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Fachartikel, 29.03.2007
Corporate Social Responsibility
Soziale Unternehmensführung - ein Interview
Massenentlassungen, Schmiergeld-Affären und überzogene Management-Gehälter lassen den Ruf der Gesellschaft nach Corporate Social Responsibility und damit werteorientierter und sozialbewußter Unternehmensführung immer lauter werden. Ein Interview mit Dr. rer. pol. Andreas F. Philipp, Dipl.-Kfm., Gründer und Motor der Sinn-Gesellschaft.
Es scheint an der Zeit zu sein, dass wir auf mehreren Ebenen umdenken: Unternehmensleitungen, das Management und nicht zuletzt jeder selbst sind aufgefordert, gesellschaftliche Verantwortung als Teil des eigenen Handelns zu verinnerlichen.

Dr. rer. pol. Andreas F. Philipp, Dipl.-Kfm., ist der Gründer und Motor der Sinn-Gesellschaft. Er setzt sich für sozial verantwortliches Unternehmertum, Social Entrepreneurship, ein. Wie das in unserer Gesellschaft funktionieren soll, erklärte er in einem Kurzinterview.

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Herr Dr. Philipp, Sie vertreten die Meinung, dass soziales Unternehmertum, auch Social Entrepreneurship genannt, uns helfen kann, viele aktuelle Fragen zu lösen. Was meinen Sie damit?
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Dr. rer. pol. Philipp: Die Fragen des 21. Jahrhunderts unterscheiden sich gravierend von denen der letzten hundert Jahre. Da ging es um Wachstum, Produktivitätssteigerung, Effizienz und Massenkonsum. Im 21. Jahrhundert stellen sich jedoch Fragen folgender Art:

::: Wie begegnen wir der extrem schnell wachsenden Schere, die sich zwischen Arm und Reich öffnet — sowohl lokal als auch global. Circa 25.000 Menschen versuchen täglich in Länder der sogenannten ersten Welt “einzureisen”. Die Mittel und Wege dazu sind hinlänglich bekannt. In Deutschland haben wir bereits über drei Millionen Sozialhilfeempfänger. Kinderarmut und Verwahrlosung sind keine Randthemen, sondern tägliche Realität für viele Millionen Menschen in unserem Land. In anderen Industrienationen sieht es ähnlich, zum Teil noch schlimmer aus.

::: Wie begegnen wir den Folgen der Globalisierung? Wie gelingt es uns, den Bedürfnissen sogenannter "emerging markets" gerecht zu werden und gleichsam ökologische und soziale Fragen wirklich ernst zu nehmen?

::: Wie gehen wir mit den Folgen von über 40 aktuellen Kriegen und bewaffneten Konflikten um? Welche Antworten haben wir, wenn wir wissen, dass gut ein Viertel der Menschheit täglich vom akuten Tod bedroht ist?

::: Welche neuen Ideen entwickeln Unternehmen, um die bisher noch nicht erreichten 80 Prozent der Weltbevölkerung am Konsum teilhaben zu lassen? Hier handelt es sich um Menschen, die maximal zwei Dollar pro Tag Einkommen haben; in Summe aber über fünf Milliarden Menschen dieser Erde ausmachen.

Diese Fragen betreffen uns alle. Spätestens seit der "Expansion des Internet" können wir weder so tun, als wüssten wir davon nicht, noch sind wir abgekoppelt von Entwicklungen, die auf der anderen Seite der Erde stattfinden. Wir hängen alle im selben Netz.

Wer das früher versteht, wird bessere Lösungen für die Zukunft entwickeln können — für sich selbst und für andere. Genau dieses "und" ist die Antwort auf Ihre Frage. Social Entrepreneurs haben dies begriffen. Sie agieren wie äußerst effiziente Unternehmer, reduzieren ihren Fokus aber nicht auf die rein monetäre Gewinnmaximierung. Sie sind Unternehmer im besten Schumpeterischen Sinne, in dem sie Lösungen für Probleme suchen, wo alle anderen Akteure versagen. In obigen Fragestellungen sind es Probleme, die weder klassisch Gewinn maximierend denkende Unternehmen, noch der Staat, noch meist zu unprofessionell agierende Hilfsorganisationen übernehmen können. Social Entrepreneurs sind bestausgebildete, höchst engagierte, sehr realitätsnahe und wirtschaftlich denkende Menschen, deren Fokus die "Nutzenmaximierung für alle Beteiligten" ist. Das ist das wirklich Neue.

Ich selbst sehe meine Leistung mehr darin, diese Art von Unternehmern zusammenzubringen, Ihnen zu helfen, möglichst professionell agieren zu können — wenn Sie so wollen, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Auch versuche ich, "klassische Unternehmer" und "Social Entrepreneurs" in den Dialog zu bringen. Im Kern geht es mir um Brücken, die ich zwischen unterschiedlichsten Gruppierungen schlagen möchte. Mein bescheidenes Know-how und meine Zeit stelle ich kostenlos zur Verfügung. Das ist vielleicht ein bisschen mein sozialer Beitrag im Bereich Social Entrepreneurship.

Nehmen Sie zum Beispiel die Aktivität der Stiftung WeltKlasse (www.stiftung-weltklasse.de), gegründet von Herrn Matti Spiecker. Seine Vision ist es, dass jeder deutsche Jugendliche bis zum Alter von 21 Jahren mindestens vier Wochen in einem Entwicklungsland (sozial) gearbeitet hat.

Denken Sie kurz mal darüber nach, welches Nutzenpotenzial in so einer Aktivität steckt. Nehmen Sie dazu gerne die Fragen von oben auf.

Das ist Social Entrepreneurship – Unternehmertum mit großer geistiger Varianz, breiter gesellschaftlicher Verantwortlichkeit und dann ganz fokussierter Handlung.

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Sie sind der Initiator der Sinngesellschaft. Was haben Sie sich auf Ihre Fahnen geschrieben?
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Dr. rer. pol. Philipp: Die Sinn-Gesellschaft — eine private, nicht parteiische und nicht institutionell organisierte Initiative verantwortungsbewusster Unternehmen und Einzelpersonen — hat sich zum Ziel gesetzt, wirklich nachhaltig ethisches Wirtschaften zur obersten Priorität des Handelns zu machen.

Wir verstehen uns als Zusammenschluss geistig reifer Menschen, die verstanden haben, dass wir die Herausforderungen der modernen Weltgesellschaft nur gemeinsam in gegenseitiger Achtung meistern werden und begreift sich als Attraktor, das heißt als Ideen-Geber, Kontakt-Vermittler, geistiger Inspirator, Vernetzer, Konkretisierer und Ermutiger.

Wir sind kein Verein, kein Debattierclub, keine abgeschlossene Institution — wir sind Handelnde. Das Leitmotiv der Sinn-Gesellschaft ist "Vorbild durch Vorleben". Anstelle noch mehrerer Ausschüsse, Gremien, Kommissionen, Institutionen etc. möchte die Initiative mit bescheidenen aber ebenso überzeugenden persönlichen Schritten zeigen, dass es gelingen kann, Wirtschaft und Ethik in Einklang zu bringen und somit die Grundlage für ein besseres Leben möglichst vieler schaffen.

Um unser Engagement auf etwas stabilere Beine zu stellen, wurde die "Drei-zum-Leben-Stiftung" gegründet. Wir möchten Menschen gewinnen, die bereit sind, drei Prozent Ihres Nettoeinkommens oder drei Prozent Ihrer kostbaren Zeit dafür zu geben, dem Anderen eine faire Chance zu ermöglichen. Jeder entscheidet selbst, ob er rein monetär, gemischt oder ausschließlich handelnd unterstützt. Drei Prozent des Nettoeinkommens der Deutschen, Österreicher und Schweizer würden übrigens ausreichen, um die globale Kinderhungersnot zu beseitigen.

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Wie glauben Sie andere Menschen davon begeistern zu können?
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Dr. rer. pol. Philipp: Da halte ich mich ganz an die "Gesetze des Lebens". Es fügt sich zusammen, was zusammen gehört. Es entsteht das, was entstehen soll. Wir haben bewusst gesagt, dass wir nicht mit großen Werbekampagnen und anderen Marketingaktivitäten auf die Sinn-Gesellschaft aufmerksam machen wollen. Es soll sich rumsprechen. Wir brauchen Menschen, die wirklich innerlich von der Idee überzeugt sind und dann anpacken. Bitte keine Vereins- oder Parteienlogik; bitte kein Sozialzwang.

Im übrigen ist unser Engagement komplett "nebenberuflich", in unserer "Freizeit", wenn Sie so wollen. Zu schnelles Wachstum macht da sowieso keinen Sinn. Einige jung gebliebene +60er könnten wir z.B. sehr gut gebrauchen. Menschen, die Zeit haben und etwas wirklich Sinnvolles mitbewegen möchten.

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Die neuesten Entlassungen und Umstrukturierungen bei Airbus und Telekom scheinen ja nicht gerade von sozialen Unternehmern vorangetrieben worden zu sein. Wie sehen Sie diese Unternehmenspolitik?
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Dr. rer. pol. Philipp: Dies ist ein sehr komplexes Thema. Pauschale Polemik hilft uns nicht weiter. Im Kern bin ich davon überzeugt, dass es darum geht, echtes Verständnis für alle Seiten aufzubringen und dann nach einer für Alle tragbare Lösung zu suchen. Viel mehr miteinander sprechen, denn übereinander schreien. Viel weniger Politik-, Verbands- und Gremienwesen und viel mehr echte Wertschätzung, Verständnis und der Wille zu einer gemeinsamen Lösung höheren Niveaus.

Häufig sind bereits die an der Problemlösung beteiligten Akteure Teil des Problems. Sie sind in Ihren Denk- und Handlungsmustern gefangen, müssen Partikular-Interessen einer Organisation vertreten, stehen unter enormen Druck und haben meisten zu wenig Schlaf. So kann keine gute Lösung entstehen.

In vielen persönlichen Gesprächen erlebe ich aber selbige Akteure durchaus auch als nachdenkliche, verletzliche und sozial bemühte Menschen. Hier liegt der Ansatzpunkt. Wir müssen hinter die Fassaden und Verbalakrobatik sehen. Müssen uns ganz intensiv bemühen, den Anderen mit seinen Bedürfnissen zu verstehen. Wir müssen Brücken bauen, dass jeder ohne Gesichtsverlust aus den Gesprächen gehen kann. Führung in diesem Kontext heißt, große persönliche Reife und tiefe persönliche Integrität zum Primat allen Handelns zu machen. Und natürlich sind auch die Medien gefragt — etwas mehr Demut und etwas weniger Geschrei würde den Akteuren helfen, bessere Entscheidungen treffen zu können.

In dem Sinne ist Social Entrepreneurship eine Geisteshaltung, die jeder von uns täglich umsetzen kann. Fragen Sie sich in Konfliktsituationen einfach konsequent zwei Dinge:

::: Was ist mein tiefster Wunsch, wie diese Situation ausgehen soll?

::: Wie würde ich an Stelle des Anderen denken, sprechen und handeln?

Hören Sie bitte erst zu — lange und ganz intensiv; ohne zu bewerten, rechtfertigen, verurteilen, verbessern usw. Denken Sie sich tief in die Sichtweise des Anderen ein. Versuchen Sie wirklich zu verstehen. Wenn Sie dann noch zu keiner befriedigenden Lösung kommen, nehmen Sie sich einen neutralen Dritten hinzu.

Wenn Sie so durch Ihr Leben gehen, sind sie im besten Sinne des Wortes ein Social Entrepreneur — ein Unternehmer in eigener Sache, mit dem Ziel, alle Beteiligten zu „Gewinner” zu machen.

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Buchtipp:
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Change Management— Die Macht, Unternehmen nachhaltig zu verändern
von Dirk Osmetz; Andreas F. Philipp; Wolfgang Winter
BusinessVillage
Göttingen, 2004
68 Seiten
ISBN: 3-934424-30-9
Art-Nr.: 482

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