Ach, du dickes Ei!
Ein großes Hinweisschild mit den Worten „Wir sind Deutschlands freundlichster Baumarkt!“ ziert nicht nur den Haupteingang eines Geschäfts, sondern ist sogar in überdimensionaler Größe auf dem Dach des Gebäudes weithin sichtbar angebracht. Neben dem Schild sind ein sympathisch lächelnder Mitarbeiter in Arbeitskleidung und eine fröhliche Familie beim Einkauf abgebildet. Am Eingang ist ein roter Teppich ausgerollt, damit die Kunden sich gleich als VIPs fühlen. Alle Besucher sind gespannt: Was würde sie in diesem Baumarkt erwarten? Welcher einmalige Service würde ihnen hier geboten werden? Doch wer das Geschäft betritt, ist bald enttäuscht: dieselbe unübersichtliche Warenanordnung, dieselben Sonderangebote, dieselbe schlechte Beratung der mit der Produktfülle überforderten Mitarbeiter, dieselbe muffige Bedienung wie in anderen Baumärkten – mit einem Wort: Nichts, aber auch wirklich rein gar nichts, unterscheidet diesen Baumarkt von Hunderten anderer Wettbewerber! Wer die Trauben so hoch hängt, darf sich nicht wundern, wenn die Kunden am Ende enttäuscht sind. Wer erstklassigen Service ankündigt, und das auch noch mit einer unübersehbaren Werbung, der muss wirklich etwas Herausragendes bieten, der muss begeistern oder er wird die Kunden regelrecht aus dem Laden treiben.
So wie im Baumarkt geht es uns auch in anderen Geschäften: Blumige Werbefloskeln, denen die Realität weit hinterherhinkt. Überall werden hohe Erwartungen geschürt, die dann nicht eingehalten werden. Das Vertrauen in die Unternehmenswelt ist von Seiten der Verbraucher schon lange grundlegend erschüttert, die Erwartungen der Käufer am Gefrierpunkt angelangt. Daher begegnen wir all den Werbeslogans aus der Phrasendreschmaschine erst einmal skeptisch bis abwartend, denn meist steckt gar nichts dahinter und es ist alles nur hohles Wortgeklimper.
Menscherlebnis geht vor Marketingerlebnis!
Kundenbegeisterung lässt sich nicht durch Werbebotschaften ersetzen. Wer den Botschaften keine Taten folgen lässt, enttäuscht die Kunden und schadet seinem Unternehmen selbst letztlich mehr, als er ihm nützt. Im Hinblick auf Begeisterungsfaktoren sollten Unternehmen erst einmal zurückhaltend sein mit Werbebotschaften. Wer sich noch keine Gedanken darüber gemacht hat, wie er seine Kunden begeistern kann, der sollte auf großspurige werbliche Versprechen vollkommen verzichten und besser folgenden Überlegungen folgen:
- Werblich kommunizieren lassen sich am ehesten Basis- und Leistungsfaktoren, aber selten Begeisterungsfaktoren.
- Wer es dennoch tut, sollte sich einerseits darüber im Klaren sein, dass er die Erwartungen der Käufer damit extrem hoch ansetzt und auf keinen Fall enttäuschen darf.
- Andererseits bedarf es auch eines gewissen Geschicks in der Werbung, um das Überraschungselement einer Begeisterungsaktion nicht schon im vornhinein zu verraten.
- Hier ist die Bikini-Strategie richtig: Wenig zeigen und viel verhüllen, um Neugier zu wecken und (potentielle) Kunden ins Geschäft zu locken, ohne dass sie schon konkret wissen, was sie erwartet.
Wir verlassen Seinschein-City, um in Zukunft ihren Werbeverführungen nicht mehr zu erliegen. Denn wir wissen jetzt, dass fehlende Kundenbegeisterung und fehlende Kundentreue nicht durch eine noch so raffinierte Werbung ersetzt werden können.
![Humorvoll und praxisnah zeigt Strupat anhand vieler Beispiele aus Handel und Industrie, Handwerk und Dienstleistung, wie Unternehmen zu bunten Eiern werden: anders, unverwechselbar, einzigartig.](/img/80x/Werbebox/71215bc69477525b40eb62de7993fe6b.gif)
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![Photo: Ralf R. Strupat](/img/80x105/Werbebox/5470865fadfa8106eeaadd151f41f123.jpg)
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