Fachartikel, 18.09.2006
Perspektive Mittelstand
Management (allgemein)
Nicht Managen, sondern führen - mit Engagement raus aus dem Mittelmaß!
Manchmal hat man den Eindruck, besonders wichtige Entscheidungen trifft der Zeitgeist. Ein Beitrag von Reinald Wolff zum weitverbreiteten (MIss-)Verständnis von „Management” und dessen Folgen.
Personalabbau und rigoroses Sparen mit und ohne Krise, Produktionsverlagerung nach China, forciertes Outsourcing von Unternehmensaktivitäten. Dabei ist, was alle tun, meist nicht der Weg zum individuellen Erfolg. Selber denken und engagiert führen ist gefragt. Es fängt im Kleinen an.

Ein bisschen Führung ist zu wenig – Beispiel aus der Praxis

Der Geschäftsführer eines mittelgroßen Unternehmens der Investitionsgüterindustrie hat entschieden von Lagerfertigung auf eine kundenauftragsbezogene Produktion umzustellen. Alle Planungs- und Dispositionsverfahren sollen so verändert werden, dass diese schnelle und flexible Produktion optimal unterstützt wird. Das bedeutet neue Abläufe und Verfahren, Umlernen bei den Mitarbeitern, eine andere Aufgabenverteilung und Verantwortung innerhalb der Abteilungen und ein neues Verständnis über die Gestaltung der Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Zwei Monate später ist manches umgesetzt, die Ergebnisse lassen aber zu wünschen übrig. Die Bestände an Vormaterialien haben sich erhöht, statt vermindert und die Verfügbarkeit der Teile in der Montage ist nicht besser geworden. Für alles gibt es vordergründig plausible Erklärungen, die ungeprüft toleriert werden: z.B. eine unerwartet hohe Nachfrage nach auslaufenden Produkten oder EDV Probleme bei einem wichtigen Lieferanten.

Was ist passiert? Es wurden zwar einige Neuerungen eingeführt, vor allem im sichtbaren Bereich der Produktion – Layout, Arbeitsplatzgestaltung und physische Abläufe. In Vertrieb, Materialwirtschaft und Logistik wurde vieles nur halbherzig angepackt. Das alte System lebte weiter, als Fangnetz für befürchtete Unzulänglichkeiten oder wegen mangelndem Vertrauen
in die Wirksamkeit der neuen Methoden. Ein Teil der Mitarbeiter wollte oder konnte alte Rollen und Zuständigkeiten nicht einfach aufgeben. Sicherheit, Einfluss und eingefahrene Routinen schienen gefährdet. Das mittlere Management hatte sich nur oberflächlich mit dem notwendigen und sinnvollen Wandel auseinander gesetzt. Jetzt lebten Altes und Neues in wunderlicher Paarung zusammen, und keiner störte sich wirklich daran. Die daraus entstehenden Konflikte wurden nur in ihrem äußeren Erscheinungsbild wahrgenommen. Um das Problem der überhöhten Bestände zu lösen, startete man einfach ein Programm zur Bestandreduzierung. Operative Betriebsamkeit statt „radikaler“ Lösung an der Wurzel.

Der Chef hatte mit Überzeugung entschieden. Die Ausarbeitung der Einzelheiten delegierte er an den Projektleiter und die Abteilungsverantwortlichen – und ging davon aus, dass alles in seinem Sinne umgesetzt wird. Eine klare Kommunikation an alle Beteiligten und Betroffenen blieb offen. Die schlechten Ergebnisse wurden irrtümlicherweise als separates Problem aufgefasst und mit kurzatmigen ad-hoc Maßnahmen bekämpft.

Die Abteilungsleiter hatten Sorge, den Mitarbeiter (und sich selbst) zu viel Veränderung auf einmal zuzumuten. Ein bisschen besser ist ja auch schon gut. Hier muss der Chef eingreifen, den Maßstab zurechtrücken und seinen Leuten helfen, alte Brücken abzubrechen und das Neue entschlossen anzugehen. Als Coach, nicht als Selber-Macher.

Wirksame Entscheidungen beruhen auf Einsicht und Umsicht

Wichtige Entscheidungen setzten eine neue Richtung, sonst wären sie nicht erforderlich. Mit der Richtungsänderung werden neue Möglichkeiten eröffnet, die die Organisation – hoffentlich – schlagkräftiger machen. Gleichzeitig mag es Auswirkungen geben, die, erwünscht oder unerwünscht, eine natürliche Konsequenz der entschiedenen Richtung sind. Damit muss das Unternehmen umgehen.

Was die Sache noch komplexer macht ist, dass jeder Entscheidung Ziele und Annahmen zu Grunde liegen. Diese sollen auch weniger günstigen Marktbedingungen gerecht werden. Eine tiefe Einsicht in diese Zusammenhänge ist die beste Absicherung einer wichtigen Entscheidung und hilft gleichzeitig Eckpunkte für die Realisierung zu setzten. Das ist Chefsache. Lieber weniger Entscheidungen treffen, dafür die wesentlichen und die mit Konsequenz.

Wirksam wird eine Entscheidung durch die Menschen, die sie umsetzen. Das wird manchmal vergessen. Sie müssen überzeugt werden und sie brauchen das notwendige Rüstzeug: Qualifikation, Hilfsmittel und Verantwortung. Vor allem aber erwarten sie verlässliche Orientierung. Oder wird die wichtige Entscheidung von heute von der noch wichtigeren morgen überholt? Wirkliche oder vermeintliche Prioritätskonflikte sind eine beliebte Entschuldigung erst mal nicht allzu aktiv zu werden. Da hilft nur eines: Der Chef muss selbst nachsehen und klar machen, was ihm wichtig ist. Fragen, fordern, erklären, ermuntern und unterstützen. Und am Ende auf die Ergebnisse schauen. Wenn es Abweichungen gibt, empfiehlt es sich, nach den tieferen Ursachen forschen. Meist ist besser, den eingeschlagenen Weg zu modifizieren, statt neue Maßnahmen zur kurzfristigen Korrektur loszutreten.

Beispiel Toyota

Toyota ist äußerst erfolgreich. Der Unterschied zu anderen großen Automobilfirmen liegt weniger in den Produkten, auch nicht an Kanban Systemen oder der Produktionstechnik. Er liegt in der Führung des Unternehmens. Wesentliches Merkmal dieser Führungskultur ist es, dass Grundsatzentscheidungen getroffen werden, die sich in „Prinzipien“ konkretisieren. Nach diesen Prinzipien wird konsequent gehandelt. Das Führen innerhalb dieser Prinzipien orientiert sich an vier Leitmotiven (nach Steven J. Spear: Learning to Lead at Toyota, Harvard Business Review, May 2004):

::: Es gibt keinen Ersatz für das unmittelbare Beobachten (des Geschehens).

::: Vorgeschlagene Veränderungen sollen immer als strukturierte Experimente angegangen werden.

::: Mitarbeiter und Führungskräfte sollen so häufig wie möglich etwas ausprobieren (Experimente durchführen).

::: Manager sollen anleiten und unterstützen, nicht selber machen.

Die vielen kleinen Schritte und die Geschwindigkeit in der diese passieren, machen den Unterschied. Nach dem Prinzip des Lernens durch Ausprobieren. Der Chef weiß es nicht unbedingt besser, aber er schafft die Umgebungsbedingungen in denen permanente Verbesserungen entstehen.

Gute Konzepte brauchen gute Führung

Gute Konzepte alleine reichen nicht aus. Sie brauchen Menschen, die für sie stehen und sie mit Leben erfüllen. Führung beginnt mit der bewussten Entscheidung motivierter Mitarbeiter, sich zielgerichtet eine Idee zu Eigen zu machen und sie weiter zu entwickeln – gegen eingefahrene Wege, Interessen anderer und sonstige Widerstände.

So definiert entsteht Führung auf allen Ebenen eines Unternehmens. Der Entwicklungschef eines großen DAX Unternehmens hat das einmal so ausgedrückt: „Diese Firma wird von kaum mehr an fünf Leuten geführt. Die jedoch sitzen nicht nur im Vorstand.“

Mancher engagierte Mitarbeiter ohne direkte Führungsverantwortung mag mehr Führung leisten als sein Vorgesetzter, der nichts falsch machen will und die Dinge nur aussitzt. Umgekehrt brauchen Mitarbeiter die Unterstützung ihrer Chefs, wenn sie in größeren, funktionsübergreifenden Zusammenhängen neue Prozesse gestalten und durchsetzen wollen.

Die Chefs sollten dabei sieben grundsätzliche Fragen bedenken. Die sind zwar alles andere als neu; trotzdem kommen sie in der operativen Hektik des Alltags häufig zu kurz.

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Leitfragen
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::: Handelt es sich nur um eine Einmallösung oder geht es um etwas Grundsätzliches?

::: Was wollen wir erreichen? Von welchen Annahmen gehen wir aus?

::: Wie können wir den Erfolg erkennen und messen?

::: Was ist die richtige Lösung – unabhängig von ihrer Durchsetzbarkeit? Welche Alternativen zum vorgeschlagenen Konzept gibt es?

::: Wer ist verantwortlich für die Planung und Umsetzung?

::: Wie sehen die Ergebnisse aus? Wo liegen die Ursachen für Abweichungen?

::: Welche Maßnahmen werden getroffen, um weitere Verbesserungen zu erreichen?

Konflikte und Widerstände sind dabei etwas Normales. Sie helfen, Sachverhalte und Interessen im Dialog durchzusprechen und an der Lösung zu feilen oder einen guten Kompromiss zu finden, der die Akzeptanz sichert.

Gute Führung zeichnet sich durch gute Kommunikation aus. Die Leute müssen wissen, was sie wollen – im doppelten Wortsinn. Schwierige oder kontroverse Entscheidungen muss der Chef nicht nur fällen, er muss sie auch vertreten, erklären und durchsetzen und sie anhand von Fakten überprüfen. Und wenn er feststellt, dass ihm eine Fehleinschätzung unterlaufen ist, schafft er Vertrauen, in dem er eine Entscheidung offen korrigiert.

Einsichten vom Management Vordenker Peter F. Drucker

Jede Entscheidung ist ein Eingriff in das System des Unternehmens. Das ist mit Risiken verbunden. Daher gilt: Besser wenige, notwendige Entscheidungen treffen, als viele Aktionen zur Lösung von Problemen veranlassen. Entscheidungen sollen auf der Ebene des höchsten konzeptionellen Verständnisses getroffen werden. Die Umsetzung jedoch soll einfach sein und so nah wie möglich an der Arbeitsebene erfolgen. Entscheidungen ohne Umsetzung sind Absichtserklärungen.
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