Fachartikel, 11.07.2007
Perspektive Mittelstand
Management (allgemein)
Customer Discovery for new Business - Kunden neu entdecken, neue Märkte schaffen
Eine Bank verleiht Geld an Menschen ohne Geld, ein Spielwarenhersteller erschließt Führungskräfte als neue Kundenzielgruppe und ein Fitnessstudio spezialisiert sich auf Unsportliche – und alle sind in ihrem Business sagenhaft erfolgreich! Der Grund hierfür ist: All diese Unternehmen haben es verstanden, über bis dato unerfüllte Kundenbedürfnisse neue Märkte erschließen. Sie haben sich nicht den bestehenden Regeln unterworfen, sondern vielmehr für sich ganz neue, eigenen Spielregeln bestimmt.
Es gibt Geschichten, die uns jubilieren lassen. Sie lesen richtig: JUBILIEREN. Die geschieht immer dann, wenn wir Menschen sehen, hören oder sprechen, die sich leidenschaftlich für eine coole und rebellische Idee begeistern. Die nicht warten, bis die Erlaubnis zum Handeln auf dem Silbertablett serviert wird, sondern einfach loslegen. Umso mehr waren wir begeistert, als wir Mitte des Monats gehört haben, dass ein Mensch dafür sogar den Friedensnobelpreis erhalten kann. Die Rede ist von Muhammad Yunus und seiner Grameen Bank. Wir sind vor ungefähr vier Jahren über diesen Mann und seine Idee "gestolpert", haben ihn in unserem Buch Different Thinking! portraitiert und sind seitdem wie elektrisiert.

"In den Dörfern verhungerten die Menschen, während ich an der Universität meine klugen Vorlesungen über wirtschaftliche Zusammenhänge hielt." Die Geschichte von Muhammad Yunus beginnt mit diesem Gedanken. Und mit einer Frau im ländlichen Bangladesh, die Bambusstühle in Schuldknechtschaft herstellte. Um sich daraus freizukaufen und ihr
Geschäft auf eigene Beine zu stellen, fehlten ihr 25 Cent. Yunus gab sie ihr.

Eine Bank macht sich auf, die Armut zu beenden

Ebenso wie dieser Frau ermöglichte der Wirtschaftsprofessor mit seinen Studenten wenig später 42 weiteren Frauen dieses Dorfes eine Zukunft als Unternehmerin. Das Investitionsvolumen: ganze 27 Dollar. So entstand die Grameen Bank - ein Finanzinstitut, das sich zum Ziel gesetzt hat, mit Minikrediten den Teufelskreis aus Wucherzinsen, Pfändung und Armut zu durchbrechen.

Mittlerweile hat die Bank 2,4 Millionen Menschen in Bangladesh geholfen. Die meisten der Darlehensnehmer sind Frauen, weil sie ihre Schulden und Zinsen diszipliniert zurückzahlen und aus eigener Erfahrung wissen, dass damit wieder anderen geholfen werden kann. "Kredit ist ein Menschenrecht", sagt Yunus über sein Erfolgsmodell, das inzwischen in
vielen Entwicklungsländern kopiert wird.

Die Idee der Minikredite wurde lange Zeit von wichtigen Playern im Bereich der Entwicklungshilfe (der Weltbank u.a.) als "Peanuts" abgelehnt, denn schließlich gehe es um signifikante Darlehen für Großprojekte. Wie wir heute wissen, waren die signifikanten Darlehen vor allem eines: Die Eintrittskate zu einem Höchstmaß an Korruption....

Business-Querdenken in seiner höchsten Form

Auch im Hinblick auf angewandtes Querdenken ist die Grameen Bank ein vorbildhaftes Beispiel. Denn sie hat es gewagt, ein scheinbar unumstößliches Branchengesetz in Frage zu stellen. Die Grameen Bank vergibt an Kunden Geld, die von normalen Banken nicht mit der Kneifzange angefasst werden würden: Arme Menschen. Genauer gesagt: Arme Frauen, die von Grameen als Treiber für eine bessere Zukunft gesehen werden. Yunus schreibt dazu in seinem Buch Banker to the Poor: "Es sind nicht die Menschen, die nicht kreditwürdig sind, sondern die Banken, die nicht menschenwürdig sind."

Bauklötzchen für die Führungskraft

Sobald ein Unternehmen beschließt, das Blickfeld über die engen Grenzen des Wettbewerbs hinaus zu richten, ergeben sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten. Dieser neue Blickwinkel macht das Sichtfeld frei, um mit wertschöpfenden neuen Ideen ganz neue Märkte zu schaffen, wo es keine Konkurrenz gibt. Diesem Prinzip ist nicht nur die Grameen Bank gefolgt, sondern auch der dänische Spielwarenhersteller Lego. Allerdings verleiht Lego seine bunten Bauklötzchen nicht an Kinder in Bangladesh, sondern man hat sich auf ein anderes unbekanntes Territorium vorgewagt: Legosteine für Manager.

Das passt eigentlich nicht mit der Vorstellung zusammen, die man von Führungskräften hat. Die spielen nicht – oder doch? Zwar erscheinen einige Vorstandsetagen höchst versiert in internen Ränkespielen, aber Spiele mit Plastikbausteinen? Doch es funktioniert: Es gibt spezielle Lego-Sets für Führungskräfte, die damit in die Lage versetzt werden sollen, auf spielerische Art unternehmerische Probleme zu identifizieren und neue Lösungen zu entwickeln.

Serious Play heißt das Konzept. Gespielt – pardon: geworkshopt – wird in der Gruppe und unter Anleitung eines speziell geschulten und von Lego zertifizierten Trainers. Die Mitarbeiter sollen Unternehmens- und Kommunikationsstrukturen mit Hilfe von Bauklötzen visualisieren. Gleicht das Unternehmen eher einer Festung oder einem Rennwagen? Sitzt der Chef hoch zu Ross oder hinter einer verschlossenen Tür im Eckbüro? Nachdem jeder Teilnehmer so die Charakteristika seiner Abteilung im Modell umgesetzt hat, beginnt das Zusammenbauen der Teilmodelle zu einer Einheit. Nach und nach entsteht ein komplexes Unternehmensmodell, das die Unternehmensstrukturen abbildet. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Beziehungen sichtbar, aber auch Probleme. Oft zeigt sich, wo es im Unternehmensverbund hakt. Der Erfolg gibt Lego Recht. Zahlreiche Unternehmen lassen bereits mit LEGO spielen: Nokia ebenso wie Tetra Pak, Varta, Alcatel, Orange oder der IT-Systemintegrator Comparex.

Neue, unentdeckte Kundenpotenziale erschließen

Es geht darum, die traditionellen Käufergruppen der eigenen Branche zu betrachten und sich zu überlegen, wie man das eigene Geschäftsmodell umgestalten müsste, um eine oder mehrere ganz neue Käufergruppen zu erschließen, die bis dahin von der eigenen Branche vollkommen übersehen wurden.

Genau das hat Kieser Training getan und sich mit Hilfe dieser Strategie innerhalb weniger Jahre zum größten Anbieter für gesundheitsorientierte Krafttrainings im deutschsprachigen Markt entwickelt. Kieser spricht mit seiner Dienstleistung nur eine bestimmte Zielgruppe an: Kieserkunden sind in überproportionalem Maße Personen mittleren und fortgeschrittenen Alters der gebildeten Mittelschicht: 80 Prozent der Kunden waren vor Kieser Training noch nie in einem Fitnesscenter!

In deutlicher Differenzierung von den üblichen Fitnessstudios befolgt das Unternehmen das Prinzip der Reduktion auf das Notwendige. Puristisch eingerichtete Trainingsräume, keine Bar, an der Eiweißdrinks verkauft werden, keine Musik, keine Fernseher, keine Aerobic-Kurse oder Yogaklassen. Sauna, Whirlpool oder Massage? Fehlanzeige. Das Motto: Spezialisierung pur auf präventives und therapeutisches Krafttraining zur Förderung der Gesundheit und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Hier geht es nicht um Spaß oder den perfekten Body. Hier wird Körperpflege betrieben, Pflege von Muskulatur und Bewegungsapparat.

Nicht frontal angreifen, sondern clever ausweichen

Das Beispiel Kieser zeigt es: Man kann dem Druck des Kopf-an-Kopf-Wettbewerbs nur entkommen kann, wenn man neue Märkte erobert, die sich von den bisher bedienten Märkten deutlich unterscheiden, so dass man traditionelle Konkurrenten – zumindest zeitweise – weit hinter sich zurücklassen kann. Das Ziel ist nicht, die Konkurrenz frontal anzugreifen, sondern den Mitbewerbern auszuweichen. Die Strategie basiert auf cleverer Umgehung, nicht auf Angriff. Indem man neue Märkte für sich erobert, in denen die Konkurrenz noch nicht ist, schafft man sich praktisch sein eigenes temporäres Monopol. Querdenker gehen davon aus, dass eine Strategie dazu dienen sollte, diese Quasi-Monopole zu schaffen – das steht im Gegensatz zum Denken eines Volkswirtschaftlers, der davon ausgeht, dass ein Monopol ein „Versagen des Marktes" bedeutet. Für Querdenker bedeutet es schlichtweg ein mörderisch gutes Geschäftskonzept.

ZUM AUTOR
Über Kontakt: NO LIMIT - PR und Marketing Steurer
Kontakt: NO LIMIT - PR und Marketing Steurer
Rosenstrasse 12
9430 St. Margrethen

+41-(0)71-7446522
WEITERE ARTIKEL VON KONTAKT: NO LIMIT - PR UND MARKETING STEURER
Über Perspektive Mittelstand

Die Perspektive Mittelstand ist eine unabhängige, branchenübergreifende Business-Plattform zur Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen und ihrer Mitarbeiter. Ziel der Initiative ist es, über hochwertige Informations-, Kommunikations- und Dienstangebote rund um den unternehmerischen und beruflichen Alltag die Wissensbildung, Kommunikation und Interaktion von und zwischen Existenzgründern, Unternehmern, Fach- und Führungskräften und sonstigen Erwerbstätigen zu unterstützen. Weitere Informationen zur Perspektive Mittelstand unter: www.perspektive-mittelstand.de