VOLLTEXTSUCHE
Fachartikel, 09.05.2006
Bildung
Schule und Wirtschaft brauchen einander
Schulen in Deutschland sind einerseits notorisch knapp im Budget, Wirtschaftsunternehmen klagen andererseits über mangelnde Qualifikationen und „Ausbildungsunfähigkeit“ vieler Schulabgänger. Dabei kann man das Problem doch nur gemeinsam lösen: Durch Kooperationen.
Schulen sorgen zunehmend für Ausbildungsfähigkeit

Zahlreiche Schulen haben erkannt, dass ihr Bildungsauftrag nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern dass sie ihre Kinder und Jugendlichen auch auf eine spätere Berufswahl vorbereiten müssen: Zunehmend jedoch müssen sie auf Berufe vorbereiten, deren Anforderungen an Kenntnisse und Ausstattung ihre eigenen Kapazitäten übersteigen, wie etwa durch die Arbeit mit Computern, Softwareprogrammen, technischen Materialien und Detailwissen in verschiedenen Bereichen. Lehrer sind auch heute immer noch für ein hohes Fachwissen auf einem bestimmten Gebiet ausgebildet, das sich möglichst wenig verändert: Heute aber werden mehr didaktische Fähigkeiten und Mittel gebraucht, die den Schülern ermöglichen, sich auf einer guten Grundlage selbst und eigenständig weitere Inhalte zu erarbeiten. Auf eine Veränderung in der Lehrerausbildung zu warten, würde jedoch viel zu lange dauern: Heute bringen Unternehmen die besten Impulse von außen in eine Schule, denn sie wissen selbst am besten, was ihre Mitarbeiter später brauchen.

Sinnvolle und notwendige Kooperationsmodelle

Ex gibt verschiedene Modelle, die die Zusammenarbeit zwischen Schulen und der Wirtschaft stärken: Man unterscheidet dabei zum einen die eher punktuelle Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien oder eigenem Personal für die Gestaltung des Unterrichts und zum anderen das langfristig ausgerichtete Schulsponsoring eines Unternehmens als dauerhafte Finanzierungsleistung. So drucken und verteilen beispielsweise Energiekonzerne didaktische Materialien zu Licht, Luft und Wasser schon an Grundschulen oder installieren Trinkbrunnen in Gymnasien, organisieren Verbände bundesweite Planspiele zu Geld und Börsenwirtschaft, loben Preise für naturwissenschaftliche Wettbewerbe aus und bieten Fachvorträge oder Experimente im Rahmen einer „Kinder-Uni“ an. Auch haben sich aus einzelnen Ausbildungskooperationen zwischen Schule und Wirtschaft schon eigene Ausbildungsgänge und neue Bildungswege entwickelt: Vor allem zwischen Ausbildungsleitern von Unternehmen und Haupt- und Berufsschulen sowie für Problemschüler, die sonst eine Schule ganz ohne Abschluss verlassen hätten. Aber nicht nur Großkonzerne, sondern auch Mittelständler haben gute Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Schulen: Sie haben auch zumeist das größte Interesse daran und oft die besten praktischen Ideen.

Mittelständler haben das größte Eigeninteresse

Denn der mittelständische Unternehmer hat den direkten Kontakt zu seinem Umfeld, kennt die Schulen vor Ort und die speziellen Bedürfnisse, die aus seiner Sicht für eine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz nötig sind: Nicht zuletzt sind die Schüler von morgen auch die Kinder seiner Mitarbeiter von heute. Und um gute Mitarbeiter anzuwerben und zu halten, muss sein Standort auch schulisch gute Bedingungen für deren Familien bieten. Die Schülerinnen und Schüler vor Ort sind außerdem meist diejenigen, aus denen sich sein Ausbildungsnachwuchs rekrutiert. Nicht weit weg oder im Ausland, sondern direkt vor seiner Tür wachsen die jungen Menschen heran, die die Zukunft des Mittelstandes bestimmen: Und wenn nicht als Mitarbeiter, dann doch als Bürger des Ortes und als später erwachsene Familiengründer, die in Zukunft auch das Unternehmen mit seinen Leistungen beanspruchen oder es durch ihre Steuerbeiträge am Standort weiterbringen werden. Wer jedoch fortzieht, wird den Standort des Unternehmens auch nicht weiter entwickeln, der Gemeinde keine Kaufkraft bringen, vor Ort keine Infrastruktur erhalten können: Insofern müssen eigentlich alle ausbildenden Betriebe aus Gewerbe und freien Berufen an einem Standort gleichzeitig aus Eigennutz an gutem Unterricht und passenden Schulprogrammen ihrer Gemeinde interessiert sein und unterstützen diese auch in aller Regel gern.

Grenzen des Schulsponsoring beachten

Doch die schulische Finanzierung hat ihre Grenzen dort, wo die Neutralität einer Schule nicht mehr gewahrt ist und ihre Schüler zu Marketingobjekten degradiert werden. Gerade im Zuge der Umstellung vieler Schulen auf Ganztagsbetrieb ergeben sich große finanzielle Lücken für die Versorgung der Schüler. Die Ausweitung des Schulbetriebes wird von Unternehmen gern zu eigenen Marketingzwecken genutzt. Manche Unternehmen bieten auch Praktikumsplätze für Schüler an, die oft nichts Anderes sind als billiger Ersatz für Arbeitskraft. Hier sind nicht nur dem guten Geschmack, sondern schlicht nach dem Jugendschutz und dem staatlichen Bildungsauftrag der Schulen Grenzen gesetzt, die jeder verantwortliche Unternehmer beachten muss. Auch sollte im Vorfeld geprüft werden, ob der Name und die Leistung des Unternehmens überhaupt zum Programm der Schule passen: Eine ökologisch orientierte Schule und ein Autohändler oder ein Chemiefabrikant werden sich in einer Kooperation auf Dauer eher schwer tun – vor allem, wenn es nicht um Einzelspenden, sondern um langfristige Sponsoringverträge geht und das Konzept in die beiderseitige Öffentlichkeitsarbeit eingebunden ist. Besonders die Glaubwürdigkeit der Schule wird darunter leiden, was auch ein Unternehmer berücksichtigen muss. Denn er kennt darüber hinaus noch andere Mittel und Wege, seine Zielgruppen zu erreichen.

Ängste und Vorbehalte von Schulen akzeptieren

Pädagogen von heute sind in aller Regel aufgeschlossen für neue Möglichkeiten und Impulse aus der Wirtschaft, die sie ihren Schülern sonst in dieser Form nicht bieten können. Viele erkennen auch inzwischen den großen Nutzen für die eigene Schule hinsichtlich Imageförderung und für die Berufsfindung ihrer Schüler. Was Schulen allgemein zu Recht kritisch betrachten, ist aber die Möglichkeit der Manipulation von Schülern und ihren Eltern als Konsumenten oder die Ausnutzung ihrer Kreativität und Arbeitskraft für unternehmerische Ziele. Auch befürchten Lehrkräfte die Einmischung in ihren Lehralltag durch fortwährende Unternehmens-PR im Unterricht. Diese Ängste kann der ernsthaft an einer Kooperation interessierte Unternehmer der Schulleitung nehmen, indem er sein Konzept offen legt und erläutert. Er sollte auch immer anbieten, eine vertragliche Vereinbarung für die Schule durch einen neutralen Fachanwalt prüfen zu lassen und gegebenenfalls die Kosten dafür zu übernehmen: Wer nichts zu verbergen hat, muss sich vor juristischer Prüfung des Sponsoringvertrages nicht fürchten. Man möchte ja länger voneinander profitieren.

Mit Schulen aktiv, aber zurückhaltend kommunizieren

Aus Unkenntnis und eventuell schon aus schlechten Erfahrungen heraus sind Schulen bei der Suche nach Partnern aus der Wirtschaft häufig zögerlich, obwohl sie sich der Notwendigkeit einer Kooperation bewusst sind. Doch da sich bislang nur Privatschulen auf eigene Initiative verlassen mussten, stehen staatliche Schulen im Umgang mit Unternehmenskooperationen noch am Anfang. Der mittelständische Unternehmer tut also gut daran, selbst aktiv zu werden und das Gespräch zu suchen. Dabei sollte man behutsam vorgehen: Auch Pädagogen leiden unter Existenzängsten, jedoch anders als ein Unternehmer. Gerade weil Lehrkräfte nicht primär als Allrounder und Didaktiker, sondern mehr für die Vermittlung von Spezialwissen ausgebildet sind und während ihrer Ausbildung und Lehrtätigkeit oft nur wenig Kontakt zu Wirtschaftsunternehmen haben, verteidigen sie dieses Wissen und ihre eigene Person vehement. Sie glauben oft, dass ihre pädagogische Kompetenz und generell ihre Existenzberechtigung in Gefahr sei, wenn Unternehmen ihre Anforderungen an Schulen aus ihrer Sicht schildern und an Versäumnisse der Schulen mahnen, für die Lehrkräfte aber gar nicht ausgebildet wurden: Deshalb bedingen Kooperationen zwischen Wirtschaft und Schule auch immer die Empathie für Lehrkräfte aus Unternehmenssicht und eine am konstruktiven Dialog orientierte Kommunikation.

Grundprinzip für Corporate Citizenship

Der Beweggrund für mittelständische Unternehmen, sich für eine Schule in ihrer Region zu engagieren, sollte immer an der Zukunft des ganzen Unternehmens am Standort und nicht kurzfristig an Vertriebsaspekten oder an betrieblichem Einsparpotential orientiert sein. Diese langfristige Sicht und das echte Interesse an jungen Menschen als gebildete und mündige Bürger des Ortes und als potentielle Mitarbeiter sollte das Grundmotiv für Ideen zur Zusammenarbeit mit Schulen sein. Das Bild von der unternehmerischen Verantwortung für die Gemeinde und für den Standort hat immer mehr vom Geben als vom Nehmen: Insofern ist diese Einstellung eigen- und gemeinnützig zugleich, weil beide Seiten einen Vorteil daraus ziehen. Hat der Unternehmer seine Absichten eingehend auf diese Motivation geprüft und geht er in dieser Haltung auf die Schulleitung zu, wird sich das Engagement langfristig auszahlen: Sowohl anhand gestiegener Qualifikation der jungen Bewerber als auch durch Imagegewinn. Der schon aus der Arbeiterwohlfahrt des 19. Jahrhunderts heute neu geprägte Begriff des ‚Corporate Citizenship’ in seiner Bedeutung umfasst unternehmerisches Sozialsponsoring ebenso wie das Unternehmen selbst als „guten Bürger“ und aktiven Förderer zum Wohle seiner lokalen Umwelt, zu der eben auch der eigene Nachwuchs aus der Schule in der Region gehört.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Weiterführende Informationen zu diesem Thema
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

http://www.portal-schule-wirtschaft.de

http://www.wirtschaftundschule.de

http://unternehmen-schule.de

http://www.partner-fuer-schule.nrw.de

http://www.schule-wirtschaft.de

http://www.wirtschaftsjunioren.de

http://www.corporatecitizen.de

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Corinna E. A. Schütt

Die Autorin ist Dipl.-Betriebswirtin und berät als geprüfte PR-Beraterin (DPRG) Unternehmen in Kommunikationsfragen. Im April 2006 erschien ihr Buch „Schulen gehen in die Öffentlichkeit“ (Viola Falkenberg Verlag Bremen, 220 Seiten Paperback, ISBN 3-937822-52-6; Preis: 22,90 Euro). Mehr Informationen mit Inhalt und Leseprobe: http://www.falkenberg-verlag.de
ZUM AUTOR
Über Corinna E. A. Schütt
Corinna E. A. Schütt
Corinna E. A. Schütt ist Diplom-Betriebswirtin, PR-Beraterin (DPRG) sowie Autorin von Studienmaterial für Public Relations an Schulen.
Corinna E. A. Schütt
Franziskanergasse 9 D
63628 Bad Soden-Salmünster

+49-6056-9177900
WEITERE ARTIKEL DIESES AUTORS
Personalmarketing
Die Stellenanzeige als Kommunikationsmedium hat es zurzeit schwer: Fragt sich doch jeder ... mehr

ANDERE ARTIKEL AUS DIESEM RESSORT
SUCHE
Volltextsuche





Profisuche
Anzeige
PRESSEFORUM MITTELSTAND
Pressedienst
LETZTE UNTERNEHMENSMELDUNGEN
Anzeige
BRANCHENVERZEICHNIS
Branchenverzeichnis
Kostenlose Corporate Showrooms inklusive Pressefach
Kostenloser Online-Dienst mit hochwertigen Corporate Showrooms (Microsites) - jetzt recherchieren und eintragen! Weitere Infos/kostenlos eintragen
EINTRÄGE
PR-DIENSTLEISTERVERZEICHNIS
PR-Dienstleisterverzeichnis
Kostenlos als PR-Agentur/-Dienstleister eintragen
Kostenfreies Verzeichnis für PR-Agenturen und sonstige PR-Dienstleister mit umfangreichen Microsites (inkl. Kunden-Pressefächern). zum PR-Dienstleisterverzeichnis
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG