Die Krise fordert in den betroffenen Euroländern Opfer – zum Beispiel in Form niedrigerer Gehälter für Staatsbedienstete, geringerer Sozialleistungen und höherer Steuern. Das ruft Kritiker auf den Plan. Die Politik müsse sich durchsetzen und sich gegen die unbändigen Finanzmärkte wehren, schließlich hätten sie die Krise eingebrockt.
Doch so einfach ist die Situation nicht. Wer das Primat der Politik einfordert, darf nicht vergessen, dass nicht nur der Markt versagen kann, sondern auch der Staat und somit die Politik. Denn in parlamentarischen Demokratien ist es keineswegs sichergestellt, dass die staatliche Wirtschaftspolitik garantiert gesamtgesellschaftlich sinnvolle Entscheidungen trifft.
Einerseits gibt es gut verdrahtete Lobbygruppen, die versuchen, ihre Interessen durchzusetzen, und Wähler, die oft nur an ihr kurzfristiges Wohl denken. Andererseits sind da Politiker, die gern wiedergewählt werden wollen und dafür so manch langfristig problematische Entscheidung vertagen und die Lasten in die Zukunft verschieben. Genau das ist nämlich vor der Eurokrise passiert, schon lange bevor Griechenland oder Spanien öffentlich in die Bredouille kamen:
Staatsverschuldung
Politiker sind besonders dann populär, wenn sie Steuern senken und Sozialleistungen schaffen bzw. erhöhen – schließlich sorgt das für mehr Geld bei den Wählern. Doch diese verkennen dabei – bewusst oder unbewusst – eines: Kurzfristige Steuersenkungen und höhere Staatsausgaben bedeuten meist höhere Schulden. Solche Wahlgeschenke fallen den Beschenkten also irgendwann auf die Füße, wenn auch oft erst den Kindern in der nächsten Generation. Doch die Wähler von morgen haben noch kein Mitspracherecht. Wie verbreitet dieser kurzsichtige Handel ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit:
Lag die öffentliche Schuldenquote Anfang der 1970er Jahre in den meisten europäischen Staaten noch bei unter 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ist sie seitdem fast überall sehr deutlich angestiegen, beim Spitzenreiter Griechenland hat sie sich sogar verachtfacht.
Wie sich bestimmte Gruppen auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, kann man am Beispiel Griechenland ablesen. Dort wurden in der Vergangenheit Staatsposten als Wahlgeschenke verteilt; und Beamte verdienten in Hellas sehr viel mehr als Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Dass sich nun Widerstand gegen den Abbau solch lieb gewonnener Besitzstände regt, ist zwar aus Sicht der Betroffenen verständlich – der Allgemeinheit zuliebe muss die Zahl der staatlichen Jobs trotzdem auf ein vernünftiges Maß gekappt werden.
Marktabschottung und Arbeitslosigkeit
Ein typisches Versagen der Politik besteht darin, das Richtige zu wollen – aber das Falsche dafür zu tun. Manche Regulierungen schützen zwar die Arbeitsplatzbesitzer (die sogenannten Insider), schaden aber den Arbeitslosen (den sogenannten Outsidern). Zwar sind die Outsider eigentlich schutzbedürftiger als die Insider, doch weil die Arbeitslosen in der Minderheit sind, spielen ihre Interessen im politischen Prozess nur eine untergeordnete Rolle. Die Insider dagegen sind in der Mehrheit, sei es im Staat oder auch in den Gewerkschaften, die für ihre Mitglieder die Löhne verhandeln.
Höhere Löhne kommen zwar den Arbeitnehmern zugute. Doch zu hohe (Mindest)Löhne sind auch eine Barriere für Outsider, die zurück in den Job wollen – denn hohe Löhne schützen die Insider vor unerwünschter Konkurrenz. Auch ein zu rigider Kündigungsschutz und restriktive Zugangsbestimmungen für bestimmte Berufsgruppen, etwa für viele freie Berufe und Handwerker, haben eine solche abschottende Wirkung.
Ein Blick auf den Regulierungsindex der OECD zeigt, dass sich in Südeuropa bestimmte Interessengruppen in der Politik offenbar besonders gut durchgesetzt haben:
In Spanien, Portugal und Griechenland sind die Arbeitsmärkte stärker reguliert als im Durchschnitt der Industriestaaten.
Dabei hat jedes Land seine eigenen Schwächen. In Portugal etwa ist es besonders schwierig, unbefristete Arbeitsverträge abzuschließen. In Italien dagegen war die Arbeitsmarktregulierung vor der Schuldenkrise insgesamt sogar etwas weniger strikt als in Deutschland. Doch sind die Regeln für die gleichzeitige Entlassung von mehreren Personen hier wie dort besonders unflexibel.
Auch Jugendliche, die ihre erste Stelle suchen, haben es in einem stark regulierten Markt schwer, Fuß zu fassen. Die Jugendarbeitslosigkeit lag beispielsweise in Griechenland und Spanien selbst in guten Jahren von 2000 bis 2007 im Durchschnitt bei jeweils rund 9,5 Prozent. Gleichzeitig schnitten beide Länder im OECDArbeitsmarktregulierungsindex besonders schlecht ab.
Inzwischen ist der Druck auf Südeuropa hoch, sowohl Reformen in ihren Haushalten als auch auf dem Arbeitsmarkt anzugehen. Diese Reformen werden den Arbeitslosen, den Jugendlichen und den künftigen Generationen helfen. Die Politik allein hat bisher zu wenig bewirkt – deshalb ist der disziplinierende Druck des Finanzmarkts in Grenzen durchaus heilsam.
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