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Fachartikel, 17.05.2006
Steuern und Recht
Arbeitslosenversicherung für Selbstständige - Einladung zum Missbrauch
Einem noch von Rot-Grün beschlossenen Gesetz zufolge werden Selbstständige seit kurzem unter bestimmten Voraussetzungen in die Arbeitslosenversicherung aufgenommen.
Zu kritisieren ist daran nicht nur, dass sie bei geringen Beiträgen großzügige Leistungen beziehen können. Die neue Regelung widerspricht auch dem Grundprinzip der Selbstständigkeit, wonach das Geschäftsrisiko allein zu tragen ist.

In den Kassen der Sozialversicherungen herrscht Ebbe – eine keineswegs neue Erkenntnis. Und dennoch buhlen die Regierenden immer wieder mit teuren Wohltaten um die Gunst potenzieller Wähler. Das jüngste Beispiel hierfür liefert die Arbeitslosenversicherung.

Früher konnten sich Selbstständige noch fünf Jahre, nachdem sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgegeben hatten, arbeitslos melden und dann auch Arbeitslosengeld erhalten. Im Rahmen der Hartz-Reformen wurde diese Frist von Rot-Grün auf zwei Jahre verkürzt – mit Wirkung vom Februar 2006. Offenbar bekamen Schröder und Co. jedoch Angst vor der eigenen Courage und konstruierten im Gegenzug die Weiterversicherung
für vormals sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.

Seit Februar gilt demnach auch: Wer eine Existenz gründet und dafür seinen bisherigen Job aufgibt, kann in der Arbeitslosenversicherung bleiben. Und auch wer bereits beim In-Kraft-Treten der neuen Regelung selbstständig, zuvor aber abhängig beschäftigt gewesen war, kann noch unter die Decke der Arbeitslosenversicherung schlüpfen. Allerdings muss er dies bis Ende 2006 tun.

Viele Selbstständige dürften sich diese Möglichkeit kaum entgehen lassen. Denn das Versicherungspaket der früheren Bundesregierung ist attraktiv. Da die Selbstständigen keinen Bruttolohn beziehen, nach dem sich der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung richten könnte, wurde dieser pauschal festgelegt – auf dem niedrigen Niveau von 39,81 Euro.

Hierfür gibt es im Bedarfsfall großzügige Leistungen, die sich nach der jeweiligen Qualifikation des Versicherten richten:

Ein selbstständiger Akademiker kann, je nach Familienstand, immerhin bis zu 1.364 Euro Arbeitslosengeld pro Monat erhalten

Wie preisgünstig er diese Leistung erwirbt, zeigt ein Vergleich mit einem normalen Arbeitnehmer. Soll dieser das Recht auf ein ebenso hohes Arbeitslosengeld haben, müssen für ihn statt 40 Euro monatlich stolze 191 Euro als Beitrag eingezahlt werden – bei einem Eigenanteil von immerhin 96 Euro.

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Die Selbstständigen werden somit in der Arbeitslosenversicherung mit bis zu 151 Euro von den abhängig Beschäftigten subventioniert.

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Umgekehrt gerechnet: Der geringe Beitrag der Selbstständigen würde im Beschäftigungsfall bei einem Bruttoeinkommen von nur 612 Euro fällig. Wer jedoch beruflich auf eigenen Füßen steht, verdient meist mehr und muss daher einen geringeren Teil seines Einkommens in den Versicherungstopf werfen.

Dieses Missverhältnis von geringen Beiträgen und großzügigen Leistungen lässt sich ökonomisch nicht rechtfertigen. Noch grundsätzlicher ist allerdings zu kritisieren, dass überhaupt eine Verbindung von der Selbstständigkeit zur Arbeitslosigkeit gezogen wird. Denn wer sein eigener Boss ist, muss nun einmal mit dem Risiko leben, zeitweise keine Aufträge zu haben. Die Preise für selbstständige Tätigkeiten sind entsprechend kalkuliert.

Wenn die Selbstständigen jetzt die Kosten für ihr Geschäftsrisiko auf die Versichertengemeinschaft abwälzen dürfen, verzerrt dies den Wettbewerb. Zudem ist unklar, wann selbstständige Handwerksmeister, Rechtsanwälte und Co. als arbeitslos gelten. Schließlich droht ihnen bei Auftragsmangel keine Kündigung. Wenn sie aber selbst bekunden können, dass sie keine Arbeit mehr haben, liegen die Missbrauchsmöglichkeiten in der Luft.

Im Extremfall könnte ein Selbstständiger zwölf Monate in die Arbeitslosenversicherung einzahlen und sich dann mit deren Leistungen einen bis zu sechsmonatigen Urlaub gönnen. Dass er in dieser Zeit seiner Arbeitsagentur zwecks eventueller Stellenvermittlung zur Verfügung stehen muss, dürfte in der Praxis kein großes Hindernis sein.
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