Fachartikel, 25.09.2006
Perspektive Mittelstand
Leitfaden „elektronische Marktplätze“ – Teil 1
Bedeutung des Marketing für elektronische Marktplätze
Mittlerweile sind nahezu alle Branchen durch elektronische Marktplätze abgedeckt mit der Folge eines intensiven Verdrängungswettbewerbs. Mehrteiliger Leitfaden über erfolgskritische Faktoren im Marketing für elektronische Marktplätze.
Der Stellenwert des Marketing als kundenorientierte Führungskonzeption zur Schaffung und Erhaltung langfristiger Geschäftsbeziehungen nimmt für elektronische Marktplätze (EMP) zu. Diese müssen aufgrund der Marktkonsolidierung und des Eintritts marktfremder Konkurrenten selbst Marketing betreiben, um Kunden zu gewinnen und zu binden.

Die Marketingziele von EMP bestehen daher zum einen in der Kundenakquisition, d.h. dem Finden von Teilnehmern, die zur Exploration und zum Testen des Marktplatzes angeregt werden. Zum anderen besteht das Ziel in einer Kundenbindung, um passive Teilnehmer (observer) zu dauerhaft aktiven Teilnehmern (traders) zu machen (Grewal/Comer/Mehta 2001).

Das Ziel der Kundenakquisition steht primär zu Beginn des Lebenszyklus eines Marktplatzes, d.h. nach der Gründung, im Vordergrund, um schnell eine kritische Masse von Teilnehmern zu erreichen. Die ist notwendig, um den Marktplatz durch sog. Netzeffekte attraktiv zu machen. Netzeffekte stellen positive Nutzenexternalitäten dar und sind das eigentlich konstituierende Prinzip von EMP, da deren Nutzen für einen Teilnehmer von der Anzahl anderer Akteure abhängt, die ebenfalls auf dem EMP aktiv sind (Shapiro/Varian 1999).

Der Netznutzen entsteht hauptsächlich aus der Menge und der Art der gehandelten Güter, weshalb das Handelsvolumen zu Beginn das entscheidende Kriterium für die Teilnahme darstellt. Je mehr Nachfrager ein Markplatz hat, desto größer ist der Anreiz für einen Lieferanten, seine Leistungen dort ebenso anzubieten. Außerdem wird der Marktplatz für Anbieter komplementärer Komponenten interessant. Je größer und differenzierter wiederum das Angebot ist, desto höher ist der Netznutzen und desto attraktiver wird der EMP für jeden potentiellen Nachfrager (Wirtz/Olderog/Mathieu 2003).

Eine schnelle Kundenakquisition ist in der Anfangsphase deshalb der wichtigste Erfolgsfaktor eines EMP. Bei etablierten Marktplätzen, deren installierte Basis an Teilnehmern die kritische Masse überschritten hat, wird die Kundenbindung zum zentralen Marketingziel. Es geht nun darum, über der kritischen Masse zu bleiben und eine Abwanderung der Kunden zu verhindern.

Umfassende Studien führender Analystenhäuser (eMarketer 2003; NFO Infratest 2003) und wissenschaftlicher Institute (vgl. Day/ Fein/Ruppersberger 2003; Migalk et al. 2004) zum Stand der EMP bestätigen, dass sich der Markt für EMP, zumindest in Europa und Amerika, in der Reifephase befindet und der überwiegende Teil das Problem des Erreichens der kritischen Masse gelöst hat. Da außerdem alle Branchen nahezu lückenlos durch EMP abgedeckt sind, herrscht ein Verdrängungswettbewerb mit der Folge hoher Wettbewerbsintensität.

Viele der untersuchten Marktplätze haben die Notwendigkeit eines Relationship Marketing erkannt, worauf die Budgetzahlen hinweisen. So hat bei einigen Betreibern die Budgetposition „Support und Beratung“, die überwiegend der Beziehungspflege dient, den größten Anteil am Gesamtbudget erreicht, wobei dieser auch weiter steigen wird.

Für die hohe Bedeutung des Kundenbindungsziels sprechen auch ökonomische Überlegungen. Reichheld/ Sasser (1990) haben empirisch nachgewiesen, dass gerade für Unternehmen mit hohem Fixkostenanteil und variablen Kosten von nahe Null, wie es für EMP typisch ist, eine Erhöhung der Kundenbindungsquote um nur 5% die Gewinne um bis zu 85% steigern kann.

Kundenbeziehungsmarketing kann als der „Megatrend“ für EMP bezeichnet werden (Albers/ Ratschow 2001; Berlecon Research 2001; Migalk et al. 2004). Das primäre Ziel besteht im Erreichen einer Wiederholung von Transaktionen durch die Schaffung langfristiger Kundenbindung. Dies deutet an, dass sich der Focus von der einmaligen Transaktionsanbahnung zur effizienten Abwicklung und einer umfassender After Sales-Unterstützung verschiebt, um Anreize für wiederholte und häufige Transaktionen zu schaffen. Die Teilnehmer werden langfristige Austauschbeziehungen nur dann auf einem Marktplatz aufrechterhalten, wenn dieser einzeltransaktionsübergreifende Mehrwertdienste und Zusatznutzenfunktionen anbietet, d.h. zum Full Service Provider wird (Albers/Ratschow 2001; Berlecon Research 2001; Laseter/Long/Capers 2001).

Eine effiziente Transaktionsvermittlung ist langfristig für eine umfassende Nutzenstiftung daher nicht ausreichend. Die Grundfunktionen werden mehr und mehr zu selbstverständlichen Minimumfaktorten. Dies ist auch dadurch bedingt, dass diese Transaktionsfunktionen im Verlauf des Lebenszyklus der EMP zunehmend im Markt standardisiert sind. Eine kostengünstige und den individuellen Ansprüchen gerecht werdende Vermittlung von Transaktionspartnern wird im Prinzip von allen Marktplätzen garantiert. Die Matching-Funktionen haben außerdem nur ein geringes strategisches Potential, da nach Partnerfindung Folgetransaktionen prinzipiell offline weitergeführt werden können.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Lesen Sie in Kürze im zweiten Teil des Leitfadens über die Bedeutung Relationship-Marketing zur Steigerung der Kundenbindung und welchen Prinzipien das Relationship-Marketing folgen sollte.
ZUM AUTOR
Über Universität Mannheim
Universität Mannheim
Fakultät für Betriebswirtschaftslehre
68131 Mannheim

+0621-181-1467
WEITERE ARTIKEL VON UNIVERSITÄT MANNHEIM
Über Perspektive Mittelstand

Die Perspektive Mittelstand ist eine unabhängige, branchenübergreifende Business-Plattform zur Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen und ihrer Mitarbeiter. Ziel der Initiative ist es, über hochwertige Informations-, Kommunikations- und Dienstangebote rund um den unternehmerischen und beruflichen Alltag die Wissensbildung, Kommunikation und Interaktion von und zwischen Existenzgründern, Unternehmern, Fach- und Führungskräften und sonstigen Erwerbstätigen zu unterstützen. Weitere Informationen zur Perspektive Mittelstand unter: www.perspektive-mittelstand.de