Fachartikel, 06.11.2006
Perspektive Mittelstand
Vertrieb und Verkauf
Kundenakquise - die unverblümte Wahrheit über "Kaltakquise"
Keine andere Form der Kundenakquise wurde und wird so häufig diskutiert, gelobt oder verteufelt wie die Kaltakquise als Methode der Terminvereinbarung und des Verkaufens.
Kaltakquisition bzw. Kaltakquise bezeichnet die für den Adressaten unverhoffte und ungeplante Kontaktaufnahme am Telefon oder „an der Haustür”. Viele Trainer postieren die Kaltakquisition - insbesondere die am Telefon - als probates Mittel zur Neukundengewinnung. Kein anderes Thema ist so oft Inhalt von Verkäuferschulungen und einschlägiger Lektüre. Die Erfolge mögen einmal wirklich unübertroffen gewesen sein. In Zeiten, wo Kunden dankbar für jede Information zu neuen Produkten und Dienstleistungen waren.

Trotz allem scheint die Bedeutung der Kaltakquisition stetig zuzunehmen, in Anbetracht des rasanten Wachstums interner und externer Call Center. Nun gut. Jedem das Seine.

Ich selbst wage von mir zu behaupten, ein ausgesprochen guter kalter „Telefonator” zu sein. Trotzdem halte ich die Telefonakquisition per se für ausgesprochen kontraproduktiv, wenn es darum geht, sich erfolgreich im Vertriebswettbewerb und beim Gewinnen von neuen Kunden zu behaupten. Doch bewerten Sie selbst. Nachfolgend sieben Anregungen:

1. Kaltakquisition „läuft über”.

Für die kalte Akquisition werden bevorzugt freie, allgemein zugängliche Adressen und Namen herangezogen. Adressdatenbestände mit immer den gleichen Namen sind, nicht zuletzt aufgrund des heuschreckenschwarmartigen Aufkommens der Call Center, ein Wirtschaftsgut geworden. Dort finden sich im b-2-b-Bereich bevorzugt Personen in Entscheidungspositionen aus Einkauf, Produktion, Fertigung, Real Estate, IT, Vertrieb, Marketing, Controlling und Organisation. Geschäftsführer und Vorstände sind - WWW sei Dank – in jedem Impressum genannt. 5-10 „kalte” Anrufe pro Tag sind in diesen Personenkreisen keine Seltenheit.

Glauben Sie wirklich, so gut, so interessant, so einzigartig, so sprachgewandt oder so „sexy” zu sein, um mit einem vertretbaren Aufwand ausreichend Gehör zu finden? Was macht Sie so sicher, dass gerade Ihre – antrainierte - Ansprache erfolgreich sein kann? Haben nicht viele Entscheider, ähnlich einem Spamschutz im Internet, schon längst ihre Kriterien für die Auswahl getroffen, mit wem sie reden möchten und mit wem nicht? „Kann sein,...” mögen Sie sagen, „ich habe schon VIELE Termine am Telefon kalt vereinbaren können”. Meine Antwort: In der Vergangenheit. Die Konkurrenz um freies Gehör hat zugenommen. Mehrere tausend Outbound-Call-Agents sind dazu gekommen. Und es werden jeden Tag mehr. Nicht so gute wie Sie vielleicht; aber sie vergraulen Ihre Zielgruppe. Immer noch nicht überzeugt? Gut, dann lesen Sie weiter.

2. Haben Sie wirklich die Zeit, so viele Anrufe zu tätigen, wie Sie für Ihre Zielerreichung benötigen?

Sie erreichen maximal eine Person! Ein Anruf ist noch lange kein Termin, ein Termin heißt noch lange nicht wahres Interesse, ein Angebot ist noch lange kein Auftrag.

Oder umgekehrt: Wie viele Aufträge brauchen Sie für Ihre Zielerreichung? Wie viele Angebote brauchen Sie für einen Auftrag? Wie viel Termine brauchen Sie für ein passendes Angebot bei einem kaufwilligen Interessenten? Wie viele kalte Anrufe brauchen Sie für einen Termin?
Mit Kaltakquisition haben Sie gar keine Zeit, Ihre Ziele zu erfüllen.

Nennen Sie mir auch nur einen Top-Verkäufer in dieser Welt - egal ob bei einer kleinen oder großen Firma und egal in welcher Branche - der seine Ziele mit Kaltakquisition erreicht. Sie werden keinen mehr finden! Erfolgreiche Verkäufer arbeiten anders (bewusst, meistens unbewusst).

3. Die meisten und besten Aufträge werden nicht durch Kaltakquisition generiert!

Kaltakquisition generiert keine qualifizierten Leads (Interessenten). Was sie ermittelt, sind Resistente, die jeden Anruf aufnehmen und gleichzeitig freundlich abwimmeln. Weniger Resistente, die sich zunächst Infomaterial zuschicken lassen, um Sie dann abzuwimmeln. Nicht-Entscheider, Zeithabende oder Wichtigtuer, die Ihnen und Ihrer Firma wertvolle Zeit und Geld rauben, wenn sie Ihnen einen Termin geben. Übrigens bevorzugte Zielobjekte und regelmäßiger Inhalt von Erfolgsmeldungen externer und interner Call-Agents. Und die Termine? Sch...-Termine!
Wenn Sie Glück haben - und ich meine das ernst - erhalten Sie die Antworten: „Kein Bedarf”, „Hab schon”, oder „Rufen Sie in 3 Monaten noch mal an”. Sie sparen Zeit und erfolglose Gespräche. Aber dann hätten Sie sich die Akquisition gleich sparen können.

Die Entscheider, die tatsächlich etwas vorhaben, die auf der Suche sind, die kaufen wollen und müssen, die Interesse haben und bestrebt sind, vorrangig das Geschäft mit Ihnen zu machen, bleiben Ihnen bei Kaltakquisition meist verwehrt. Sie beauftragen woanders.

4. Kaltakquisition zerstört Sie und Ihre Kunden!

Es gibt keinen passenden Moment für Kaltakquisition. Sie stört und zerstört jegliche Basis erfolgreicher Partnerschaften.

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Ein Beispiel
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Stellen Sie sich bitte vor, Sie seien ein Top Manager mit einer 10-seitigen To-Do-Liste, 4 Meetings pro Tag, 50.000 km im Auto pro Jahr, 300 Flugstunden und 3-5 Tonnen ungebremsten Investorendruck. Sie betreiben intensives Zeitmanagement, um wenigsten einmal in der Woche Ihre Kinder zu Bett zu bringen oder ausgeruht Ihre Frau zu befriedigen. Sie nehmen den Telefonhörer ab, weil ihre Assistentin den Job verfehlt hat und hören:

„Guten Tag, mein Name ist Schmidt, Hansjörg Schmidt, Mirage Unternehmensberatung! Es geht um Vertrieb und Absatz. Ich möchte gerne einen Termin mit Ihnen vereinbaren, um über Ihren Vertrieb zu sprechen und wie wir die Performance noch in diesem Geschäftsjahr deutlich steigern können. Wie wäre es mit Mittwochnachmittag oder Donnerstagmorgen. Da bin ich sowieso in Ihrer Nähe. Wann passt es Ihnen am besten? Darf ich Sie vielleicht in drei Tagen noch einmal anrufen? Möchten Sie vielleicht zunächst Informationsmaterial? Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Können Sie mir noch weitere Ansprechpartner nennen? ......”

Selbst wenn der Ansprechpartner aktuellen Bedarf haben sollte, wird er Sie nicht ernsthaft berücksichtigen, denn:

5. Kaltakquisition vernichtet unwiderruflich Ihren Status als gleichwertigen Geschäftspartner!

Sie betteln um Gehör und vermitteln den Eindruck, nichts Besseres zu tun zu haben. Wichtige Leute haben es aber gerade nicht nötig! Sie verschwenden keine Zeit und beschäftigen sich ausschließlich mit Erfolgsversprechendem.

Und genau bei denen kaufen bevorzugt die Kunden. What a pity! Psychologie, 3. Semester.
Warum machen Verkäufer, wenn sie im Juli oder August ihre 100% Zielerfüllung erreicht haben, locker noch ihre 150 oder 200%? Glück, Zufall, gute Stammkunden, intensive Kaltakquisition?

6. Kaltakquisition kann Sie mit dem Gesetz in Konflikt bringen.

In Deutschland ist es das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das in § 7 die sogenannten „Unzumutbare Belästigungen” definiert und verbietet. In der aktuellen Fassung vom 3. Juli 2004 heißt es dort:

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(1) Unlauter im Sinne von § 3 handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt.

(2) Eine unzumutbare Belästigung ist insbesondere anzunehmen bei einer Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der Empfänger diese Werbung nicht wünscht; bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung; bei einer Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten oder elektronischer Post, ohne dass eine Einwilligung der Adressaten vorliegt; bei einer Werbung mit Nachrichten, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Nr. 3 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.

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Auch wenn, insbesondere im business-to-business Bereich (b-2-b), also in der Ansprache gewerblicher Zielkunden, ein Einverständnis des Adressaten zunächst gemutmaßt werden kann und auch die neuesten BGH-Urteile eine kleine Bresche für die Akquisiteure schlagen, bewegt sich der Akquisiteur ständig an der Grenze der Belästigung. Deutsches Recht hin oder her.

7. Kaltakquisition macht keinen Spaß!

Wie soll ein Verkäufer erfolgreich etwas tun - nämlich am Telefon oder an der Tür verkaufen - was ihm keinen Spaß macht? Verkäufer hassen Kaltakquisition.
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