Fachartikel, 06.06.2008
Perspektive Mittelstand
Keine Unternehmensentwicklung ohne Projektarbeit
Aktuelle Trends und Praxisansätze im Projektmanagement
Markierte Projektarbeit früher eher eine Domäne der Ingenieure oder IT-Experten, so bildet sie mittlerweile über alle Branchen und Fachbereiche hinweg die Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung. Die zentrale Frage heißt dabei für viele Unternehmen: Wie können wir bestehende Defizite in der Projektarbeit beheben und eine zukunftsgerechte Projektmanagement-Kultur im Unternehmen implementieren?
Angesichts sich fortlaufend wandelnder Märkte und des hohen Wettbewerbsdrucks stehen Unternehmen unter einem immensen Veränderungsdruck. So haben denn auch viele Betriebe schnell erkannt, dass ein schnelles, ergebnisorientiertes Handeln insbesondere für neue bzw. einmalige Aufgaben am besten durch die Organisationsform des Projektes geleistet werden kann: Projekte werden hier definiert als temporäre Organisationseinheiten, die Aufgabenstellungen bearbeiten, die in der Linie nicht gleichwertig geleistet werden können. Das Projekt stellt daher die betriebliche Antwort auf die veränderlichen Wirtschaftsbedingungen dar.

Den meisten Unternehmen stellt sich daher heute nicht mehr die Frage, ob sie Projekte durchführen, sondern eher, in welcher Qualität und mit welchem Zielerreichungsgrad sie ihre Projekte bewältigen. Diese Fragestellung gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als sich im Projektmanagement zwei übergeordnete Entwicklungen identifizieren lassen:

  • Projekte werden zunehmend zur Erreichung strategischer Unternehmensziele aufgelegt und beeinflussen hiermit die unternehmerische Wertschöpfung.
  • Der Komplexitätsgrad der Projekte steigert sich aufgrund der technologischen Fortschritte rasant.

Hieraus resultieren folgende personalwirksame Trends:

  • Trend 1:Der Stellenwert der internen Projektmanagement-Kompetenz steigt
  • Trend 2: Das Kompetenzprofil aller Projektbeteiligten erweitert sich maßgeblich und fördert eine eigene betriebliche Karrieresystematik
  • Trend 3: Der Einfluss der Organisationskultur auf den Projekterfolg wird zunehmend sichtbar

Die folgende Analyse der personalwirksamen Trends im Projektmanagement vermittelt einerseits wertvolle Hinweise zur Reduzierung bestehender Defizite in der derzeitigen Projektarbeit und ermöglicht andererseits, eigene Weiterentwicklungen zu einem zukunftsgerechten Projektmanagement zu initiieren. Anhand konkreter Handlungsansätze zur Gestaltung und internen Professionalisierung können diese Erkenntnisse systematisch in die betriebliche Praxis umgesetzt werden.

Trend 1: Der Stellenwert der internen Projektmanagement-Kompetenz steigt

Projektarbeit wird heute in sämtlichen Unternehmensbereichen geleistet: Das Spektrum reicht von Aufgabenstellungen höchster unternehmerischer Priorität wie Strategieumsetzung, Innovationsentwicklung oder Aufbau neuer Geschäftsfelder bis zu Sonderaufgaben in den Fachbereichen wie bspw. Prozessoptimierung und Konzeptentwicklung. Aufgrund schmerzhafter Erfahrungen mit gescheiterten bzw. defizitären Projekten ist gleichzeitig das Problembewusstsein gegenüber unqualifizierter Projektarbeit gestiegen. Insbesondere Großunternehmen wie bspw. IBM, Siemens, Telekom haben daher differenzierte Qualifizierungsprogramme aufgebaut und fördern die Projektmanagementausbildung, teilweise bis zu einer Zertifizierung. Eine internationale Zertifizierung gewinnt stark an Bedeutung, da in unternehmens- bzw. länderübergreifenden Projekten Prozesse, Instrumente und Begriffe einheitlich anwendbar sein müssen sowie Auftraggeber zunehmend einen Qualitätsnachweis fordern.

Trend 2: Das Kompetenzprofil aller Projektbeteiligten erweitert sich maßgeblich und fördert eine eigene betriebliche Karrieresystematik

Sowohl die Praxiserfahrungen als auch die zahlreichen Studien belegen: Die bisherige Art der Projektleitung und –steuerung erfüllt nicht zufriedenstellend die heutigen Anforderungen in komplexen Projekten: Neben sachlichen Restriktionen wie Ressourcenknappheit treten verstärkt sozialpsychologische Faktoren als Scheiterungsursachen in den Blickpunkt: Methodenkompetenz und organisatorisches Geschick reichen nicht aus, unter erheblichem Zeit- und Kostendruck Menschen unterschiedlichster Fachgebiete und eventuell unterschiedlicher Kulturen zum Ziel zu führen. Diese Erkenntnis führt zur Aufnahme von Inhalten der Persönlichkeits- und Sozialkompetenz in die Qualifizierungsprogramme und ansatzweise zu Maßnahmen eines sozialen Risikomanagements wie Team- und Krisenintervention und Einsetzung von ‘Cultural Navigator’.

Die Leitung hochwertiger bzw. komplexer Projekte erfordert fundierte, tiefreichende Projektmanagementqualifikationen sowie den Vollzeiteinsatz und ‚entfremdet‘ hierdurch zwangsläufig den Projektmanager von seiner Linienfunktion. Eine eigenständige Projektmanagement-Kompetenz bildet sich heraus, dessen Wert ihren Besitzern verstärkt bewusst wird und für die sich derzeit eine globale Nachfrage entwickelt. Gleichzeitig nimmt die Wechselbereitschaft dieser Zielgruppe zu: Unternehmensbindung und personenbezogene Loyalität verlieren an persönlicher Bedeutung. Erste Strategien zur Bindung dieser Experten bilden Retentionprogramme und ein eigenes Karrieresystem: Die Projektmanagementkarriere tritt als dritte Säule neben die traditionelle Fach- und Führungslaufbahn.
Großunternehmen, aber auch kleine projektorientierte Organisationen integrieren in diese Karriere die Professionalisierungsstufen der externen Zertifizierungsorganisationen, die wiederum ihre eigenen Karrieremodelle aus differenzieren.

Trend 3: Der Einfluss der Organisationskultur auf den Projekterfolg wird zunehmend sichtbar

Die Auswirkungen der jeweiligen Organisationsstruktur und ihrer Prozesslandschaft auf den Projekterfolg sind inzwischen gut erforscht. Nun wird durch Studien zunehmend belegt, wovon insbesondere Personalmanager seit langem überzeugt sind: auch die Unternehmenskultur übt einen maßgeblichen Einfluss auf das Projekt aus: Die Gesamtheit der Werte, Einstellungen und gelebten Verhaltensweisen fördert bzw. behindert das Projekt. Ebenso wie die individuelle Qualifikation der Projektbeteiligten bestimmte Ausprägungen erfordert, benötigt auch die Organisation als Ganzes bestimmte Faktoren für ein erfolgreiches Projektmanagement: Von besonderer Bedeutung erweisen sich hier Führungskonzept und -praxis, Belohnungs- und Sanktionsmuster, Kommunikationskultur und die Grundeinstellung gegenüber Projektarbeit.

Bedeutung dieser Trends und Konsequenzen für die Weiterentwicklung des Projektmanagements in der betrieblichen Praxis

Eine fundierte Ausbildung sowie eine gute eigene Projektmanagementsystematik bilden nach wie vor eine Basis des Projekterfolgs. Bei ihrer Einführung bzw. Optimierung sollte das Unternehmen jedoch bereits die Besonderheit des Organisationstypus Projekt berücksichtigen:

Das Projekt ist eine temporäre Organisation, die innerhalb einer kontinuierlichen Organisation besteht – also eine Organisation in der Organisation. Die Gesetzmäßigkeiten beider Organisationsformen unterscheiden sich fundamental: das Projekt ist zeitlich befristet, fokussiert auf seine Parameter Ziele, Kosten, Qualität und durchbricht Strukturen und Prozesse der hierarchischen Linienorganisation, die im Kontrast hierzu auf Kontinuität, Stabilität, Regelkonformität ausgerichtet ist – mit anderen Worten: das Projekt stört.

Die bisherigen Optimierungsansätze wie intensivierte Methodenqualifizierung und verfeinertes Projektcontrolling funktionieren mechanistisch im Sinne von: ‚Vom Gleichen Mehr‘ und bleiben hiermit in der Projektmanagement-Methodik verhaftet. Sie durchbrechen nicht die ‚Insel Projekt‘ und beeinflussen damit nicht das sensible Wechselspiel beider Organisationen. Aus den dargestellten Trends lassen sich wiederum zwei zentrale Handlungsfelder ableiten:

Handlungsfeld 1: Nutzung des Changemanagements bei der Gestaltung des Projektmanagements

Um die Erfolgsquote der eigenen Projektarbeit wirkungsvoll und nachhaltig zu erhöhen, bilden die Erkenntnisse zur konstruktiven Durchführung von Veränderungsprozessen (Changemanagement) den geeigneten Ansatz: Hierbei wird das Projekt aus einer ganzheitlichen (systemischen) Perspektive in seiner Einbettung in das Gesamtsystem des Unternehmens gesehen.
Dies öffnet den Blick für die wechselseitigen Abhängigkeiten und Bezüge: Das Projekt ist einerseits zwingend auf die Unterstützung der Linienorganisation in Form von Ressourcen, Informationen, Entscheidungen etc. angewiesen. Andererseits wird es von der Gesamtorganisation jedoch häufig als Faktor erlebt, der einseitig Anforderungen stellt (aber selbst nichts liefert), Neuerungen anstrebt und bisherige Routinen für sich selbst eigenständig außer Kraft setzt. Gleichzeitig soll das Projekt jedoch einen unternehmerischen Mehrwert erzeugen…

Diese Konfrontation der beiden Organisationsformen kann abgemildert und sogar fruchtbar gestaltet werden, wenn die Einführung von Projektarbeit im Unternehmen als eine Aufgabe der betrieblichen Kulturveränderung verstanden wird. Wichtige Bausteine im Hinblick auf die Entwicklung einer Projektmanagement-Kultur als Teil der Unternehmenskultur sind dabei unter anderem:

  • Analyse der bestehenden Unternehmenskultur: welche Spannungsfelder, Konflikte sowie erfolgsfördernde Faktoren sind hier zu erwarten?
  • Vor Projektstart und begleitend Bearbeitung der als erfolgskritisch erkannten Bereiche, u.a. durch spezielle Informations- und Kommunikationsprozesse sowie die gezielte Arbeit mit wichtigen Organisationsvertretern (Stakeholder-Betreuung)
  • Aktives Vorleben einer offenen Kommunikationskultur
  • Einsatz interner Projektmentoren mit hoher Reputation
  • Systematische Veränderung der Einstellung aller Beschäftigten gegenüber Projektleistung
  • Verknüpfung der strategischen Unternehmensziele mit den individuellen Zielvereinbarungen in Form von Projekten
  • Integration der Projektmanagementkompetenz und -leistungen in die betrieblichen Anreiz- und Karrieresysteme…

Handlungsfeld 2: Paradigmenwechsel in der internen Projektmanagement-Qualifizierung

Neben der Methodenqualifizierung tritt die Persönlichkeits- und Sozialkompetenz mit einem quasi gleichberechtigten Stellenwert. Zur Auswahl und späteren Weiterbildung des Projektleiters empfiehlt sich die Erstellung eines internen Anforderungsprofils mit folgenden Kernkompetenzen:

  • Methodenkenntnisse: Vertiefte Methodenkenntnisse des Projektmanagements; Problemlösetechniken, PM-Software und Visualisierungstechniken…
  • Sozialkompetenz: Kommunikationskompetenz (Überzeugungsfähigkeit, Verhandlungsführung, Konfliktbearbeitung), Führungskompetenz (ggfs. auch für internationale und virtuelle Projektteams), Changemanagement-Kompetenz (Bearbeitung von Widerständen, Methodik, Instrumente) und gegebenenfalls interkulturelle Kompetenzen (Mehrsprachigkeit, Verständnis u. Integration kultureller Unterschiede)…
  • Persönlichkeitskompetenz: Eigenmotivation, Selbststeuerung, Ambiguitätstoleranz; Risikobereitschaft, Emotionale Belastbarkeit…

Darüber hinaus muss die Praxisbewältigung neu gewichtet werden: Projektmanagementkompetenz bewährt sich erst in ihrer Anwendung im sozialen Zusammenhang eines konkreten Projekts. Auch steigen mit der Projekterfahrung die Kompetenz und der Erfolg und benötigen zwingend deren kritische Reflexion. Zur Qualifizierung sollten daher folgende Leitlinien intern ausgestaltet werden:

  • Methodenqualifizierung im Wechsel mit ihrer Praxisanwendung und deren Erfahrungsanalyse
  • Parallel: Persönlichkeitsentwicklung

Das Curriculum für ein modulares Weiterbildungskonzept könnte sich dabei wie folgt zusammensetzen:

  1. Kompaktseminar Projektmanagement: Grundlagenkenntnisse Methodik, Projekt versus Gesamtorganisation, soziale Prozesse
  2. Praxisanwendung im eigenen Projekt: Unterstützung und Erfahrungstransfer durch Mentor (intern) bzw. Coach (extern)
  3. Aufbauseminar: Vertiefungskenntnisse, Auswertung der eigenen Projekterfahrungen, Fallstudien
  4. Fortführung Praxisanwendung im Projekt: Fortführung Unterstützung und Erfahrungstransfer durch Mentor (intern) bzw. Coach (extern)
  5. Etablierung interner Praxisgruppen: Erfahrungsaustausch, Wissenstransfer, lessons learned, kollegiale Beratung
  6. Persönlichkeitsentwicklung begleitend: Individuelle Maßnahmen zur Erhöhung der persönlichen und sozialen Kompetenz

Eine zukunftsgerichtete Gestaltung des Projektmanagements lässt sich daher durch die Berücksichtigung zweier Dimensionen erreichen: Einbeziehung der gesamten Organisation mit Hilfe des Changemanagements und ganzheitliche Kompetenzentwicklung mit persönlicher Reifung und Praxisbegleitung.

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Veranstaltungs- und Programmhinweis
Praxisausbildung Projektmanagement: Kompetenzaufbau und praktisches Training

Die Fähigkeit, Projekte zum geplanten Erfolg zu führen, gilt mehr als Schlüsselqualifikation. Die Zielerreichung beruht nicht nur auf der Leistungsfähigkeit des Projektleiters, der unterschiedlichste Rollenanforderungen bewältigen muss, sondern ebenso auf den Einstellungen und Kompetenzen der Projektmitarbeiter….

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ZUM AUTOR
Über Susanne Dudek
Dudek Managementberatung
Susanne Dudek ist Diplom-Soziologin und Managementberaterin mit Schwerpunkt Personalmanagement, Change Management und Organisationsentwicklung. Als Inhaberin der Dudek Managementberatung blickt sie auf eine mehr zehnjährige Konzernerfahrung in Leitungsfunktionen zurück, die sie auch als Autorin mehrer Fachbücher verarbeitete.
Dudek Managementberatung
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