Fachartikel, 19.06.2006
Perspektive Mittelstand
Kommunikation
Reden und Vorträge professionell gestalten und Krisen meistern
Erfolgreiche Redner rechnen stets damit, dass ihnen einmal der Film reißt. Sie beherrschen aber auch Strategien, diese schwierige Situation zu meistern.
„Die meisten unserer Fehler sind verzeihlicher als die Mittel, die wir anwenden, um sie zu verbergen.“ (La Rochefoucauld)

Im Augenblick der Denkblockade zeichnet erfolgreiche Redner aus, dass sie immer etwas verfügbar haben, das ihnen nicht nur in diesem Moment weiterhilft. Allein das Wissen um diese Strategien mindert die Angst vor dem Steckenbleiben generell.

Eine Bühne spielt Schillers Don Carlos. Im fünften Akt spricht Marquis Posa im Gefängnis des Prinzen seine letzten Worte: „Das Königreich ist dein Beruf, für dich zu sterben ist der meinige!“ In diesem Augenblick soll aus dem Hintergrund der tödliche Schuss fallen, mit dem König Philipp den Marquis Posa ermorden lässt. Aber der Schuss fällt nicht, vermutlich wegen eines Versehens hinter den Kulissen. Marquis Posa wiederholt gedehnt und schwermütig: „… ist der meinige!“ Aber der Schuss fällt noch immer nicht. Da weiß sich der Schauspieler nicht anders zu helfen, er schlägt die Fäuste auf den Bauch und ruft: „Ich spür’s ich bin vergiftet“ und bricht zusammen. In diesem Augenblick fällt doch der Schuss. „Auch das noch!“ ruft Marquis Posa und gibt den Geist auf.

Der englische Politiker Loyd George hielt einmal in Wales in einem überfüllten Saal eine Wahlrede. Plötzlich verlor er den Faden. Blackout. Geistesgegenwärtig hob er die rechte Hand, zeigte mit ihr in die Gegend, um dann, nach langen zehn Sekunden seine Rede fortzuführen. Nachher kam einer seiner Parteifreunde zu ihm und sagte: „Du, eine so wirkungsvolle Pause habe ich noch nie in einer Rede erlebt. Kein Mensch wusste was kommen würde... „. Trocken antwortete Loyd George: „Ich auch nicht.“ Für die Redepraxis bedeutet das: Das Missgeschick ist kein Missgeschick, erst die falsche Reaktion macht es dazu!

Am Rednerpult kann es immer passieren, dass „der Film reißt“. Dann muss man sich nur zu helfen wissen. Folgende sechs Tipps helfen, „den Film wieder zu kleben“ - schnell und unauffällig, aber bombensicher:

1. Das geplante Argument später bringen

Nur Sie allein wissen, was in Ihrem Manuskript steht. Nur Sie wissen, welcher Gedanke als nächster kommen müsste. Warum jetzt also krampfhaft nach dem nächsten Argument suchen? Warum eine peinlich lange Pause entstehen lassen? Reden Sie weiter! Gehen Sie zu dem Argument über, das Ihnen als nächstes einfällt. Während Sie jetzt weiterreden, haben Sie Zeit zu überlegen und im Manuskript nachzuschauen. Später tragen Sie das Argument nach. Das kann dann sehr spontan klingen, z. B. „Da fällt mir, meine Damen und Herren, noch etwas ein zu dem vorher Gesagten. Beinah hätte ich es vergessen, es ist aber sehr wichtig für Sie….“

2. Das geplante Argument ganz weglassen

Angenommen, Sie haben fünf oder sechs Argumente vorbereitet, die für Ihre Sache sprechen. Was macht es da aus, wenn ein Argument wegfällt? Vielleicht können Sie damit in der anschließenden Diskussion sogar besonders glänzen.

3. Den zuletzt gesagten Satz mit besonderem Nachdruck wiederholen

Auch bei einer totalen Denkblockade haben Sie den zuletzt gesagten Satz noch in Erinnerung. Und den wiederholen Sie. Wortwörtlich oder leicht verändert. Er muss nicht wichtig sein. Durch die Wiederholung wird er für Ihre Zuhörer wichtig. Während Sie ihn jetzt wiederholen, haben Sie wertvolle Zeit gewonnen, in Ihr Manuskript zu schauen und das nächste Stichwort zu suchen.

4. Das bisher Gesagte kurz zusammenfassen

Bevor wir weiter fortfahren, fasse ich unsere bisherigen Überlegungen kurz zusammen. Erstens... zweitens... drittens…“. Zuhörer sind für solche Wiederholungen dankbar. Und Sie haben während dieser Stegreifwiederholung viel Zeit, den „roten Faden“ wieder aufzunehmen.

5. Kurze, wirkungsvolle Pause einlegen

„Komisch“, wundern sich Teilnehmer bei Rhetorikseminaren immer wieder, wenn sie ihre mit dem Videorecorder aufgezeichneten Redeübungen am Bildschirm ansehen. „Als ich vorn am Rednerpult stand, kam mir die Denkpause, die ich brauchte, wie eine Ewigkeit vor. Und jetzt am Bildschirm sehe ich, dass ich mit einer noch längeren Pause sogar noch mehr Wirkung hätte erzielen können.“ Sprechpausen können ein unglaublich wirkungsvolles Mittel sein.

6. Halten Sie neutrales Füllmaterial bereit

Neutrale „Füller“ sind das Wundermittel jeder erfolgreichen Rede. Ein Zeitungsausschnitt, der zum Thema passt, sollte immer griffbereit in der Nähe liegen. Reißt dann der Film, holen Sie ihn her und sagen: „Übrigens, meine Damen und Herren, haben Sie gelesen, was kürzlich in der FAZ stand?“ Auch eine Overhead-Folie oder eine Powerpoint-Datei mit einem neutralen Zitat lässt sich an jeder Stelle des Vortrages elegant dazwischen schieben.

Fehler gehören zum Reden dazu und sind menschlich. Allerdings macht es auch Sinn, sich durch entsprechende Strategien auf Krisensituationen vorzubereiten. Umso sicherer wird man als Redner und umso mehr Spaß macht das Ganze!
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Über Gerhard Reichel
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In mehr als 30 Jahren hat sich Gerhard Reichel einen exzellenten Ruf als Rhetorik-Trainer erarbeitet. Unternehmer, Politiker und Führungskräfte schätzen das Know-how und die Persönlichkeit des mehrfachen Buchautors und gefragten Referenten. Die Zuhörer schätzen dabei besonders seine Authentizität. Er ermutigt seine Teilnehmer, sich nicht zu verstellen, sondern als individuelle Persönlichkeiten mit Herz und Verstand aufzutreten. Sein 1975 gegründetes Institut für Rhetorik zählt mittlerweile zu den ersten Adressen Deutschlands und hat sich in der Seminarszene einen exzellenten Ruf erarbeitet. Die vier Bücher von Gerhard Reichel sind allesamt Longseller mit hohen Auflagen. Sein Motto: Wer andere groß macht, wächst mit.
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Über Oliver Reichel
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Schon während seines Studiums der Rhetorik, Geschichte und Germanistik begann Oliver Reichel, sich mit Strategien der fairen und respektvollen Kommunikation und Überzeugungspsychologie zu befassen. Nach mehreren Zusatzausbildungen entwickelte er moderne Konzepte und wissenschaftlich abgesicherte Modelle für Spitzenkommunikation. Er bietet konkrete Inhalte statt purer Show: spannend, unterhaltsam und fachlich fundiert. Wer Oliver Reichel gemeinsam mit seinem Vater Gerhard Reichel live erlebt, spürt mit jedem Satz ihre Begeisterung für die Welt der Rhetorik und ihre Freude am Umgang mit Menschen.
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