Fachartikel, 28.07.2006
Perspektive Mittelstand
Bildung und Beruf
Das Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Blauäugigkeit kann teuer werden
Ohne Übergangsfrist tritt am 1. August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Vor allem Arbeitgeber sollten das neue Gesetz ernst nehmen - sonst kann es für sie richtig teuer werden.
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Auf solche und ähnliche Formulierungen sollten Arbeitgeber auf der Suche nach neuen Mitarbeitern zukünftig besser verzichten. Denn diese Stellenausschreibung verstößt gleich dreifach gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Benachteiligungen aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität beseitigen soll und zum 1. August 2006 in Kraft tritt. Reicht ein abgelehnter Bewerber aufgrund dieser Annonce Klage wegen Diskriminierung ein, kann das für ein Unternehmen richtig ins Geld gehen.

Das AGG gilt in allen Phasen des Arbeitsverhältnisses

Da das Gesetz umfassenden Schutz vor Diskriminierungen im Arbeitsleben bieten soll, greifen die Vorschriften eigentlich in allen nur denkbaren Bereichen rund um das Personalwesen. Angefangen bei Stellenausschreibungen, Auswahlkriterien, Einstellungen bzw. Absagen, Beschäftigungsbedingungen, Arbeitsentgelt, Arbeitsverträgen und Arbeitszeugnissen über Beförderungen, Aus- und Weiterbildungen, Umschulungen und Kündigungen bis hin zur Mitgliedschaft in Gewerkschaften oder Verbänden.

Beweislast liegt beim Arbeitgeber

Fühlt sich ein Arbeitnehmer benachteiligt, muss er diese Behauptung mit Hilfe von Indizien untermauern. Im nächsten Schritt ist dann der Arbeitgeber am Zug. Er steht nun vor der wesentlich schwierigeren Aufgabe beweisen zu müssen, dass kein Verstoß vorliegt.

Wird ein Arbeitnehmer bei der Ausübung seiner Tätigkeit durch Dritte benachteiligt, kann es passieren, dass auch hier der Arbeitgeber den Kopf hinhalten muss und für deren Handlungen haftbar gemacht werden kann.

Das kann richtig teuer werden

Fühlt sich ein Arbeitnehmer benachteiligt, hat er das Recht, sich bei den zuständigen Stellen im Unternehmen zu beschweren. Tritt keine Besserung ein, kann der Arbeitnehmer seine Arbeit niederlegen, ohne den Verlust seines Lohnes befürchten zu müssen (Leistungsverweigerungsrecht).

Kommt es zum Äußersten, sehen sich die Parteien vor Gericht wieder. Wird der Prozess vom Arbeitgeber verloren, können erhebliche Kosten auf diesen zukommen. Neben Anwalts- und Gerichtskosten können vom Arbeitnehmer auch Schadensersatz- und Entschädigungszahlungen geltend gemacht werden. Entschädigungszahlungen sind hier vom Gesetzgeber weder nach oben, noch zeitlich begrenzt. Für den Arbeitgeber bedeutet das im schlimmsten Fall, dass er dem Arbeitnehmer bis zu dessen Renteneintritt finanziell verpflichtet ist.

„To-Do-Liste“ für Unternehmen

Gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Um sich unnötigen Ärger und Kosten zu ersparen, sollten sich Unternehmen auf das AGG vorbereiten.

Mitarbeiter und Führungskräfte schulen

Mitarbeiter und Führungskräfte sollten über die Neuregelungen des AGG informiert werden und bei Bedarf an entsprechenden Schulungen teilnehmen. Beschwerdestelle oder Ansprechpartner
Zudem sollte jedes Unternehmen eine Beschwerdestelle einrichten bzw. Ansprechpartner benennen, an die sich betroffene Mitarbeiter wenden können.

Dokumentation ist Pflicht

Alle relevanten Vorgänge – beispielsweise auch Schulungsbescheinigungen der Mitarbeiter oder Protokolle von Vorstellungsgesprächen – sollten schriftlich festgehalten werden. Das bedeutet viel Papierkram, doch im Fall eines Falles kann auf handfeste Beweise zurückgegriffen werden.

In alten Unterlagen wühlen

Sämtliche Unterlagen des Unternehmens - Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge oder Vergütungssysteme – sollten von Experten auf mögliche „Diskriminierungsfallen“ durchgesehen werden.
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