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Fachartikel, 11.02.2008
Weltwirtschaft
Das Damoklesschwert der Währungsreserven
In der internationalen Finanzwelt rumort es – nicht nur, was die nach wie vor angespannte Stimmung an den Börsen angeht. Weiteres Ungemach droht auch von einer anderen Seite: Schwellenländer wie zum Beispiel China häufen immense Summen an Währungsreserven in Dollar an. Wenngleich es für die Weltwirtschaft zwar Vorteile haben kann, dass sich viele Nationen an die US-Währung gebunden haben, hing das Schicksal des US-Dollars noch nie so sehr am seidenen Faden wie heute.
Seit Jahren tragen die USA es schon mit sich herum: ein fettes Defizit in ihrer Leistungsbilanz. Die Vereinigten Staaten importieren mehr Güter und Leistungen, als sie exportieren. Und in anderen Industrieländern sieht es auch nicht besser aus. Doch irgendwie müssen diese Einkäufe finanziert werden. Das kann dadurch geschehen, dass ein Staat verschiedene Finanzanlagen an Ausländer verkauft, beispielsweise über staatliche Schuldverschreibungen. Andere Länder kaufen sie und exportieren auf diesem Wege ihr Kapital. Und das floss im Jahr 2007 vor allem in die USA:

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Die Vereinigten Staaten absorbierten mit 857 Milliarden Dollar rund die Hälfte der globalen Kapitalexporte.
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Hauptsächlich ausländische Zentralbanken interessieren sich für die amerikanischen Schuldverschreibungen und legen diese auf die hohe Kante. Ganz vorn mischen die Notenbanken in Ostasien mit – Peking macht es vor: Chinas Währungsreserven – hauptsächlich in US-Staatsschuldpapieren angelegt – nähern sich mittlerweile der Marke von 1,5 Billionen Dollar.

Das Reich der Mitte tut damit nicht zuletzt seinen exportierenden Unternehmen etwas Gutes. Kauft die Zentralbank in Peking massiv Dollar gegen heimische Währung, drückt sie damit den Wert des Renminbi künstlich nach unten – und die Ausfuhren bleiben billig. Die zentrale Frage ist, ob diese Situation nur eine vorübergehende Erscheinung ist, oder ob sie dauerhaft den Interessen der beteiligten Akteure entspricht. Von der Antwort hängt auch das Schicksal der US-Wirtschaft ab:

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Wenn das Ausland nicht mehr bereit ist, mit Käufen von Schuldverschreibungen das riesige US-Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren, wird sich der Dollarverfall massiv beschleunigen.
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Wenn China und Co. den Geldhahn zudrehen, droht das Kapital in den USA knapp zu werden. Dann klettern die Zinsen – der Preis fürs Geld. Das dürfte sowohl die Investitionen als auch den Konsum der hochverschuldeten amerikanischen Verbraucher abwürgen, weil Kredite schwerer zu bekommen und kaum noch zu finanzieren sind. Und das wiederum schadet auch den Geldgebern im Ausland, denn sie haben von den Einkaufstouren der USA profitiert. Von daher spricht viel dafür, dass die Zentralbanken weiterhin auf den Dollar setzen – aber auch einiges dagegen:

Pro Dollar: Wettbewerbsfähigkeit und Werterhalt

Wenn China und andere Länder ihre Ausfuhren billig halten, treiben sie so die Wirtschaft an. Viele Schwellenländer vor allem in Asien verfolgen genau diese Strategie. Gerade China braucht ein hohes Wachstum, um genügend neue Arbeitsplätze für die steigende Zahl der Arbeitssuchenden zu schaffen und um soziale Spannungen zu mindern. In Japan, das hinter China durch Devisenmarkteingriffe die meisten Währungsreserven angehäuft hat, sind die Impulse aus dem Export nötig, um die Konjunktur nach jahrelanger Flaute wieder richtig in Gang zu bekommen. Und für die Ölstaaten ist es ebenso sinnvoll, eine zu starke Abwertung der amerikanischen Währung zu verhindern. Ihre Einnahmen aus dem schwarzen Gold würden sonst an Wert verlieren – Öl wird schließlich in Dollar gehandelt.

Pro Dollar: Krisenabsicherung

Die Währungsreserven dienen den Staaten auch als Polster für schlechte Zeiten. Denn im Falle einer Finanzkrise können die Devisen eingesetzt werden, um den drohenden Absturz der heimischen Währung zu verhindern. Viele Schwellenländer in Asien, aber auch Lateinamerika haben aus den Fehlern der neunziger Jahre gelernt. Damals hatten sie sich im Ausland verschuldet, ohne ausreichend Devisen in Reserve zu haben. So wurden sie schließlich stark gebeutelt, als die Auslandsinvestoren das Vertrauen verloren und ihr Kapital abzogen. Heute weisen viele frühere Krisenländer wie Thailand, Malaysia, Indonesien, Brasilien und Argentinien Leistungsbilanzüberschüsse auf und sind zu Gläubigern mit einem ordentlichen Bestand an Währungsreserven geworden.

Kontra Dollar: Geringe Rendite

US-Staatspapiere sind im Vergleich zu anderen Anlagen nur niedrig verzinst und bergen bei einer Dollarabwertung ein großes Verlustrisiko. Wohl um bessere Renditen zu erzielen, hat sich China daher vor kurzem bei einem Hedgefonds eingekauft – bislang damit aber eher schlechte Erfahrungen gemacht. Auch der Aufbau von Staatsfonds dient dazu, die Einnahmen lukrativer in Firmenbeteiligungen rund um den Globus anzulegen.

Kontra Dollar: Inflations- und Überhitzungsgefahr

Vor allem aber sind Devisenmarktinterventionen mit beträchtlichen Inflationsgefahren verknüpft. Wenn eine Zentralbank US-Dollar aufkauft, bringt sie mehr inländische Zahlungsmittel in Umlauf. Dies bedeutet aber aller Erfahrung nach mittelfristig eine höhere Geldentwertung. Die Gefahr steigt, dass die Wirtschaft in eine Schieflage gerät.

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Chinas Preissteigerungsrate ist in den vergangenen Monaten deutlich auf weit über 6 Prozent geklettert, wenngleich hauptsächlich aufgrund steigender Lebensmittelpreise.
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Letztlich muss jedes Land für sich abwägen, ob die Vor- oder Nachteile der Wechselkursstabilisierung überwiegen. Wohl vor allem aufgrund der Inflationsgefahren hat eine ganze Reihe von Staaten, die zuvor ihre Währung recht eng an den Dollar gekoppelt hatten, diese Strategie inzwischen weitgehend aufgegeben. Dazu gehören etwa Südkorea, Singapur, Thailand, Indonesien, Brasilien und Russland. Auch mehren sich die Spekulationen, dass weitere Ölexport-Nationen ihre rigide Dollarbindung lockern wollen. Doch solange das sehr wettbewerbsfähige China seine Währung weiterhin künstlich billig hält, ist der Druck auf viele andere Schwellenländer groß, das Gleiche zu tun – und weiterhin US-Staatspapiere zu kaufen.

Aber auch das andere Szenario ist denkbar: Wenn China seine Währung stärker aufwerten lassen würde, könnte es eine Lawine auslösen, weil viele andere Entwicklungsländer dieser Strategie folgen dürften. Das würde den Dollar zum Absturz bringen und der europäischen Exportwirtschaft ein massives Absatzproblem bescheren.

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