Richter untersagen die willkürliche Schätzung
Das Finanzgericht gab der Klage des Gastwirts in vollem Umfang statt. Es gelangte zu der Überzeugung, dass die Buchführung des Gastwirts formell ordnungsgemäß ist. Es ist nicht zulässig, dass das Finanzamt wegen kleinerer Beanstandungen bei der Kassenführung die gesamte Buchführung als nicht ordnungsgemäß einstuft.
Bei einer ordnungsgemäßen Buchführung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gewinn richtig ausgewiesen wurde. Das Finanzamt darf den Gewinn nur dann schätzen, wenn es diese Vermutung widerlegen kann. Das Finanzamt darf allein die Schwankungen beim Rohgewinnaufschlag, die es bei einem Zeitreihenvergleich ermittelt hat, nicht nutzen, um den Gewinn zu schätzen. Es ist außerdem willkürlich, wenn das Finanzamt sich einen Zeitraum herausgreift und diesen für repräsentativ erklärt.
Kein Verdacht auf Manipulation
Hinzu kam, dass der Chi-Quadrat-Test keine Auffälligkeiten zeigte. Mit diesem Test wird bei großen Zahlenmengen (hier: bei den Aufzeichnungen der Kasseneinnahmen in 3 Jahren) die Verteilung der Ziffern 0 bis 9 geprüft und festgestellt, ob das Ergebnis mathematisch-statistisch signifikant ist. Das ist der Fall, wenn Aufzeichnungen manipuliert werden, weil unbewusst persönliche Lieblingszahlen häufiger verwendet werden.
Mit der elektronischen Prüfung werden Unregelmäßigkeiten rasch entdeckt
Konsequenzen: Die meisten Betriebsprüfungen werden heute digital durchgeführt. Betriebsprüfer können Ihre Buchführungsdaten nutzen, um mit ihrem EDV-Programm (IDEA) Zeitreihenvergleiche zu erstellen. Der Rohgewinnaufschlag lässt sich anhand der Jahreswerte ermitteln.
Schwankungen beim Rohgewinnaufschlag, die sich im Laufe eines Jahres ergeben, können mit einem Zeitreihenvergleich ermittelt werden. Stellt der Betriebsprüfer mit seinem Zeitreihenvergleich fest, dass Ihre Aufschlagsätze im Laufe eines Jahres unterschiedlich hoch sind, bedeutet dies nicht, dass Sie nicht alle Erlöse erfasst haben.
Die Zeiten in einem Zeitreihenvergleich sind oft nicht miteinander vergleichbar. Abweichungen können auftreten, weil
- auch bei einem Gastronomiebetrieb der Wareneinkauf nicht gleichbleibend ist, sondern ein Teil der Produkte auf Vorrat gekauft wird und
- der Einkaufspreis von Waren derselben Art und Güte (insbesondere bei frischen Produkten) saisonbedingt größeren Schwankungen unterliegen kann.
Fazit
Das Urteil des Finanzgerichts Köln zeigt, dass eine formell ordnungsgemäße Buchführung kein Selbstzweck ist. Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Geschäfte stets korrekt verbuchen. Ohne formelle Mängel bzw. bei geringfügigen Mängeln, wie sie fast immer auftreten, muss Ihnen das Finanzamt im Einzelnen nachweisen, dass Sie Einnahmen nicht erfasst haben. Eine ordnungsgemäße Buchführung schützt Sie somit vor Umsatz- und Gewinnschätzungen durch das Finanzamt.
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