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Fachartikel, 02.11.2007
Wirtschaft/Mittelstand (allgemein)
Aufwärtstrend im deutschen Handwerk
Nachdem bereits die Reform der Handwerksordnung im Jahr 2004 zur Gründung zahlreichen neuer Handwerksbetriebe geführt hat, profitieren nun auch viele Zweige des Handwerks vom wirtschaftlichen Aufschwung und machen bessere Geschäfte. Dies hat dazu geführt, dass auch der über lange Jahre zu verzeichnende Beschäftigungsabbau in den handwerklichen Berufen gestoppt werden konnte. Im Gegensatz zu unternehmensnahen Sparten wie dem Wirtschaftsbau, die einen einen Aufwärtstrend verzeichnen, spüren jedoch konsumorientierte Gewerke nach wie vor die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung.
Der goldene Boden des Handwerks schimmert zumindest wieder ein wenig durch. Die anziehende Konjunktur und die milde Witterung des Winters 2006/2007 sorgten dafür, dass der in einigen Handwerksbranchen übliche Einbruch in der kalten Jahreszeit weitgehend ausblieb. Als der Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH) die Betriebe im Frühjahr 2007 zu ihrer Lage und ihren Perspektiven befragte, waren auch viele positiv gestimmt. Gut drei Viertel der Handwerksbetriebe zeigten sich mit ihrer wirtschaftlichen Situation insgesamt zufrieden – ein Jahr zuvor waren es nicht einmal zwei Drittel gewesen. Für die kommenden Monate hofften sogar mehr als 80 Prozent auf befriedigende oder gute Geschäfte. Die Umsatzerwartungen fallen entsprechend aus:

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Im Frühjahr 2007 rechneten 85 Prozent der westdeutschen und 80 Prozent der ostdeutschen Firmen im Handwerk für die nähere Zukunft mit gleichen oder steigenden Umsätzen.
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Die Investitionslaune deutsche Handwerksbetriebe bleibt allerdings trotz der verbesserten Wirtschaftslage vorerst gedämpft. Nur16 Prozent der Betriebe im Westen bzw. 12 Prozent im Osten beabsichtigen auf kurze Sicht mehr Geld in neue Maschinen oder Werkzeuge stecken, während 27 bzw. 30 Prozent der Handwerksunternehmen das entsprechende Budget kürzen müssen. Verglichen mit dem Status quo zu Jahresbeginn und erst recht gegenüber dem Vorjahr ist jedoch auch hier eine Besserung unverkennbar. In Folge dessen sind auch die Beschäftigungsaussichten wieder freundlicher. Immerhin lag in Westdeutschland zuletzt der Anteil der Handwerksfirmen, die Neueinstellungen planen, mit 11 Prozent geringfügig über der Quote jener Betriebe, die einen Personalabbau auf der Rechnung haben. Demnach könnte der negative Beschäftigungstrend in diesem Jahr zum Stillstand kommen oder sogar umgekehrt werden.

Von 1996 bis 2006 gingen in Deutschland unterm Strich mehr als 1,7 Millionen Arbeitsplätze im Handwerk verloren. Dass diese Entwicklung zuletzt langsamer verlief und im vergangenen Jahr die Zahl der Beschäftigten nur noch um 1 Prozent auf 4,45 Millionen sank, dürfte auch mit der Novellierung der Handwerksordnung im Jahr 2004 zusammenhängen. Denn in den Handwerksberufen, zu deren selbstständiger Ausübung in der Regel nach wie vor ein Meisterbrief erforderlich ist, nahm die Zahl der Betriebe seit 2003 lediglich um knapp 3 Prozent zu und hielt der Beschäftigungsrückgang an. Deutlich besser entwickelten sich die vom Meisterzwang befreiten Berufe. Hierzu gehören etwa Parkettleger, Fotografen und Uhrmacher:

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Die nunmehr zulassungsfreien Handwerkszweige verzeichneten im Jahr 2006 mit 150.000 rund doppelt so viele Betriebe wie 2003.
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Obwohl es sich bei den Neugründungen zumeist um kleine Firmen handelt, stieg die Zahl der Beschäftigten in diesen Handwerkssparten im Jahr 2006 gegenüber dem Vorjahr um 9.000 auf 845.000. Der Gründungsboom in den liberalisierten Gewerken wurde vermutlich durch das Instrument der Ich-AG verstärkt, welches Arbeitslose bis Mitte 2006 auf dem Weg in die Selbstständigkeit unterstützte. Dass die Zahl der Betriebe auch nach dem Auslaufen dieser Fördermaßnahme weiter anstieg, liegt möglicherweise an den zunehmenden handwerklichen Existenzgründungen durch Osteuropäer, die die neu gewonnene Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU nutzen. Im Jahr 2006 jedenfalls gründeten mit 44.000 so viele polnische Bürger ein Unternehmen in Deutschland wie nie zuvor. Nicht wenige von ihnen dürften einem zulassungsfreien handwerklichen Beruf nachgehen.

Der Aufwärtstrend im deutschen Handwerk ist also unverkennbar – doch profitieren bislang nicht alle Bereiche davon. Vor allem konsumnahe und dienstleistungsorientierte Betriebe, etwa im Lebensmittel- und Kfz-Gewerbe, haben bis zuletzt vergeblich auf den Aufschwung gewartet. Ihnen dürfte vor allem die Mehrwertsteuererhöhung zu Beginn des Jahres das Geschäft vermiest haben. Besser sieht es dagegen in den unternehmensnahen Sparten aus – unter anderem auch im Baugewerbe, welches nach wie vor eine dominierende Rolle im Handwerk spielt:

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Im Jahr 2006 zählten das Bauhaupt- und das Ausbaugewerbe in fast 311.000 Betrieben mehr als 1,6 Millionen Köpfe – das waren 37 Prozent aller handwerklich Beschäftigten.
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Dass Maurer, Dachdecker und Co. wieder optimistischer die Ärmel hochkrempeln dürfen, legen nicht zuletzt die im Baugewerbe eingegangenen Aufträge nahe, die in den ersten fünf Monaten des Jahres 2007 das Niveau des Vorjahreszeitraums um fast 10 Prozent übertrafen. Wohl auch aus diesem Grund rechnet das Bauhauptgewerbe für das gesamte Jahr mit einer gegenüber 2006 um 2 Prozent höheren Beschäftigtenzahl. Allerdings gilt es innerhalb dieser Branche wiederum zu differenzieren. So macht gerade der Wirtschaftsbau – also die Errichtung von Bürogebäuden oder Werkhallen –, in dem vor allem größere Handwerksbetriebe tätig sind, aufgrund der lebhafteren Konjunktur inzwischen wieder deutlich bessere Geschäfte. Auch die Kommunen vergeben mittlerweile wieder mehr Aufträge, z.B. zum Bau von Straßen oder öffentlichen
Gebäuden.

Beim Wohnungsbau stellt sich die Lage etwas anders dar. Er wurde 2006 noch durch Sondereffekte beflügelt – wie die letztmalig gewährte Eigenheimzulage sowie den Wunsch vieler Häuslebauer, größere Ausgaben noch vor der Mehrwertsteuererhöhung zu tätigen. Diese positiven Einflüsse fehlen jetzt. Stützend wirkt sich allerdings aus, dass immer mehr Wohnbauten modernisiert und saniert werden und der Staat mit
Fördergeldern für bauliche Energiesparmaßnahmen winkt.

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Die Handwerksnovellierung von 2004
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Die rot-grüne Bundesregierung hat in der vergangenen Legislaturperiode die in wesentlichen Punkten seit 1935 bestehende Handwerksordnung erneuert. Seit Anfang des Jahres 2004 dürfen nun 53 der 94 handwerklichen Berufe ohne den „großen Befähigungsnachweis“ – sprich: Meisterbrief – selbstständig ausgeübt werden. Die übrigen 41 werden dagegen als „gefahrgeneigt“ bezeichnet – die Tätigkeit etwa eines Dachdeckers oder Kfz-Technikers, aber auch die eines Friseurs birgt demnach besondere Schadensrisiken für den Handwerker selbst oder den jeweiligen Kunden. Daher dürfen in diesen Bereichen prinzipiell auch weiterhin nur Meister einen Betrieb gründen und führen. Weil hierzu die beschäftigungsstarken Bau- und Ausbausparten sowie das Kfz- und das Nahrungsmittelgewerbe zählen, sind in den 41 geschützten Zweigen aber immer noch acht von zehn Handwerkern tätig. Allerdings hat die frühere Bundesregierung auch in diesen Handwerksbereichen die Regulierungslatte ein wenig tiefer gelegt. So kann nun ein Geselle mit mehr als sechs Jahren Berufserfahrung ebenfalls einen Betrieb gründen, falls er mindestens vier Jahre lang eine leitende Position innehatte. Ferner sind Akademiker wie etwa Ingenieure den Meistern jetzt gleichgestellt. Außerdem kann auch ein Unternehmer ohne Meistertitel eine Firma ins Leben rufen, wenn er einen Meister als Geschäftsführer einstellt. Die Novellierung der Handwerksordnung hatte vor allem das Ziel, mehr Wettbewerb in diesem Wirtschaftsbereich zu ermöglichen. Einen Anstoß zu den getroffenen Neuregelungen dürfte dabei das EU-Recht gegeben haben, da nach den Regeln des europäischen Binnenmarktes ausländische Unternehmen – und damit auch Handwerksbetriebe – kaum vom deutschen Markt ferngehalten werden können. Da jedoch nach wie vor eine Reihe von Bereichen zulassungspflichtig ist, könnte das Handwerk weiter für Streit zwischen Deutschland und der EU sorgen.

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