Solche Situationen haben die meisten Projektleiter schon erlebt: Kaum jemand arbeitet noch an dem Projekt, stattdessen sind alle dabei, Schuldige zu suchen – oder die Projektteams arbeiten bewusst gegeneinander und verhindern damit den Projekterfolg. Manchmal sind die Projektbeteiligten so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass die Kundenerwartungen gar nicht mehr beachtet werden.
Projekte werden von Menschen durchgeführt. Demnach sind Projektteams soziale Systeme – und in denen gelten Regeln und ungeschriebene Gesetze; es gibt formale Positionen und informelle Rechte. Hinzu kommen externe Interessen von Kunden und Lieferanten. Die Komplexität der Systeme nimmt zu und erzeugt zum Teil erhebliche Reibungsverluste; daher betonen Experten immer wieder den besonderen Einfluss von „weichen Faktoren“ auf den Projektverlauf. In einer Umfrage des Projektmagazins wurde am häufigsten mangelnde Kommunikation als Ursache für Projektmisserfolge genannt. Eine Projektaufstellung hilft dabei, die wirkenden zwischenmenschlichen Faktoren zu erkennen, und erlaubt den Blick aufs Ganze.
Festgefahren im IT-Projekt
Ein Softwarelieferant war in einem Finanzdienstleistungsunternehmen damit beauftragt, das Datenbanksystem „Oracle“ an bestehende Drittsysteme anzubinden. Das Projekt ging nur schleppend voran und war bereits in Zeitverzug. Planung und Kompetenz der Verantwortlichen waren jedoch hervorragend. Woran also lag es dann?
Der Lieferant ist auf Informationen aus der Fachabteilung über bestehende Schnittstellen und das Altsystem angewiesen. Die Mitarbeiter waren aber zeitlich unter Druck und auch nur zögerlich bereit, diese Informationen weiterzugeben.
Der Auftraggeber veranlasste eine Aufstellung, um die eigentlichen Ursachen aufzudecken. Wie einst die großen Feldherren ihre Feldzüge in Sandkastensimulationen strategisch durchspielten, so werden bei der Aufstellung die vorhandenen Themen und ihre Zusammenhänge im Raum rekonstruiert. Diese Methode ist in der systemischen Familientherapie verwurzelt, hat sich inzwischen aber auch als effektiver Ansatz in verfahrenen Projektsituationen erwiesen.
Das ausgeblendete Thema
Die Aufstellung des „ausgeblendeten Themas“ ist eine Aufstellungsform, die versteckte oder ausgeblendete Themen in Projektstrukturen sichtbar macht. Hier werden exemplarisch drei Aufstellungsrepräsentanten ausgewählt: einer für den Fokus des Projektleiters, einer für das offizielle Thema – „weshalb es nicht vorangeht“ und ein dritter für das ausgeblendete Thema – „worum es noch gehen könnte“. Drei Projektmitarbeiter repräsentieren diese drei Positionen, und der sogenannte Fallgeber – hier der Projektleiter – stellt sie aus seiner Sicht im Raum auf.
So haben die Beteiligten nun klar vor Augen, was sie im Projekt bereits erleben: Der Fokus richtet sich allein auf das offizielle Thema. Das offizielle Thema richtet sich auf das ausgeblendete Thema, hat aber den Fokus noch im Augenwinkel, während das ausgeblendete Thema alles im Rücken hat. Diese Aufstellung wird nun durch Stellungsarbeit neu positioniert, die Blickwinkel verändert – bis sich schließlich eine eine Lösungsposition ergibt, in der die drei Repräsentanten sich gut positioniert sehen und Blickkontakt zueinander haben.
Der Fallgeber, als Zuschauer im Raum, wird gefragt, ob er eine Idee habe, was das ausgeblendete Thema sein könne. Er nickt. Der Aufstellungsleiter beendet die Aufstellung mit dem Abschlussbild. Im Nachgespräch erklärt der Projektleiter, mit dem Bild sei ihm bewusst geworden, dass es sich bei dem ausgeblendeten Thema um die internen Mitarbeiter der Fachabteilung handelt. Anschließend suchte er das Gespräch mit ihnen, um konstruktive Lösungen zu finden. Dabei wurde deutlich, dass die Mitarbeiter das Projekt aus technischer Sicht für sinnlos hielten: „Das alte Datenbank-System funktioniert doch hervorragend.“ Im Vorfeld des Projekts hatten sie selbst alternative Lösungen aufgezeigt, die aber nicht gehört worden waren. So baute sich allmählich Widerstand gegen das Projekt auf: Die Mitarbeiter hielten Informationen zurück und gaben vor, anderweitig ausgelastet zu sein. Das ließ sich nur lösen, indem die internen Projektverantwortlichen stärker in die Pflicht genommen wurden, Informationen zur Verfügung zu stellen. Dazu bedurfte es jedoch mehr und besserer Kommunikation mit den Mitarbeitern und unterstützender Überzeugungsarbeit.
Wann ist eine Aufstellung im Projekt sinnvoll?
In Projektaufstellungen lassen sich Projektziele, Kundenanforderungen, Projektmitarbeiter, Verantwortlichkeiten, Projektaufgaben, Ressourcen, Marktanforderungen, Lieferanten, Produkte, Prozesse und vieles mehr betrachten. Projekte können dabei als Ganzes gesehen oder in einzelne Prozesse aufgeteilt werden: Vorbereitung und Initiierung, Durchführung und Abschluss. Entscheidend ist, dass der Aufstellungsleiter genügend Erfahrung mit systemischer Strukturaufstellung mitbringt und er die aufkommenden Themen so steuern kann, dass sie sich auch wieder abschließen lassen. Ein häufiger Fehler besteht darin, das Problem anfangs nicht zu spezifizieren, denn dann können auch nur ebenso unklare Lösungen gefunden werden. Zudem werden oftmals Aufstellungen ausgeführt, ohne dass es ein echtes Anliegen gibt – eine wenig konstruktive Aktion also. Entscheidend ist auch, abschließend konkrete Maßnahmen zur Umsetzung zu definieren, damit jeder weiß, was er zu tun hat.
Festgefahrenes lösen – Was eine Projektaufstellung bringen kann