Aus dem Sattel…
Früher war die Stegreifrede eine eilige Nachricht, die ein reitender Bote noch vom Sattel aus dem Empfänger zurief, z.B. über die neuesten Verhältnisse an der Front. Weil das recht unbequem war, fielen diese Reden immer recht kurz aus. Auch Sie sollten sich bei einer Stegreifrede möglichst kurz halten. Wichtig ist, dass Sie den Eindruck vermitteln: „Ich kann auf diesem Gebiet durchaus mitreden.“
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„Stegreifreden ist lautes Sprechdenken“
Heinrich von Kleist
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Die Stegreifrede ist die höchste Stufe der Rhetorik, weil Sie, ohne jede Vorbereitung, aus dem Augenblick heraus gehalten werden muss. Entscheidend ist, dass Sie, sobald Sie das Wort ergreifen sollen, möglichst schnell einen Redeeinstieg finden, so dass Ihr Körper gar keine Zeit hat, Adrenalin zu produzieren, das bei längerem Überlegen zur Blockade im Gehirn führt. Sobald Sie dann einmal am Reden sind, werden Sie merken, wie Ihnen die Ideen und Einfälle nur so zufliegen. Das glauben Sie nicht?
Die Eigendynamik der Sprache
1805 schrieb Heinrich von Kleist über dieses Phänomen einen bis heute viel beachteten Essay mit dem Titel „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden". Seine These: Beim Sprechen kommen uns die Gedanken irgendwie automatisch, so wie der Appetit beim Essen. Wenn wir mit dem Aussprechen des Gedankens „nur dreist den Anfang machen", so der Dichter, präge unser Gemüt im Alleingang die vorher noch „verworrenen Vorstellungen zur völligen Deutlichkeit aus". Der einmal angefangene Satz will zu Ende gesprochen werden. Ohne die Eigendynamik der Sprache kämen die Gedanken gar nicht auf Trab. Und so mancher große Redner habe „in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte" noch nicht gewusst, was er kurz darauf sagen würde.
Fünf Schlüssel - Verschüttetes Wissen frei legen
Am schwierigsten ist für die meisten der Einstieg. Mit Hilfe der folgenden fünf „Schlüssel" wird es Ihnen künftig gelingen, Ihr „Gehirnkästchen“ aufzuschließen, um das dort gespeicherte Wissen freizulegen:
Übung macht den Meister. Prägen Sie sich diese fünf Schlüssel gut ein, damit Sie variantenreich damit umgehen können. Sie können sie auch gut gebrauchen, wenn Ihnen zwischendurch der Stoff ausgeht, Sie einen „Filmriss“ haben. Sie sagen an dieser Stelle z.B. dann einfach: „Übrigens, wie war das eigentlich früher…?“
KISS: Keep it short and simple
Am bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber kann man besonders gut studieren, wie aus Gedachtem Worte werden. Allerdings macht er einen großen Fehler: Statt kurze, prägnante Sätze zu bilden, öffnet er einen Nebensatz nach dem nächsten, macht Einschub nach Einschub, und irgendwann ist das Satzsubjekt in so weiter Ferne, dass sich nicht mehr das richtige Prädikat findet.
Stoiber unterliegt im Kampf mit der Syntax nicht, weil er ein Tölpel ist, sondern weil er ein Schnelldenker ist und dann seine Gedanken auch noch viel zu schnell ausspricht. Auf YouTube.com kann man sich über jene Rede amüsieren, die Stoiber am 21. Januar 2002 auf dem Neujahrsempfang der CSU gehalten hat. Es ging um die geplante Transrapidstrecke zwischen dem Münchner Hauptbahnhof und dem Flughafen Franz Josef Strauß: „Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten, ohne dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen, (Pause) äh, am Hauptbahnhof in München starten Sie Ihren Flug." Wer soll das verstehen?
Vorsicht also: Wenn Sie den Umgang mit diesen Schlüsseln ein wenig trainiert haben, werden Sie schnell feststellen, dass auch für Sie die Gefahr besteht, vom „Hundertsten ins Tausendste“ zu kommen, zu schnell und zu lange zu reden. Disziplinieren Sie sich deshalb: Fassen Sie sich kurz! Drücken Sie sich einfach aus! Heinz Erhardt hat Recht, wenn er meint: „Wird man unerwartet gebeten, eine Rede zu halten, so erschrecke man nicht, sondern fasse sich. Aber kurz!“