Fachartikel, 10.07.2006
Perspektive Mittelstand
Management
Unternehmensnachfolge - eine Frage des Alters?
"Was wäre wenn?" Dieser Fragestellung widmet sich der Deutsche nur allzu gerne. So ist er bestrebt, potenzielle Risikofaktoren berechenbar zu machen und ihnen erschöpfend entgegenzuwirken. Beim Thema Unternehmensnachfolge indes scheinen deutsche Unternehmen nachlässiger.
Das Bedürfnis nach Kontrolle über eine Situation und nach Ausschaltung denkbarer Störgrößen und Fehlerquellen äußert sich in einer umfassenden, fundierten Planung und Organisation, einem Strukturieren und Systematisieren. Doch wie verhält es sich mit der deutschen Perfektion und Gründlichkeit beim Thema Unternehmensnachfolge? Werfen wir hier alle Grundfeste über Bord?

Die Marktforschungszahlen sind zumindest beunruhigend: knapp ein Drittel der Unternehmenschefs, die bereits ihren Ruhestand planen, hat noch nicht über die Nachfolge im Unternehmen entschieden. Das ergab die aktuelle MIND-Studie (Mittelstand in Deutschland), durchgeführt im Auftrag der Dresdner Bank und der Zeitschrift Impulse.

Dabei sollte die Unternehmensnachfolge nicht erst mit Blick auf das Rentenalter thematisiert werden. Sie ist vielmehr die konsequente Fortschreibung unternehmerischer Planung - vom Businessplan, über den Notfallplan hin zum Nachfolgeplan. Neu ist die Frage der Nachfolgeregelung nicht. Doch dass sie im Rahmen von Basel II, in der Beurteilung des Kreditrisikos wieder auftaucht, sollte Unternehmer hellhörig werden lassen. Unter Basel II kann sich eine fehlende Nachfolgeregelung sogar als Malus im Rating und damit im Kreditzins auswirken.

Vollkommen zu recht - ist es doch Ziel des Ratings, die zukünftige Bonität eines Unternehmens zu bewerten und Auskunft über seine Kreditwürdigkeit zu geben, also die Fähigkeit, den Kapitaldienst in der Zukunft leisten zu können. Der Mangel einer „ungeregelten” Nachfolge sowie einer „geregelten” Unternehmensnachfolge kann die Zukunft des Unternehmens gefährden und endet nicht selten in der wirtschaftlichen Krise.

Als erste Stufe sichert der Notfallplan in der „ungeregelten” Nachfolge bei plötzlichem Ausfall der Geschäftsführung vor allem den laufenden Geschäftsbetrieb. Hier spielen primär mit der Person des Geschäftsführers eng gebundene Informationen eine Rolle. In Form eines „Notfallordners” sollten für den Betrieb unter anderem nachfolgende Aspekte geklärt und verbindlich geregelt sein:

::: Welche Tätigkeiten obliegen derzeit ausschließlich der Geschäftsführung?

::: Wer wird diese im Notfall reibungslos übernehmen können?

::: Existieren entsprechende „Notfall-Vollmachten”?

::: Wer hat bis auf Widerruf die Notprokura?

::: Wer ist Ansprechpartner bei den verschiedenen Zulieferern?

::: Wo sind Angebotskalkulationen und Kundensondervereinbarungen hinterlegt?

::: Wer ist über die Kennwörter informiert?

::: Wo sind wichtige Schlüssel hinterlegt?

„So wichtig wie die erstmalige Erfassung dieser Daten ist ihre regelmäßige Aktualisierung - am besten einmal pro Jahr”, rät Stefanie Breider von der Mainzer Unternehmensberatung Breider, Weishaar & Partner. „Und ganz wichtig: auch der Standort des Notfallordners muss zumindest einer Vertrauensperson bekannt sein”, fügt Breider hinzu.

Als zweite Stufe tritt zur notfallbedingten Nachfolge die „geregelte” Nachfolge - meist ein auf drei bis fünf Jahre angelegter Stufenplan - in Kraft. Hier steht neben persönlichen und fachlichen Qualifikationen vor allem eines im Fokus der Betrachtung: Wie finde ich einen adäquaten Nachfolger, der den Fortbestand meines Unternehmens sichert und in der Lage ist, den angestrebten Kaufpreis zu zahlen?

Auf Kreditgeberseite wird diese Vorsorgeplanung honoriert. Die rechtzeitige und planvolle Regelung der Nachfolge wird als Ausweis „unternehmerischer Qualifikation” betrachtet und insofern bei der qualitativen Beurteilung des Unternehmens positiv verbucht. Darüber hinaus können durch eine erfolgreiche Unternehmensübergabe positive Impulse entstehen, die sich aus der konstruktiven Auseinandersetzung von Übergeber und Übernehmer ergeben.

In Abstufung zum Alter des Geschäftsführers kommen beim Ratinggespräch unter anderem folgende Fragen in Betracht:

::: Wie ist die Erbfolge geregelt - gesetzlich, testamentarisch oder Erbvertrag?

::: Gibt es einen potenziellen Nachfolger für den Geschäftsführer oder Inhaber?

::: Wie ist dieser fachlich und persönlich qualifiziert?

::: Verfügt der Nachfolger über ausreichende Erfahrungen im Unternehmen und der Branche?

::: Wie lange ist der Einarbeitungs- und Übergabeprozess für den Nachfolger?

::: Welche Aktivitäten werden bereits heute zur Betriebsübergabe getätigt?

Dazu Julia Weishaar, Gründungspartnerin von Breider: „Zweifelsohne, eine langfristig ausgerichtete Nachfolgeplanung raubt Zeit im Tagesgeschäft. Doch die Vorteile einer fundierten Planung überwiegen und zahlen sich nachhaltig aus. Zu früh ist es daher nie, das Thema Unternehmensnachfolge anzugehen, bedenkt man, dass die Frage ,Was wäre wenn?\' schon morgen Realität werden kann.”

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bw & partner (Breider, Weishaar & Partner Diplom-Betriebswirte) ist eine unabhängige Unternehmensberatung für den Mittelstand.
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Über Breider, Weishaar & Partner
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