Fachartikel, 11.09.2007
Perspektive Mittelstand
Elterngeld
Das starke Geschlecht geht lieber in die Arbeit
Seit ersten Januar 2007 erhalten frischgebackene Mütter und Väter vom Staat ein Elterngeld von bis zu 1.800 Euro im Monat, um die vorübergehende berufliche Ausfallzeit finanziell abfedern zu können. Die Bilanz des ersten Halbjahres liegt nun vor – und fällt nicht überraschend aus.
Eines hat das Elterngeld innerhalb der ersten sechs Monate seit seiner Einführung immerhin geschafft: Es haben sich von Januar bis Juni doppelt so viele Männer wie vor Jahresfrist dazu entschlossen, zumindest kurzzeitig zu Hause zu bleiben und den neugeborenen Nachwuchs zu hüten. Doch unterm Strich nehmen immer noch sehr wenige Väter eine Auszeit:

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Bundesweit gingen im ersten Halbjahr 2007 gerade 8,5 Prozent der 200.224 bewilligten Elterngeldanträge auf das Konto des starken Geschlechts. Dabei sind die Unterschiede von Bundesland zu Bundesland bemerkenswert: Während in Berlin und Brandenburg 11 bzw. 10 Prozent der Anträge von Jungvätern stammten, waren es im Saarland nur 4 und in Mecklenburg-Vorpommern gut 6 Prozent.
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Wenn es nach der Bundesfamilienministerin ginge, dürften sich die Männer sicher noch stärker in der Säuglingspflege üben. Trat das Elterngeld doch Anfang dieses Jahres an die Stelle des bisherigen Erziehungsgelds, unter anderem um Väter zum Mitmachen zu animieren. Die Familienministerin hat ihre Pläne nach langem Tauziehen innerhalb der Großen Koalition durchgesetzt. Das Elterngeld ist – ebenso wie etwa das Arbeitslosengeld I – ausdrücklich als Lohnersatzleistung deklariert. Seine Höhe beträgt 67 Prozent des durchschnittlichen Nettogehalts der letzten zwölf Monate vor der Geburt, die Obergrenze liegt bei 1.800 Euro. Einen Mindestbetrag von 300 Euro monatlich erhält jeder.

Die Berechnung des Elterngelds stand zuletzt stark in der Kritik, weil das Einkommen dafür anders definiert ist als für die Einkommenssteuer. So können die Behörden bei der Bearbeitung der Anträge nicht einfach auf Steuerbescheide zurückgreifen. Das hat manch frischgebackene Eltern schon unerfreulich langen Wartezeiten ausgesetzt.

Aber auch die zeitlichen Vorgaben, die die Politiker ihrem jüngsten Transfer-Baby in die Wiege gelegt haben, sind nicht unumstritten. Maximal wird einer Familie 14 Monate lang Elterngeld gezahlt – dafür müssen sich Vater und Mutter aber bei der Auszeit abwechseln. Bleibt nur einer zu Hause, gibt es höchstens zwölf Monate lang ein Zubrot aus der Staatskasse. Eine Ausnahme wird für Alleinerziehende gemacht: Sie können die vollen 14 Monate Elterngeld bekommen. Bis jetzt kristallisiert sich das Schema zwölf plus zwei Monate als eindeutiger Favorit in Sachen innerfamiliäre Arbeitsteilung heraus:

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Rund 73 Prozent aller bis Ende Juni bewilligten Elterngeldanträge aus weiblicher Hand beliefen sich auf zwölf Monate – bei den Männern war über die Hälfte auf zwei Monate ausgestellt.
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Etwas überdurchschnittlich häufig praktiziert wird auch die Variante, dass Papa das Kind zwölf Monate schaukelt – immerhin tut dies etwa ein Fünftel der Elterngeld-Väter. Für die Mutter bleiben dann höchstens noch zwei Monate Anspruch auf Elterngeld. Gleichberechtigung – also sieben plus sieben Monate – ist hingegen kaum stärker gefragt als alle sonstigen Kombinationen.

Hinter der Entscheidung, welcher Erziehungsberechtigte wie lange aus dem Job aussteigt, steckt auch finanzielles Kalkül: Weil Männer nach wie vor häufiger als Frauen erwerbstätig sind und ein höheres Einkommen erzielen, ist einerseits die Verdiensteinbuße größer, andererseits steht den Vätern aber auch ein höheres Elterngeld zu. Wenig erstaunlich ist daher:

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Von den 17.000 Männern, deren Antrag auf Elterngeld in der ersten Jahreshälfte 2007 bewilligt wurde, erhielt knapp die Hälfte über 1.000 Euro – bei den 183.000 Frauen traf dies gerade auf 15 Prozent zu.
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Mit dem 14-monatigen Geldfluss aufs Familienkonto bleibt ein gravierendes Problem gleichwohl ungelöst: Den jungen Eltern stellt sich die Frage, wo sie mit dem Nachwuchs hinsollen, wenn die staatlich geförderte Jobabstinenz endet. Ein Krippenplatz ist gerade für jedes siebte Kind unter drei Jahren vorhanden. Ziel der Bundesregierung ist daher, die Zahl der Kindertagesstättenplätze bis 2013 so aufzustocken, dass etwa ein Drittel der Kleinen unterkommt. So lange lohnt es sich wohl für die Herren der Schöpfung, eine vergleichsweise neu entdeckte Marktlücke weiter zu füllen: Zusätzlich zu den etwa 30.000 Tagesmüttern betreuten im Jahr 2006 rund 800 Tagesväter neben dem eigenen auch fremden Nachwuchs und besserten damit die Familienkasse auf.

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