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Fachartikel, 19.08.2007
Weltwirtschaft
China und Co. sind mächtig im Kommen, aber..
Längst sind es nicht mehr nur Billigprodukte und Imitate, mit denen die so genannten Schwellenländer auf den Weltmärkten von sich reden machen. Auch bei Hightech-Produkten wie hochwertigen Handys, Softwareprogrammen sowie Oberklasseautos und Spezialmaschinen entwickeln sich viele asiatische Staaten, allen voran China, zu ernst zu nehmenden Exportnationen. Das schürt hierzulande Ängste vor der aufholenden asiatischen Region. Diese dürfte allerdings auf absehbare Zeit selbst Opfer ihres Erfolgs werden.
Täglich künden die Schlagzeilen von den rasanten wirtschaftlichen Fortschritten vieler asiatischer und osteuropäischer Länder – mit voller Berechtigung, wie die Statistiken belegen: Der Anteil allein der größeren Schwellenländer – ohne die Transformationsländer Osteuropas – an den Weltwarenexporten hat sich seit 1980 mehr als verdoppelt und liegt gegenwärtig bei gut 21 Prozent. Vor allem der chinesische Drache strotzt vor Kraft. Noch eindrucksvoller wird die Bilanz, wenn man die osteuropäischen Transformationsstaaten mit betrachtet – beide Ländergruppen zusammengenommen betrug der Anteil an den globalen Ausfuhren 2005 sogar mehr als ein Viertel.

Kein Wunder, dass in den Berichten über die Erfolge der Schwellenländer immer ein Fünkchen Angst mitschwingt, dass die traditionellen Industrienationen bald zum alten Eisen zählen. Ganz einfach von der Hand zu weisen ist das nicht. Gleichwohl sind viele Ängste stark überzogen. So hat Deutschland seinen auch technologisch bedingten Vorsprung bei der Produktqualität gegenüber China keineswegs verloren, sondern zuletzt sogar noch leicht ausbauen können. Zudem gilt: Wenn die Schwellenländer reicher werden, steigt dort auch die Nachfrage nach ausländischen Produkten. Tatsächlich sind die Exporte aus Deutschland nach China im Jahr 2006 um fast 30 Prozent gestiegen, während die hiesigen Verbraucher und Unternehmen nur 19 Prozent mehr in China einkauften als im Jahr zuvor.

Dass der Aufstieg der bislang weniger entwickelten Länder Deutschland nutzt, zeigt sich auch an einer weiteren Messgröße, den Terms of Trade. Sie betrachten das Verhältnis der Export- zu den Importpreisen. Wenn dieses sich verschlechtert, hat eine Volkswirtschaft ein Problem. Für die deutsche trifft das jedoch nicht zu: In Deutschland sind die Terms of Trade im Handel mit Industriegütern seit dem Jahr 1991 um rund 15 Prozent gestiegen. Auch im Handel mit China haben die Terms of Trade massiv zugelegt. Mit anderen Worten heißt das: Deutschland hat am Handel mit den aufstrebenden Nationen ordentlich verdient.

Doch was geschieht auf lange Sicht, wenn China und Co. weiter wachsen? Auch die Zukunft gibt wenig Anlass zur Sorge. Das macht – aus heutiger Sicht vielleicht etwas paradox – ausgerechnet ein Blick in die Vergangenheit deutlich. In den fünfziger und sechziger Jahren standen die USA vor einer noch viel größeren Herausforderung, als sie heute die Schwellenländer darstellen. Damals setzten die wirtschaftlich wesentlich bedeutenderen Staaten Japan und Deutschland zur Aufholjagd an – was Uncle Sam nicht zum Nachteil geriet:

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Obwohl Japan seinen Wohlstandsrückstand auf die USA von rund 80 Prozent im Jahr 1950 auf rund 35 Prozent im Jahr 1970 immens schnell verkürzte und Westdeutschland die Kluft von 55 Prozent auf rund 20 Prozent verringerte, verbesserten sich die Terms of Trade der USA im Warenhandel um 13 Prozent.
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Eine Kehrtwende brachten erst die beiden Ölkrisen mit der drastischen Verteuerung des Öls in den siebziger Jahren. Dennoch verringerte sich der Wohlstandsabstand Japans und Deutschlands gegenüber den Vereinigten Staaten kaum. Auch heute dürften die USA in puncto Wohlstand weiterhin die Messlatte setzen: Das chinesische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist noch rund 85 Prozent vom amerikanischen entfernt. Damit ist der Abstand etwa so groß wie der zwischen Japan und den USA zu Beginn der fünfziger Jahre.

Dennoch wird befürchtet, die bevölkerungsreichen Länder China und Indien könnten die USA, Deutschland und andere etablierte Volkswirtschaften von der technologischen Spitze verdrängen. Mit ihren hohen Investitionen in Bildung und Forschung würden sie Massen billiger Top-Ingenieure und Wissenschaftler hervorbringen. Auch dieses Szenario ist wenig realistisch. Selbst in China und Indien dürften hoch qualifizierte Arbeitskräfte auf absehbare Zeit knapp werden. Zwar betragen die Arbeitskosten für Ingenieure in beiden Ländern noch etwa 10 bis 20 Prozent dessen, was ihre deutschen Kollegen verdienen. Die Verdienstkluft schrumpft jedoch schnell. Denn nicht allein die Schwellenländer heizen die Nachfrage nach Hochqualifizierten immens an. Auch die multinationalen Konzerne reißen sich um die High Potentials. Das Angebot an Hochqualifizierten, die den Ansprüchen der Multis genügen, nimmt zwar weiter zu. Es dürfte nach Expertenmeinung aber auf absehbare Zeit nicht mit der stärker wachsenden Nachfrage mithalten.

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Einer Studie des McKinsey Global Institute zufolge bringen nur rund 8 bis 12 Prozent der theoretisch verfügbaren sogenannten Young Professionals aus den Schwellenländern das von den internationalen Großunternehmen gesuchte Know-how mit.
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MGI schätzt, dass es bereits in den nächsten Jahren in China, Indien sowie einigen Spitzenstandorten Osteuropas einen gravierenden Engpass an Fach- und Führungskräften gibt. Schon heute können sich IT-Experten und Ingenieure in diesen Ländern über saftige Lohnerhöhungen von um die 15 Prozent pro Jahr freuen. Damit wird es für die hiesigen Unternehmen auf längere Sicht weniger interessant, qualifizierte Tätigkeiten gen Osten zu verlagern. Dass dieser Zeitpunkt möglicherweise eher früher als später erreicht ist, zeigt eine Simulationsrechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Sie geht davon aus, dass Fach- und Führungskräfte in den Schwellenländern derzeit rund 20 Prozent des deutschen Lohns und in den Folgejahren Lohnerhöhungen von jährlich 15 Prozent erhalten.

Das heißt: Eine kostenmotivierte Arbeitsplatzverlagerung von hochqualifizierten Tätigkeiten lohnt voraussichtlich bereits in gut zehn Jahren nicht mehr, weil dann rund 75 Prozent des deutschen Lohnniveaus erreicht sind. Der Kostenabstand dürfte dann nicht mehr groß genug sein, um die mit einer Verlagerung einhergehenden Koordinationskosten deutlich zu übersteigen. Und auch der Wettstreit um den Platz in der technologischen Spitzenklasse ist noch lange nicht entschieden. Denn zwischen den alten und neuen Industrienationen klafft die Kluft beispielsweise in Sachen Produktqualität und Kundenservice weiterhin gewaltig auseinander.

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Tipp der Redaktion
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Weltkrieg um Wohlstand und pathologischer Exportboom? – Warum Deutschland weiterhin von der Globalisierung profitiert
von Jürgen Matthes
IW-Analysen Nr. 28, Köln 2007
132 Seiten
24,80 Euro

ZUM AUTOR
Über Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln e.V.
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