Ist die Strategie unseres Unternehmens robust? Sind sämtliche Herausforderungen durch die strategischen Optionen und Stoßrichtungen abgedeckt? Stehen strategische Optionen „im leeren Raum“, weil sie ohne eine entsprechende strategische Herausforderung in die Strategie aufgenommen wurden? Vor solchen Fragen stehen Unternehmensführer bei der Strategieentwicklung und im Managementalltag immer wieder.
Die SWOT-GAP-Analyse ist ein wirkungsvolles und einfach anwendbares Werkzeug zum Beantworten dieser Fragen. Dieses Tool unterscheidet sich von der konventionellen Gap-Analyse dadurch, dass es die strategische Lücke nicht von der Kapitalseite her angeht, sondern über die strategische Position des Unternehmens. Die konventionelle Gap-Analyse vergleicht finanzielle Plan-Größen mit den in die Zukunft projizierten Größen des aktuellen Geschäftes. Die SWOT-GAP-Analyse hingegen gleicht die strategischen Hauptherausforderungen mit den strategischen Stoßrichtungen ab. So lassen sich die „echten“ strategischen Lücken aufzeigen. Außerdem werden allfällige Optionen ohne entsprechende Herausforderungen aufgedeckt.
Die Ausgangsbasis für eine SWOT-GAP-Analyse bildet die klassische SWOT-Analyse, die als zentrale Grundlage für die strategische Überlegungen und die Entwicklung der strategischen Optionen dient. Obwohl die SWOT-Analyse in der Regel mit großem Aufwand ausgearbeitet wird, wird ihr Potenzial häufig nur ungenügend ausgeschöpft. Die SWOT-GAP-Analyse erlaubt es, die Resultate der SWOT-Analyse über die gängigen Anwendungen hinaus gewinnbringend auszuwerten und schafft damit einen direkten Brückenschlag zur erfolgreichen Strategieentwicklung.
Eine SWOT-GAP-Analyse erstellen
Eine SWOT-Analyse kombiniert die interne Stärke eines Unternehmens mit den externen Umweltbedingungen. Für ihre Erstellung werden unter anderem die Konkurrenz-, die Unternehmens- und die Umfeldanalyse genutzt. Es können aber auch weitere Instrumente zum Einsatz kommen – etwa die Kunden-, Portfolio-, Kernkompetenz- oder Finanz-Analyse.
Ist die SWOT-Analyse erstellt, werden sämtliche Faktorenwerte auf ein neues Vierfelder-Diagramm mit den Achsen Stärken/Schwächen (Vertikale) und Gefahren/Chancen (Horizontale) übertragen. Jeder Faktor wird dabei in Bezug auf eine zweite Dimension bewertet. Dies bedeutet:
Die Faktoren werden zudem gewichtet. Das heißt, es wird festgelegt, wie ausgeprägt eine Stärke ist und wie groß die Chancen sind, die daraus entstehen. Je ausgeprägter eine Eigenschaft ist, desto weiter außen wird der Faktor angeordnet. Somit kommen große Chancen, die zugleich große Stärken sind, ganz oben rechts zu liegen.
In der Regel bleibt das Feld Stärken/Gefahren entweder leer oder es enthält höchstens einen oder zwei Faktoren; denn Stärken sind normalerweise auch Chancen, und Gefahren werden sehr selten zu einer Stärke. Somit erhalten mindestens drei Felder Faktoren zugeordnet. Die einzelnen Felder machen dabei die folgenden Situationen sichtbar:
Die SWOT-Elemente werden aufgrund der Nähe ihrer Werte (ähnliche Themen, ineinandergreifende Entwicklungen) zu Clustern gruppiert und nummeriert. Sie bilden die Grundlage für das Ableiten der wichtigsten strategischen Herausforderungen. Von jedem Quadranten werden aus den Clustern die strategischen Schlüssel- oder Hauptherausforderungen abgeleitet. Es empfiehlt sich, zu Beginn je Feld höchsten zwei bis drei Herausforderungen festzulegen. Folglich sollten die Herausforderungen insgesamt acht bis zwölf Positionen umfassen.
Die Hauptherausforderungen werden weiter diskutiert und präzisiert. Sie müssen in knapper Form charakterisiert und klar beschrieben werden. Die Hauptherausforderungen werden nun systematisch mit den strategischen Optionen des Unternehmens abgeglichen. Der Abgleich zeigt übersichtlich auf, welche strategischen Herausforderungen durch die Strategie nicht oder ungenügend abgedeckt sind. Bestehende Lücken gilt es zu schließen. Das heißt, es sind weitere strategische Optionen auszuarbeiten, um sämtlichen Herausforderungen zu begegnen. Es kann aber auch sein, dass strategische Stoßrichtungen erarbeitet wurden, denen keine entsprechenden strategischen Herausforderungen zugrunde liegen. In diesem Fall ist zu überlegen, ob die entsprechenden Initiativen strategisch relevant sind oder ob sie fallen gelassen werden können.
Anwendung im Managementalltag
Aus den in einer SWOT-GAP-Analyse gewonnen Erkenntnissen lässt sich für Unternehmen ableiten, wo es den Hebel ansetzen sollte, um zu einer robusten, das heißt tragfähigen Strategie zu gelangen.
Im Unternehmens- und Managementalltag kann die SWOT-GAP-Analyse zum Bewältigten verschiedener Herausforderungen genutzt werden. Die Wichtigsten seien hier genannt.
1. Plausibilitätscheck im Strategieentwicklungsprozess
Nach dem Erstellen der SWOT und dem Erarbeiten der strategischen Optionen werden diese miteinander abgeglichen. So lässt sich sicherstellen, dass alle Herausforderungen mit Optionen angegangen wurden, bevor diese weiter zu einer Strategie ausgearbeitet und die Maßnahmen für die Umsetzung definiert werden. Zudem können so Optionen frühzeitig ausgeschieden werden, die strategisch nicht relevant sind.
2. Abgleich bestehender Strategien
Die aus der SWOT abgeleiteten Hauptherausforderungen werden mit den Hauptstoßrichtungen der Unternehmensstrategie abgeglichen. Von strategischen Lücken spricht man, wenn eine Herausforderung von keiner strategischen Stoßrichtung abgedeckt oder angegangen wird, oder wenn eine strategische Stoßrichtung ohne Beziehung zu einer Herausforderung festgelegt wurde. Bei börsennotierten Unternehmen vermittelt oft bereits der Abgleich der Unternehmensstrategie, wie sie im Geschäftsbericht steht, mit einer SWOT aus einem Analystenbericht, einen ersten Eindruck über die Robustheit der Strategie.
3. Ableiten von Sofortmaßnahmen
Ein einfacher, halbtägiger Top-Management-Workshop erlaubt es, eine SWOT übers Kreuz anzuordnen und aus dem Vierfelder-Diagramm die Hauptherausforderungen abzuleiten. Für diese können dann unmittelbar konkrete Maßnahmen definiert werden.