Spin of the day” (http://www.prwatch.org/spin/index.html) herausgibt, ein Blog, der laut Selbstdarstellung täglich über PR, Propaganda und „Media Spinning” berichtet. Mit dem „Spindoktor” (http://spindoktor.de) gibt es im deutschen Sprachraum einen ähnlichen Blog. Doch auch andere Nonprofit-Organisationen wie Greenpeace (http://weblog.greenpeace.org/) nutzen Weblogs, um Öffentlichkeit herzustellen, beispielsweise, wenn quasi live von einer Tour des Schiffes Rainbow-Warrior berichtet und dazu aufgerufen wird, online eine Petition gegen illegales Fischen im Pazifik (http://weblog.greenpeace.org/pacific/) zu unterzeichnen. Auch spontan entstehende Protestgruppen nutzen die neue Art des Publizierens: So zum Beispiel Studenten in Hessen, die sich gegen Studiengebühren wehren (http://protest.blogger.de/). Solche Blogs sollen an dieser Stelle als Activists\' Blogs bezeichnet werden. Bei ihnen geht es konkret darum, die Ziele von Aktivisten zu unterstützen.

::: Corporate Blogs: Diese derzeit intensiver diskutierte Kategorie von Weblogs zeichnet sich formal dadurch aus, dass die Blogs auf der Website eines Unternehmens gehostet und entweder von beliebigen Mitarbeitern, Führungskräften oder PR-Praktikern gepflegt werden. Beispiele hierzu lassen sich besonders in der IT-Branche und in den USA finden. Einer der bekanntesten bloggende Manager ist der Chief Operating Officer von Sun, Jonathan Schwartz (http://blogs.sun.com/jonathan), der sich in seinem Blog durchaus auch Gedanken zu Wettbewerbern macht (z.B. in seinem Eintrag vom 16.08.2004 zu Hewlett Packard). Aber auch in europäischen Firmen wird gebloggt: So zum Beispiel vier Vorstandsmitglieder von SAP (http://www.sap.com/community/pub/blogs.aspx). Andere Firmen wie Microsoft oder Macromedia ermuntern ihre Mitarbeiter, eigene Weblogs einzurichten und stellen hierzu den Firmenserver zur Verfügung. Corporate Blogs dienen dazu, ein Unternehmen bei der Erreichung seiner Kommunikationsziele zu unterstützen (Wackå 2004). Sie können auf unterschiedliche Weise eingesetzt werden: Im Rahmen der internen Kommunikation ebenso wie zur Kommunikation mit externen Stakeholdern.

::: Personality Blogs: Wenn Menschen zu Marken werden (Herbst et.al. 2003) können Weblogs ein Bestandteil der Kommunikation werden. Dies gilt beispielsweise für Schauspieler, Popstars oder Politiker. So hat Blogging längst in den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf Einzug eingehalten: Howard Dean, einer der demokratischen Bewerber, gelang es als erstem Politiker, mit seinem Blog for America (http://blog.deanforamerica.com/) nennenswerte Teile der Bevölkerung anzusprechen - zumal der Blog selbst häufig zum Thema in den klassischen Medien wurde. John Kerry (http://blog.johnkerry.com/) und schließlich auch George W. Bush (http://www.georgewbush.com/blog/) zogen nach und lassen nun ebenfalls in ihrem Namen auf ihrer Website bloggen. Und natürlich hat auch Regisseur und Bush-Gegner Michael Moore Blogging für sich entdeckt - allerdings nur sehr verhalten und mit wenigen Einträgen. (http://www.michaelmoore.com/words/diary/).

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Quelle / Urheber dieses Beitrages (Erstveröffentlichung September 2004):

Prof. Dr. Thomas Pleil lehrt an der Fachhochschule Darmstadt im Studiengang Online-Journalismus Public Relations. Seine Schwerpunkte sind Online-PR, Nonprofit-PR und PR für neue Technologien. Pleil hat in Salzburg zu PR-Forschung promoviert und in Agenturen, als freier Berater sowie als Leiter der PR der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt gearbeitet.


ZUM AUTOR
Über Prof. Dr. Thomas Pleil
FH Darmstadt
Prof. Dr. Thomas Pleil, Jahrgang 1967, ist Diplom-Journalist und Professor für Public Relations an der Hochschule Darmstadt und lehrt dort in den Studiengängen Online-Journalismus und Wissenschaftsjournalismus. Seine Arbeitsschwerpunkte ...
FH Darmstadt
Max-Planck-Str. 2
64807 Dieburg

+49-6071-829272
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