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Doch leider ruckelt es heute im System ordentlich und der return on invest gilt zunehmend als fraglich. Das Marketing sieht sich in wachsendem Maße mit der Frage der kommunikativen Wertschöpfung konfrontiert und begreift, dass es ein „Augen zu und durch“ nicht mehr geben kann. Das Controlling rüstet auf, neue Mittel und Wege zur Zielgruppe werden erkundet. Hinter den Kulissen heißt es längst „Stop running a changing system!“ So lange die Zahl der Akteure und Botschaften in der Massenkommunikation noch überschaubar war, konnte Werbung noch zur Zielerreichung beitragen. Die Aufmerksamkeitspotenziale einer kommunikativ bedrängten und stark individualisierten Gesellschaft erreicht sie indes nicht mehr.
Die Überforderung der Werbung
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht überhaupt nicht darum, klassische Werbung als wirkmächtiges Kommunikationsinstrument in Frage zu stellen. Werbung kann erheblich dazu beitragen, Aufmerksamkeit für Marken und Produkte aufrecht zu erhalten oder diese kurzfristig in eine bestimmte Richtung zu lenken. Es setzt sich nur die Erkenntnis durch, dass klassische Werbung nicht dafür bestimmt ist, die Anforderungen vor den Marken heute stehen kommunikativ erfolgreich zu bearbeiten. Im Gegenteil: Dort wo in der Markenführung das Besteck des Feinmechanikers gefordert ist, kann das grobe Gerät der Werbung schnell ins Leere fassen oder gar Schaden bewirken. Das gilt umso mehr für den Markenaufbau.
Wer erinnert sich nicht an die Werbeschlachten der Energieversorger zur Liberalisierung der Strommärkte als die Pro-Kopf-Akquisitionskosten der Unternehmen mitunter auf den Wert einer Mittelklasselimousine schnellten. Wenn am Ende einer solchen Kampagne allenfalls die achselzuckende Erkenntnis steht, dass Strom rot oder gelb sein kann, sind die gewünschten Markenwerte immer noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Verbraucher, die der Feldzug aus der „Versorgungsgemeinschaft“ brechen sollte, zogen sich vor den „Raubrittern“ in Scharen in die schützenden Arme der Stadtwerke zurück. Nicht verstanden wurde, dass Kommunikation hier wesentlich rationaler argumentieren hätte müssen. Klar ist: Mit den gängigen Formeln der Markenführung werden die neuen Herausforderungen nicht zu bewältigen sein.
Rohrkrepierer
Folgt man der Argumentation der Markenartikler, gründen Kraft und Differenzierung ihrer Marken vor allem in der besonderen Innovationsfähigkeit. Allein die Player im Markt schnelldrehender Konsumgüter investieren etwa 14 Milliarden Euro per Anno in neue Produkte. Man sollte meinen, dass es darüber gelingen sollte, Verbraucher zur Produkttreue und zur Akzeptanz höherer Preise zu überzeugen. So weit kommt es jedoch erst gar nicht. Denn die Flop-Rate bei Neueinführungen ist inzwischen auf beängstigende 70 Prozent hochgeschossen. Die Gründe des Scheiterns sind vielfältig. Oft lassen die Neuheiten den Innovationswert vermissen, manchmal hat man auch nur nicht verstanden, den Preis realistisch anzusetzen. Große Mängel werden allerorten in der Kommunikation diagnostiziert. So lassen die GfK-Daten erkennen, dass die sich Veränderungen in der Medien- und Verbraucherlandschaft nicht im Targeting abbilden. Nicht selten arbeiten Unternehmen mit Zielgruppendefinitionen wie es sie schon vor 30 Jahren gab. Da ist natürlich kein Platz für hybride Konsumenten und deren nicht minder hybride Mediennutzung. Wer so nachlässig plant, darf sich nicht wundern, wenn darüber irgendwann auch die Dachmarke beschädigt wird. Werbedruck kann diese Schwächen übrigens nicht ausgleichen. Studien zufolge gibt es zahlreiche Innovationen, die sich mit geringen Budgets, aber über einen differenzierten Mediamix und neue Formen der Ansprache, erfolgreich am Markt platzieren konnten.
Markenkonfusion
In allen Industriestaaten gelangen die großen Herstellermarken unter den Druck konkurrierender Handelsmarken. Verbraucher haben gelernt, dass der qualitative Führungsanspruch den die Werbung der Originalmarken beansprucht, einer kritischen Überprüfung selten standhält. Dabei haben wir es nicht mit einem werblich vermittelten Learning zu tun. Werbebudgets der Handelsmarken standen zu keinem Zeitpunkt in Relation zu den Investitionen der Herstellermarken. Nein, aufgeklärte Verbraucher haben dies vor allem über Medien und die Good Offices des Verbraucherschutzes gelernt. Neue Handelsformen geben ihnen die Möglichkeit, wann sie wollen, wo sie wollen, zum besten Preis ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Zu jedem Produkt und zu jeder Dienstleistung können sie sich online informieren und in Verbrauchercommunities austauschen. Hinzu kommt eine nicht zu unterschätzende Verifizierung von Produkten und Leistungen im eigenen Erleben. Ein Unternehmen wie die Drogeriekette dm ist werblich zwar kaum existent, hat es aber geschafft, ein so großes Vertrauen in die Dachmarke zu errichten, dass alle Handelsmarken davon profitieren. Und wie gelingt dies dem Unternehmen? Es unterhält eine vorbildliche interne Kommunikation und stellt sicher, dass Kunden auf zufriedene und gut informierte Mitarbeiter treffen. Es hat einen CEO, der zu gesellschaftlichen Anliegen Stellung bezieht und hohe Medienaufmerksamkeit genießt, weil er dabei so gar nicht in die Schublade des klassischen Unternehmers passt. Es versorgt seine Kunden vorbildlich mit Produkt- und Preisinformationen. Es zeigt insgesamt wohltuend Eigensinn, den die Medien gerne thematisieren. Bekennende Markenartikler wie Masterfoods und Procter & Gamble haben längst eingesehen, dass der Kampf um das Konsumentenvertrauen immer weniger mit den aufdringlichen Mitteln der klassischen Werbung zu gewinnen ist und suchen nach neuen Wegen.
No Logo!
Während in der Fantasie der Kreativen Marken noch makellose heroes der Konsumwelt sind, repräsentieren sie für Globalisierungskritiker und große Teile meinungsbildender Öffentlichkeit eine Bedrohung gesellschaftlicher Werte. Während Regierungen sich zunehmend aus finanzieller Not aus öffentlichen Aufgaben zurückziehen müssen, steht die Industrie immer öfter bereit, gesellschaftliche Aufgaben zu übernehmen. Unter dem Label „Corporate Social Responsibility“ (CSR) werden Museen erhalten, Schulen ausgestattet, Regenwälder aufgeforstet. Ohne Zweifel bewegen sich diese Unternehmensengagements auf der selben normativen Grundlage, die auch für den normalen Bürger gilt. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass für das Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung nie reiner Altruismus sein darf, sondern immer auch ein business case sein muss. Die Mindestanforderung an CSR ist in jedem Fall, die „licence-to-operate“ zu erhalten, wenn möglich sogar einen Wettbewerbsvorteil aus dem Engagement ableiten zu können. Alles andere würde der wirtschaftlichen Zweckbestimmung eines Unternehmens auch zuwiderlaufen. Marken werden darüber verstärkt als einflussreiche gesellschaftliche Player erlebt. Die begleitende Markenwerbung wirkt hier unbeabsichtigt als Vergrößerungsglas der realen Bedeutung. Während die Aktivitäten der Markenartikler in der von den Medien vermittelten Wirklichkeit zunehmend kritisch auf die Meinungsbildung einwirken, führen die Marken in den überdimensionierten Scheinwelten der Werbung weiterhin ihre frohe und naive Existenz. Marken, die sich gesellschaftlich engagieren, müssen lernen, hier für mehr Stimmigkeit zwischen ihrer corporate governance und ihren Kommunikationsauftritten zu sorgen.
Absturz in die Vertrauenslücke
Klassische Werbung steckt heute in einem tiefen Vertrauensproblem. Die Auftrittsformen der Werbung streben nach Omnipräsenz. Sie wollen nichts dem Zufall und der informationellen Selbstbestimmung überlassen. Sprache und Auftritt der Werbung adressieren nur selten den aufgeklärten Verbraucher. Die Menschen haben gelernt, dass Werbung vor allem auf kurzfristige Wirkung, Überzeugung und Verkaufen, ausgerichtet ist und dabei auch vor Irreführung und Manipulation nicht zurückschreckt. Was bleibt: Der Verbraucher schätzt vielleicht noch den Unterhaltungswert der Werbung, erwartet von ihr aber weder Authentizität noch Glaubwürdigkeit. Mehr noch: Er weiß, dass er ihren Versprechungen misstrauen muss. Und die Unternehmen wissen um den geradezu inflationär schwindenden kommunikativen Wert von Werbung und suchen zunehmend nach Alternativen. Leider finden sie diese nur selten in den Agenturen. In vielen Agenturen redet man sich immer noch ein, dass die Krise der klassischen Werbung nur von vorübergehender Natur ist. Und das Umfeld der Mediaagenturen und Verlage müht sich redlich, Zuversicht zu vermitteln. Die kreative Kraft reicht vielfach nicht mehr zur Selbsterneuerung und Neueinordnung der Werbung im Kommunikationsmix der Markenführung. Aber viele Könige in den Agenturen wollen die Zeichen an der Wand, quasi ihr letztes 18/1, nicht zur Kenntnis nehmen.
Harte Landung in der kommunikativen Realität
Offenbar hat die Großoffensive der Marketingabteilungen und ihrer Agenturen auf das Bewusstsein der Verbraucher ihr Ziel, Menschen für Marken und Konsum mürbe zu machen verfehlt. Im Gegenteil: Der Totalitarismus der Markenwelten mit seinen Gleichschaltungen, seiner globalen Semantik und Dauerpräsenz scheint vor allem die Konsumentendemokratie genährt zu haben. Die Realität ist nicht so schlicht, wie es die Markenwelten vermitteln wollen. Im Gegenteil: Die Welt ist kompliziert und widersprüchlich und die Butterfahrten der Werbung in die heile Welt der Marken können immer weniger überzeugen.
Die Idee der Marke steckt in der Sackgasse, auch weil sie bis heute vor allem mit den Erkenntnissen und Mitteln der Psychologie verfolgt wird. Das mag seinen Ursprung tatsächlich in der frühen Erkenntnis der Markentechnik haben, dass es in der Kommunikation um Wahrnehmung, um Affekte und Überzeugungsvermögen geht. Nur mit den Mitteln der Psychologie lässt sich Marken jedoch kein Sinn und Wertgehalt entnehmen. Erst wenn Marken soziologisch verstanden werden, nach ihren sozialen Entstehungsbedingungen und ihren Beziehungen gefragt wird, besteht eine reale Chance ihre fundamentale Funktion, Orientierung und Vertrauen zu bilden, wieder herzustellen. Das setzt jedoch zunächst einmal voraus, dass die Leerformel von der „Markenpersönlichkeit“ neu gefüllt wird. Eine Marke, die sich als sozialer Akteur versteht, muss Werte repräsentieren und diese gesellschaftlich vertreten. Sie muss sich dem Risiko der dialogischen Kommunikation stellen.
Wer „a brand like a friend“ werden möchte, muss dialogfähig werden und sich einer kritischen Überprüfung seiner Aussagen stellen. Oder um es mit den Worten des früheren Shell-Managers John Jennings zu sagen: “It’s a CNN world. And that means it’s a show me world, and not the trust me world of the past.”
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Geburt von Marken
von Carsten Busch, Günter Käfer, Thomas Schildhauer
Jahr für Jahr werden zehntausende von Marken neu zum Schutz angemeldet. Aber durch welche Botschaften, mit welchen Instrumenten kann man eine Marke der Zielgruppe nahe bringen und die eigene Besonderheit nachhaltig verdeutlichen?