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Fachartikel, 13.10.2005
Pflegemarkt
Hilfe aus vielen Händen
Die höhere Lebenserwartung bringt den Pflegesektor in die Bredouille, denn in den kommenden Jahren werden weit mehr alte und kranke Menschen Betreuung in Anspruch nehmen als bisher.
In den öffentlichen Kassen und in der gesetzlichen Pflegeversicherung herrscht aber Ebbe. Eine Idee ist, die Menschen mehr mitentscheiden zu lassen, wie sie im Fall des Falles umhegt werden wollen.

Gut 2 Millionen Bundesbürger können derzeit alters- oder krankheitsbedingt nicht für sich selbst sorgen. In den meisten Fällen springt die Familie ein: So kümmern sich die nächsten Angehörigen um zwei von drei Pflegebedürftigen.

Bei jedem Fünften leisten zusätzlich ambulante Pflegedienste Unterstützung. Rund 650.000 Menschen werden in Pflegeheimen betreut. Dort könnte der Platz recht knapp werden. Im Jahr 2020 werden fast 3 Millionen Menschen pflegebedürftig sein, im Jahr 2050 sind voraussichtlich sogar 4 Millionen Menschen ständig auf Hilfe angewiesen. Entsprechend mehr Betten werden dann gebraucht:

::: Bis 2020 werden gut 1 Million Plätze in Pflegeheimen benötigt – fast doppelt so viele wie heute.

::: Für 2050 wird mit einem Bedarf von 2,5 Millionen Pflegestellen gerechnet.


Das dürfte die gesetzliche Pflegeversicherung endgültig in den Ruin treiben. Sie ist bereits an der Grenze dessen angelangt, was leistbar ist (vgl. iwd 4/2005). Für die vollstationäre Dauerpflege geht zurzeit über die Hälfte der Einnahmen drauf. Dabei werden erst drei von zehn Pflegefällen auf diese Weise umsorgt:

Die Ausgaben für die Heimpflege sind seit 1997 um 28 Prozent auf mehr als 8,2 Milliarden Euro gestiegen. Der Aufwand für die häusliche Pflege ging derweil leicht um 5 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro zurück. Töchter oder Enkelinnen werden künftig kaum noch in dem Maße als Pflegerinnen zur Verfügung stehen wie heutzutage. Die jüngere Frauengeneration hat sich schließlich fest im Berufsleben etabliert und entsprechend weniger Zeit für die Familie. Auch deshalb müssen mehr Pflege-Profis ran.

Was auf den ersten Blick wie ein finanzielles Damoklesschwert erscheint, könnte sich als Chance entpuppen. Denn die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen muss nicht unweigerlich eine Kostenlawine nach sich ziehen. An die Stelle des aktuellen Finanzierungsmodells, bei dem in erster
Linie Gebäude oder Einrichtungen alimentiert werden, könnte eine neue Art der Förderung treten.

Der Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe" steht Pate bei dem Gedanken, nicht die Einrichtungen zu finanzieren, sondern die Menschen selbst über die gewünschte Betreuung entscheiden zu lassen. Dies könnte über die Ausgabe von Gutscheinen oder die Bereitstellung persönlicher Budgets geschehen, die der Einzelne für Pflegedienstleistungen einlöst.

Die Betroffenen wählen dann in Eigenregie bzw. gemeinsam mit dem Partner, den Kindern oder so genannten Fallmanagern, welche Art von Hilfe für sie die beste ist.

Im Prinzip lässt sich vieles auch noch im häuslichen Umfeld organisieren, wenn die Gelenke nicht mehr so recht wollen oder man die meiste Zeit das Bett hüten muss. Das Essen kommt dann vielleicht aus der Pizzeria. Zur Schönheitspflege schaut die Friseurin aus der Nachbarschaft vorbei. Die Grundpflege übernehmen Krankenschwestern aus dem Hospital um die Ecke – oder der ambulante kirchliche Pflegedienst, der zugleich die Kontakte zum örtlichen Seelsorger herstellen kann.

Für die mit Pflege befassten Dienstleister würden so neue Arbeitsfelder entstehen. Dies gilt besonders für die kirchlichen Organisationen als den Platzhirschen auf dem Pflegemarkt. Angeführt von der Caritas und dem Diakonischen Werk leiteten Ende 2003 die Wohlfahrtsverbände
jedes zweite Pflegeheim; knapp jeder zweite Pflegedienst und vier von zehn Krankenhäusern laufen unter der Flagge der freien Gemeinnützigkeit.

Jeder zweite der rund 1 Million bei Caritas und Diakonie Beschäftigten arbeitet mittlerweile in der Gesundheits- und Altenpflege. Daneben bieten mehr private Dienstleister professionelle Hilfe an –die Zahl solcher Pflegedienste und -heime stieg seit 2001 dreimal so stark an wie die der frei-gemeinnützig geführten Häuser.

Weil sich auch der Staat mehr und mehr aus diesem Bereich zurückzieht, werden weitere private Helfer auf den Plan treten. Bis zum Jahr 2010 dürfte schon ein deutliches Drittel der Pflegeplätze von diesen Profis geführt werden; im Jahr 2050 wird schätzungsweise jeder zweite Pflegebedürftige Hilfe aus solchen Händen erfahren.
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