Fachartikel, 13.02.2007
Perspektive Mittelstand
Aufschieberitis
Selbst-Management nach dem „BA-Prinzip“
Der Stress am Arbeitsplatz nimmt zu. Immer mehr Aufgaben wollen in immer kürzerer Zeit bewältigt werden. Während jedoch ein besseres Zeit-Management den Ausweg zu weisen scheint, bleibt eine der Hauptursachen oft unbehandelt: die Volkskrankheit „Aufschieberitis“.
Aufschieberitis, also die Angewohnheit, unliebsame Aufgaben wieder und wieder zu verschieben, ist eine verbreitete Störung mit unangenehmen Folgen: ein schlechtes Gewissen, Minderwertigkeitsgefühle, Reizbarkeit und Angst. Klingt bedrohlich – und auch der Volksmund rückt die Angewohnheit in ein düsteres Licht: Des Teufels liebstes Möbelstück sei die „lange Bank“ und der Weg zur Hölle sei mit guten Vorsätzen gepflastert, heißt es.

Wenn Sie auch, zumindest zeitweise, an Prokrastination – das ist der wissenschaftliche Begriff – leiden, dann habe ich einen Tipp für Sie. Die Methode ist einfach und wirksam. Sie ist nicht neu, geht aber in der Unmenge der klugen Ratschläge zum Thema Zeit- und Selbst-Management unter.

Chronische Aufschieberitis beruht meist darauf, dass falsche Reihenfolgen zur Gewohnheit geworden sind: Das Vorziehen von kleinen Belohnungen („Erst mal eine Tasse Kaffee“), die vorzeitige Beschäftigung mit attraktiven, aber häufig ablenkenden Tätigkeiten („Erst noch die E-mail checken“) und die falsche Reihenfolge bei unterschiedlich attraktiven Tätigkeiten, wo wir – um überhaupt einen Anfang zu finden – mit dem Angenehmsten beginnen.

Die negative Wirkung ungünstiger Reihenfolgen steht im Zusammenhang mit dem sog. Premack-Prinzip – nach dem amerikanischen Psychologen David Premack. Wir können das Prinzip hier etwas vereinfachen und sagen: Ein als angenehm erlebtes Verhalten B (=Belohnung) kann als Verstärker für ein weniger angenehmes Verhalten A (=Arbeit) dienen. AB-Reihenfolgen erleichtern die zügige Erledigung, BA-Reihenfolgen provozieren die Verschleppung. Das Prinzip erinnert an Großmutters goldene Regel „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Aber das Premack-Prinzip geht darüber hinaus, denn B-Tätigkeiten können durchaus Arbeit beinhalten, nur eben eine Arbeit, die im Vergleich zur A-Aufgabe attraktiver ist.

Wenn Sie Ihren Tag im Büro damit beginnen, Ihre Email zu checken, Kaffee durchlaufen zu lassen, sich eine Tasse gönnen, ins Forum laufen, um den Speisenplan zu studieren, mit der Kollegin die Erlebnisse des Wochenendes austauschen und die neuesten Unternehmensnachrichten im Intranet nachlesen – dann haben Sie schon mal ein halbes Dutzend B-Tätigkeiten vorweg genommen und riskieren die Verschleppung. Sie haben sich wahrscheinlich die Rosinen aus dem Vormittagskuchen gepickt und den trockenen Rest würden Sie – wenn Sie denn könnten – am liebsten entsorgen und vergessen.

Nehmen wir ein anderes Beispiel, bei dem es um die Reihenfolge in einer Aufgabenkette geht: Es ist Samstag, Sie planen, mit Ihrem Wagen in die Waschanlage zu fahren, fürs Wochenende einzukaufen, Ihren ansehnlichen Schuhbestand zu putzen und drei Hemden zu bügeln. Mathematisch gibt es für diese vier Tätigkeiten – man sollte es nicht glauben – 24 verschiedene Reihenfolgen. Wenn Sie mit dem für Sie Attraktivsten beginnen, dann besteht die Gefahr, dass Sie das Ende der kurzen Kette gar nicht erreichen – nach dem Motto „Hemden Bügeln ist eigentlich die richtige Aufgabe für einen verregneten Sonntag…“

Das große Problem bei vielen Aufgaben besteht darin, dass sie wie ein Berg vor uns liegen und wir uns für eine entschlossene Attacke nicht stark genug fühlen… vielleicht morgen, wenn wir besser in Form sind? Erfahrungsgemäß kann es helfen, derartige Aufgaben in überschaubare Etappen zu unterteilen. Beispiel Steuererklärung: Das erste Etappenziel könnte sein „Anlage N ausgefüllt“ – aber mit Bleistift, damit Korrekturen leichter sind und die Angst, Wichtiges zu vergessen und Geld zu verschenken, als Verzögerungs-Grund keine Rolle spielt.

Die vorgeschlagene Methode des systematischen Aufbaus günstiger Reihenfolgen hat den Vorzug, dass wir mit den kleinen Dingen beginnen können; mit den richtigen Abfolge-Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen müssen. Diese kleinen Korrekturen erfordern zwar auch eine gewisse Selbstdisziplin, überfordern uns aber nur selten. Wenn Sie einmal für das Thema Reihenfolge-Fehler sensibel geworden sind und daran kontinuierlich arbeiten, dann sind Sie in absehbarer Zeit auch stark genug für die rechtzeitige Attacke auf die großen A-Aufgaben.
Übrigens: Prokrastination ist eine Störung mit hoher Rückfallgefahr. Aber lassen Sie sich dadurch nicht entmutigen. Sie können jeden Tag neu anfangen!
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