Ursula von der Leyens Kampf gegen die Altersarmut macht auch vor den Selbstständigen nicht halt. Die Arbeitsministerin will für sie eine verpflichtende Alterssicherung einführen. Zum einen sollen dadurch vor allem Solo-Selbstständige vor Altersarmut geschützt werden. Zum anderen werden auch die Steuerzahler entlastet, wenn Selbstständige eine eigenständige Alterssicherung aufbauen statt womöglich die – steuerfinanzierte – Grundsicherung im Alter in Anspruch zu nehmen. Doch ganz so einfach ist das alles nicht: Bereits die Abgrenzung der vermeintlich Schutzbedürftigen bereitet Schwierigkeiten:
- Laut Mikrozensus, einer umfassenden Bevölkerungserhebung des Statistischen Bundesamts, hatten zuletzt 2,4 Millionen der insgesamt 4,3 Millionen Selbstständigen keine Angestellten.
- Laut Sozio-oekonomischem Panel gibt es aber nur 3,6 Millionen Selbstständige. Zieht man die Freiberufler ab, weil ein großer Teil von ihnen in berufsständischen Versorgungswerken pflichtversichert ist, dann verbleiben rund 2,7 Millionen Selbstständige, von denen 1,6 Millionen ohne Angestellte arbeiten.
- Gut 250.000 Selbstständige zahlen bereits Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung. Hinzu kommen jene Personen, die zwar keine Beiträge mehr einzahlen, aber bereits früher eine Anwartschaft gebildet haben. Sie fallen damit ebenfalls aus der Zielgruppe heraus.
Doch auch die Selbstständigen ohne gesetzlichen Versicherungsschutz sind nicht automatisch von Altersarmut bedroht. Solo-Selbstständige rangieren zwar mit einem mittleren Brutto-Monatsverdienst von 1.500 Euro am unteren Ende des Spektrums der Erwerbseinkommen. Diese Zahlen trügen allerdings, denn:
Vier von zehn Solo-Selbstständigen arbeiten nur in Teilzeit.
Hier liegt die Vermutung nahe, dass mancher mit seiner Selbstständigkeit lediglich das Haushaltseinkommen aufbessern will. Und genau darin liegt das nächste Problem: Manch einer wird sich überlegen, ob sich diese Arbeit noch lohnt, sollte vom knappen Geld noch einmal etwas für die Vorsorge wegfallen. Denn eine verpflichtende Alterssicherung könnte am Ende für den Dazuverdiener gar nicht nötig sein – zum Beispiel weil der unterhaltspflichtige Partner die Altersvorsorge übernimmt oder Vermögen vorhanden ist. Wer also die finanzielle Situation von Selbstständigen realistisch einschätzen will, muss die gesamte Haushaltssituation unter die Lupe nehmen.
Dazu bedarf es eines Blicks auf das sogenannte bedarfsgewichtete Einkommen. Das ergibt sich, wenn jedem Haushaltsmitglied ein bestimmter Bedarf zugeteilt und dann das gesamte verfügbare Haushaltseinkommen durch die Summe aller Bedarfe geteilt wird. Was kompliziert klingt, folgt einer einfachen Logik: In Haushalten mit mehreren Personen muss nicht jeder ein eigenes Bad, eine Waschmaschine oder einen Kühlschrank haben. Deshalb hat – statistisch – die erste Person den größten Bedarf, jede weitere benötigt weniger.
Nach gängiger Konvention gilt als einkommensarm, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens verfügt. Das trifft vor allem auf un- und angelernten Arbeiter zu – nämlich auf jeden fünften von ihnen. Und auch jeder achte Solo-Selbstständige liegt mit seinem Einkommen unter der Armutsgrenze.
Das entscheidende Kriterium für eine Armutsgefährdung ist aber das Berufsfeld. So haben Betriebsleiter von Restaurants und Hotels sowie im Groß- und Einzelhandel ein relativ hohes Armutsrisiko, genauso wie Handelsvertreter, Kinderpfleger, Friseure oder Kosmetiker.
Um fürs Alter vorzusorgen, legen Selbstständige in der Regel mehr auf die hohe Kante als andere:
Selbstständige mit Angestellten bauen bis zum Ende ihres Berufslebens im Mittel ein Vermögen von gut 275.000 Euro auf.
Dass die Selbstständigen auf dieses Vermögen im Alter angewiesen sind, beweist das Tempo, mit dem das Polster schmilzt. Innerhalb von nur zehn Jahren ist das Vermögen im Schnitt um mehr als die Hälfte geschrumpft – viel schneller als zum Beispiel bei ehemaligen Angestellten, die neben ihrem Vermögen noch mindestens auf eine gesetzliche Rente, möglicherweise aber auch auf eine betriebliche Altersversorgung zurückgreifen können.
Selbstständige ohne Angestellte sorgen ebenfalls für das Leben im Alter vor, allerdings in deutlich geringerem Maße als ihre Kollegen mit einer Belegschaft im Rücken. Nichtsdestotrotz ist ein bisschen Vermögen immer noch besser als gar kein Vermögen – schließlich sinkt so auf jeden Fall das Armutsrisiko.
Jeder fünfte Ruheständler, der zuvor als Solo-Selbstständiger erwerbstätig war, ist im Alter einkommensarm. Ein Drittel kann aber mithilfe seines Vermögens die Lücke zur Armutsgrenze bis zum Lebensende schließen.
Etwas günstiger schneiden jene Ruheständler ab, die während ihrer Selbstständigkeit Mitarbeiter beschäftigt haben. Und von den Solo-Freiberuflern gilt jeder zehnte im Alter als einkommensarm – doch fast 40 Prozent von ihnen können ihr geringes Alterseinkommen durch eigenes Vermögen aufstocken.
*) IW-Trends 3/2012; Judith Niehues, Jochen Pimpertz: Alterssicherung der Selbstständigen in Deutschland
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