Fachartikel, 11.07.2005
Perspektive Mittelstand
Selbstmanagement
Von der Selbstverantwortung zur Sozialverantwortung
Führung ist ein Begriff, der immer wieder diskutiert wird. Soll eine strenge Führung stattfinden? Oder müsste die Frage nicht eher lauten: Wie führe ich mich selbst und andere in die Selbstverantwortung und von dort in die Sozialverantwortung? Warum uns das bisherige Führungscredo an den Abgrund führte...
Von Kind an bis in die Hochschulen werden wir, Individuen, Wirtschaftsführer und Politiker, an die Illusion herangeführt, die Dinge des Lebens lassen sich wirklich durch eine starke Führung lenken. Eine Führung, die weiß was sie will und die Methoden zur Durchsetzung beherrscht. Ziel ist es, mit Ursache – Wirkungsprinzipien und entsprechender Macht ausgestattet - unser Leben, Unternehmen, Institutionen und die Gesamtzivilisation so zum gewünschten Erfolg zu führen. Wir glauben, dass das Leben wie eine Institution, wie eine Maschine funktionieren muss.

Diese Handlungsweisen beinhalten ein Führungscredo, das auf der An-nahme beruht, dass die Führung denkt und anordnet. Alle anderen sind Ausführende. Welche Auswirkungen dieses hat, sieht jeder an dem Ergebnis: Die Weltwirtschaft lahmt, den Unternehmen geht es schlecht, die Arbeitslosigkeit steigt und steigt, die Schulen werden ihrem Auftrag nicht mehr gerecht, die Sozialsysteme beginnen zu erodieren usw. Die letzten Jahrtausende haben uns nicht wirklich weitergebracht: Wir sind immer noch neidisch, besitzgierig und hauen uns gegenseitig in sinnlosen Kriegen die Köpfe ein.

Und immer noch glauben wir an das Führungsprinzip: Ein starker Kanzler, ein starker Unternehmensführer sagt uns, wo wir hin gehen und wie. Einer gibt den Ton an und die anderen folgen; einer denkt und ordnet an, die anderen führen aus.

Ausbruch aus dem Führungscredo

Um aus diesem offensichtlich irrigen Führungscredo auszubrechen, müs-sen die Führenden bereit sein, zu vergessen, dass sie tatsächlich führen. Sie tun es nicht und sie können es nicht, da lebende Systeme objektiv nicht führbar sind. Sie folgen Gesetzen oder besser Einflüssen, die uns in ihren Auswirkungen verborgen sind. Die Einflussfaktoren ändern sich in immer schnelleren Zeitabständen, bis sich die Systeme, Institutionen und Unternehmen darauf einstellen können, hat sich die Situation schon wieder verändert: Und alle sind verwirrt – der Markt, die Unternehmen, die Kunden und Mitarbeiter.

Aber was tun? Was müssen wir alle und speziell die Personen an Schlüs-selpositionen lernen bzw. verändern? Ich denke, wir müssen von der Natur lernen: Das System, das sich veränderten Bedingungen am besten anpasst hat einen hohen Wert und damit die Voraussetzung zur Entwicklung eines höheren Systems. Leider jedoch neigt der Mensch aus falsch verstandenem Sicherheitsdenken dazu, möglichst wenig zu verändern. So wie der Körper bei Übergewicht dazu neigt sich langsamer und weni-ger zu bewegen, damit er sich nicht verändern muss, so tendieren Führungssysteme dazu vermeintliche Sicherheit in perfekt organisierten Ab-läufen zu suchen, statt sich die Freiheit auf schnelle Reaktionen anzutrai-nieren.

Wie führt man ohne Führung?

Die Frage an sich ist ein Widerspruch. Wenn Führungslosigkeit gefragt ist – wie kann ich dann führen. Natürlich in die Führungslosigkeit. Nein, die Frage ist recht anspruchsvoll. Es geht um - wie führe ich mich und andere in die Selbstverantwortung? Aber gerade im wirtschaftlichen Kontext reicht diese Selbstverantwortung nicht aus. Darüber hinaus muss in mir eine Ebene der Sozialverantwortung entstehen. Strapazierte Begriffe, sagen Sie vielleicht – und doch gibt es Regeln des Miteinanders, der Achtung voreinander:

::: Wenn ich meinen Mitarbeitern/Kollegen ermögliche, sich als ganze Persönlichkeit einzubringen.

::: Wenn ich die Unterschiedlichkeit begrüße und als Reichtum empfinden kann.

::: Wenn klare Rahmen und Gestaltungsräume erarbeitet sind.

::: Wenn die Organisationsstruktur den beteiligten Menschen dient und nicht umgekehrt.

::: Wenn Prozesses effektiv und nicht nur effizient gestaltet sind.

::: Wenn Führung selbstverständlich zuerst für einen selbst gilt und vorgelebt wird.

Dann und nur dann wird eine aufgesetzte Führung vollkommen überflüssig. Wenn wir also aufgrund unserer Intelligenzlage noch nicht imstande sind komplexe Systeme zu steuern – was höchstwahrscheinlich nie der Fall sein wird – so können wir nur lernen, träge Systeme so zu „stören“, dass sie ihre Fähigkeiten und Ressourcen so einsetzt, dass damit Anpassungsprozesse gestaltet werden können.

Um in Zukunft Führung sinnvoll auszuüben, müssen die Führenden bereit sein zu vergessen, dass sie tatsächlich das Unternehmen führen. Vielmehr werden sie auf die aktive oder reaktive Art lernen müssen auf verschieden Ebenen die Anstöße zu geben und dieses sinnvoll zu begleiten.
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Über Llewelyn P. Antonio
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Llewelyn P. Antonio ist als Unternehmensentwickler und Coach tätig. Sein erklärtes Ziel ist es, durch sinnvolle Unternehmensentwicklung, Handlungskompetenzen zu erweitern und Wertschöpfung zu steigern. Mit dem Mensch im Mittelpunkt und einer Konzentration auf die entscheidenden Erfolgsfaktoren begleitet er Unternehmen – von der Konzeption über klare Zielvereinbarung bis hin zu einer pragmatischen Umsetzung.
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