Fachartikel, 21.11.2006
Perspektive Mittelstand
Finanzierung und Unternehmenskredite
Schwieriges Umfeld
Obwohl die Banken zuletzt wieder mehr Kredite an die Unternehmen vergeben haben, bleibt das Geschäft mit den Darlehen schwierig. Niedrige langfristige Zinsen und neue Vorgaben lassen die Geldhäuser bei der Kreditvergabe vorsichtig werden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen stellt das vor große Herausforderungen: Ihnen ist normalerweise die Finanzierung über Anleihen und Aktien verwehrt, so dass sie vorwiegend auf Bankkredite angewiesen sind.*)
Es ist ein lange eingespieltes Ritual: Die Unternehmen beklagen, sie könnten nicht investieren, weil sie von den Banken kaum Kredite bekämen. Die Geldhäuser kontern und verweisen darauf, dass die schwierige Geschäftslage und das gesamtwirtschaftliche Umfeld eine lockere Kreditvergabe nicht zuließen. Zumindest in den ersten Monaten dieses Jahres legten beide Seiten in dem Schwarzer-Peter-Spiel eine Pause ein. Grund ist die günstige Konjunktur, die das Kreditgeschäft nach über zwei Jahren des Rückgangs wieder belebt hat:

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In den ersten beiden Quartalen 2006 stieg das Volumen der ausstehenden Unternehmenskredite gegenüber den Vorjahresquartalen um 1,7 bzw.
1,8 Prozent.
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Doch obwohl das Fieber vorerst gesunken ist, steckt die Krankheit dem Finanzwesen noch immer in den Knochen. Denn das Umfeld ist trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs nach wie vor schwierig. Probleme bereiten den Geldhäusern beispielsweise die Zinsen. Zum großen Teil leihen sich Banken kurzfristig zu geringen Zinsen Geld und verleihen die Mittel langfristig an Unternehmen zu höheren Zinsen. Die Differenz zwischen Zinsen für kurz- und langfristige Kredite bestimmt dementsprechend ihre Gewinnchancen im Kreditgeschäft. Zuletzt ist die Spanne zwischen Zinskosten und Zinserträgen – der Nettozinsertrag – jedoch stark geschrumpft:

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Der Nettozinsertrag fiel zwischen 1993 und 2003 von rund 2 Prozent der Bilanzsumme auf 1,4 Prozent.
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Neben den niedrigen langfristigen Zinsen erschweren zwei weitere Entwicklungen das Kreditgeschäft. Zum einen sehen sich die Banken einem wesentlich größeren Wettbewerbsdruck ausgesetzt als früher. Zum anderen treten im kommenden Jahr neue Vorgaben zur Kreditvergabe in Kraft. Diese so genannten Basel-II-Regeln verpflichten die Geldhäuser, die Zinsen je nach Kreditwürdigkeit des Unternehmens zu variieren. Die Banken müssen daher genauer hinschauen, wem sie Geld leihen.

All diese Trends im Kreditgeschäft stellen nicht nur für die Banken ein Problem dar, sondern auch für die Betriebe. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind auf Bankkredite angewiesen. Denn im Gegensatz zu großen Firmen haben sie kaum die Möglichkeit, sich über die Ausgabe von Wertpapieren Geld zu beschaffen.

Bevor Anleger Wertpapiere kaufen, möchten sie wissen, wie es um das Unternehmen bestellt ist: Hat die Geschäftsidee Zukunft? Ist das Management der Aufgabe gewachsen? Bei großen Unternehmen suchen Analysten nach Antworten auf solche Fragen. Zudem lohnen sich für Konzerne Informationskampagnen.

Für kleine Betriebe rechnet sich dieser Aufwand nicht. Anleger können daher kaum ermessen, ob die Aktie oder Anleihe was taugt, und werden im schlimmsten Fall gar nicht investieren; im günstigen Fall werden sie das Wertpapier zu einem niedrigen Preis kaufen – also einen Risikoabschlag berechnen.

Aber auch Banken wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. In der Unternehmensbefragung der bundeseigenen KfW-Bank nennen von den Unternehmen, die über Schwierigkeiten beim Zugang zu Krediten berichten, 64 Prozent die Anforderungen an die Offenlegung als Grund für die Probleme.

In ihrem Kreditgeschäft haben die Banken bislang solche Informationsmängel durch ihre Kundenbeziehung überwunden. Oft kennen die Geldhäuser die Unternehmer seit Langem als Kunden. Zudem können die Filialmitarbeiter vor Ort einen tiefen Blick in die Firmenbücher werfen. Seit die Banken jedoch mit steigendem Wettbewerbsdruck und sinkenden Gewinnmargen im Kreditgeschäft kämpfen, steht dieses kostenintensive Geschäft auf dem Prüfstand.

*) Vgl. Manfred Jäger: Finanzmarktstrukturen im Wandel, IWAnalysen Nr. 21, Köln 2006, 84 Seiten, 18,80 Euro. Bestellung über Fax: 0221 4981-445 oder unter: www.divkoeln.de
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