Fachartikel, 01.04.2009
Perspektive Mittelstand
Organisationsentwicklung
Reklamationsmanagement nach DIN ISO 10002 – Gewinn für Kunden und Unternehmen
Die ISO Norm 10002 liefert einen Leitfaden für den Prozess zur Reklamationsbearbeitung bezüglich der Produkte einer Organisation, einschließlich dessen Planung, Gestaltung, Durchführung, Aufrechterhaltung und Verbesserung. Unternehmen, die ihr Reklamationsmanagement nach den Vorgaben dieser Norm gestalten, stellen nicht nur die Weichen für einen hochwertigen Kundenservice und somit eine höhere Kundenzufriedenheit, sondern sichern sich zudem Wettbewerbsvorteile im Hinblick auf die Kundengewinnung.
Einordnung und Abgrenzung

Die ISO Norm 10002  wird normalerweise zusammen mit den ISO Normen 10001 [Leitfaden für Verhaltenskodizes für Organisationen] und 10003 [Leitfaden für Konfliktlösung außerhalb von Organisationen] angewendet, ist aber auch unabhängig nutzbar. Die Normengruppe 10001 bis 10003 ist weiterhin kompatibel zu den Anforderungen aus den ISO Normen 9001 und 9004 und unterstützt die darin definierten Ziele. Die ISO Norm ist für alle Unternehmen anwendbar, unabhängig von deren Größe oder Branche. Innerhalb der Norm wird allgemein von Produkten einer Organisation gesprochen. Diese Produkte werden nicht näher spezifiziert und können daher Hardware, Software, Dienstleistungen oder verfahrenstechnische Produkte sein. Die ISO 10002 kann nicht für Streitfälle zur Anwendung gebracht werden, die außerhalb der Organisation eskaliert und gelöst werden sollen. Hierfür greift die ISO Norm 10003. ISO 10002 ist weiterhin nicht bei Streitfällen in Personalangelegenheiten anzuwenden. Im Abschnitt Anwendungsbereich der Norm finden sich Hinweise darauf, dass die Norm nicht für Konfliktlösungen zwischen Parteien genutzt werden soll, die der gleichen Organisation angehören. Diese Einschränkung macht aber in den meisten Organisationen keinen Sinn. Wenn die an der Reklamationsbearbeitung beteiligten Parteien klar definiert und abgegrenzt sind, dann kann diese Norm auch für die internen Reklamationen beispielsweise zwischen der IT-Abteilung und den Anwendern eingesetzt werden.

Ziele der Iso-Norm 1002

Um die Ziele der Norm zu verstehen lohnt sich ein Blick in den Abschnitt „Anwendungsbereich“. Dort werden die behandelten Aspekte der Reklamationsbearbeitung definiert, die wiederum die Ziele der Norm abstecken. Dort sind folgende Punkte zu finden, die hier zusammengefasst dargestellt werden.

  • Verbesserung der Kundenzufriedenheit
  • Beteiligung und Verpflichtung der obersten Leitung
  • Anerkennung und Beachtung der Bedürfnisse der Reklamanten
  • Bereitstellung eines offenen, wirksamen und leicht anwendbaren Reklamationsprozesses
  • Verbesserung der Produktqualität
  • Auditieren der Reklamationsprozesse
  • Bewertung der Reklamationsprozesse

Win-Win-Situation für Unternehmen und Kunden

Warum macht die Einführung dieser Norm für Kunden und Unternehmen Sinn? Hierfür gibt es eine Menge an Gründen. Dabei sind die Vorteile bei der Anwendung dieser Norm nicht nur auf den Reklamationsbereich reduziert. Auch im Vertrieb einer Organisation bieten sich Anknüpfpunkte. Gehen wir die Bereiche einzeln durch.

::: Kundensicht 

Die Vorteile für den Kunden scheinen eindeutig. Die Anwendung der ISO Norm 10002 soll die Kundenzufriedenheit verbessern und einen einfachen und wirksamen Reklamationsprozess zur Verfügung stellen. Dies ist natürlich erst einmal im Sinne eines jeden Kunden. Die Vorteile für die Kunden gehen aber noch darüber hinaus. Durch die Anwendung der Norm dokumentiert das Unternehmen ein Interesse an einem Reklamationsprozess, der einerseits an den Bedürfnissen der Kunden orientiert ist, andererseits aber die Produktqualität ständig verbessern soll. Auch dieser Vorgang ist natürlich im Interesse des Kunden.

Und auch der Reklamationsprozess selbst wird durch die Norm kontinuierlich überprüft, bewertet und verbessert. Getreu dem Motto: „Stillstand ist Rückschritt.“ signalisiert das Unternehmen eine deutliche Bereitschaft zur Weiterentwicklung.

::: Unternehmenssicht

Viele der Kundenvorteile gelten gleichzeitig auch als Vorteile für das Unternehmen. Die Verbesserung der Kundenzufriedenheit sollte das Ziel eines jeden Unternehmens sein. Auch wenn sich die Einsicht noch nicht in allen Unternehmen etabliert hat, ist es Fakt, dass das Reklamationsmanagement die Kundenbindung und das Markenimage positiv wie negativ beeinflussen kann. Besonders bei hochpreisigen oder Markenprodukten wirkt sich das Verhalten eines Unternehmens im Reklamationsfall deutlich auf das Kaufverhalten aus.

Neben der Kundenzufriedenheit bringt aber auch die Bereitstellung eines wirksamen und leicht anwendbaren Reklamationsprozesses deutliche Vorteile mit sich. Durch die Standardisierung von Prozessen wird der Verwaltungs- und Qualifikationsaufwand im Unternehmen deutlich reduziert. Einfache und eindeutige Prozesse reduzieren die Fehlerquote und können von unterschiedlichen Personen leicht und schnell angewendet werden. Die Verbesserung der Produktqualität wird in weiteren Normen nochmals gesondert behandelt und ist in vielen Unternehmen mittlerweile zu einem Hauptziel geworden. Die Verbesserung der Produktqualität unterstützt nicht nur einen positiven Markenaufbau und den Vertrieb, sondern reduziert auch die Reklamations- und Fertigungskosten.

::: Vertriebssicht

Leider wird die Verwendung der ISO Normengruppe 10001 – 10003 vertrieblich noch von wenigen Unternehmen genutzt. Neben den bereits angesprochen Kundenvorteilen, die für sich bereits eine Kaufentscheidung deutlich beeinflussen können, müssen wir weitere Aspekte betrachten. Das Kaufverhalten von Kunden, sowohl im B2C als auch im B2B Bereich, ist einem Wandel unterlegen. Kaufentscheidungen hängen zunehmend nicht mehr nur von Produkt- oder Markeneigenschaften ab, sondern werden von weiteren Faktoren beeinflusst. Dazu gehören allgemeine Qualitätsstandards und deren Weiterentwicklung aber auch die Vorhersehbarkeit oder Berechenbarkeit bestimmter Reaktion eines Unternehmens. Kunden betrachten mittlerweile den gesamten Produktlebenszyklus und die Konsequenzen und Risiken einer Kaufentscheidung. Dies wird besonders im B2B Segment aber auch bei Gebrauchsgegenständen (Autos, Möbel, Elektrogeräte usw.) und hochpreisigen oder hochwertigen sowie Markenartikeln deutlich. Genau an dieser Stelle setzt die ISO Normengruppe an. Durch deren Einsatz können Unternehmen den Kunden bereits vor der Kaufentscheidung die Rahmenbedingungen der Reaktionen im Reklamationsfall mitteilen. Der Kunde weiß an dieser Stelle bereits, dass sich das Unternehmen aktiv mit diesem Bereich beschäftigt und er erhält Einblick in zu erwartende Reklamationsprozesse. Die Reaktion des Unternehmens ist also nicht mehr ungewiss, sondern kalkulierbar.

Zertifizierungsmöglichkeiten

Die ISO Normengruppe 1001 – 10003 gilt als nicht zertifizierbar. Dies ist allerdings nur in den ISO Normen 10001 und 10003 explizit definiert. In der Norm 10002 fehlt dieser Hinweis. Aus diesem Grund kann die Verwendung der Norm durchaus von einer externen Stelle auditiert und die regelkonforme Anwendung bestätigt werden. Diese Leistungen werden aber bisher noch von wenigen Unternehmen angeboten. Die tacticx GmbH und der TÜV Rheinland bieten beispielsweise entsprechende Leistungen an.

Fazit

Die Verwendung der ISO Normengruppe 10001 – 10003, speziell aber die Anwendung der Einzelnorm 10002 bringt für Kunden und Unternehmen deutliche Vorteile. Trotzdem ist diese Norm bisher weitestgehend unbekannt. Die Richtlinien der Norm werden teilweise bei der Einführung von ISO 90001 betrachtet. Trotzdem besteht ein Nachholbedarf der Unternehmen bei der Verwendung der Norm. Auch sollten Unternehmen, die diese Norm bereits anwenden, dieses deutlicher kommunizieren. So wird die Bekanntheit der Norm gefördert und für das Unternehmen entstehen positive Einflüsse auf das Marken- und Unternehmensimage.

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