Die Fähigkeit, sich selbst zu steuern, ist der entscheidende Erfolgsfaktor – wichtiger als Fach- und Sozialkompetenzen oder besondere Persönlichkeitsmerkmale. Warum manche ihre Ziele konsequent verfolgen und erreichen, während anderen nur der Misserfolg bleibt.
Führungskräfte, die sich selbst führen können, tun sich mit der Führung anderer doppelt schwer.
Erfolgreich zu sein – das ist das goldene Kalb, um das es in unserer Gesellschaft, insbesondere in Unternehmen geht. Die Motivation – neben fachlichen und persönlichen Kompetenzen – gilt vielen als zentrale Einflussgröße für den Erfolg einer Person. Doch Motivation allein reicht nicht.
Weit wichtiger ist, wie ausgeprägt die Fähigkeit einer Person ist, ein definiertes Ziel in Ergebnisse umzuwandeln. Diese Fähigkeit wird als „Volition“ bezeichnet. Die Volition geht einen Schritt über die Motivation hinaus. Wenn jemand motiviert ist, bedeutet dies nämlich nicht, dass er auch über die erforderlichen Kompetenzen verfügt, ein Ziel zu erreichen. Benötigt werden vielmehr zum einen ein starker Wille, interne Emotionen und externe Umfeldhindernisse, Ablenkungen und Probleme oder Konflikte zu überwinden, und zum anderen die Fähigkeit zur Selbststeuerung des gesamten Handlungsablaufs – von der Definition eines Zieles über die Planung und Aktion bis zur Erfolgskontrolle. Der ehemalige GE-Chef Jack Welch zitiert in diesem Zusammenhang gern seine Mutter, die ihm die Botschaft auf den Lebensweg gab: „Du musst es nur wollen!“
Schon der legendäre Management-Vordenker Peter Drucker bezeichnete die Fähigkeit, sich als Führungskraft selbst steuern zu können, als die Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts. Für die Praxis bedeutet dies: Eine Führungskraft benötigt die Willenskraft, um Hindernisse und Rückschläge zu überwinden sowie unbeirrt auf Kurs zu bleiben, bis sie ihr Ziel erreicht hat.
Die Bedeutung der Volition, auch als Umsetzungskompetenzen bezeichnet, belegen mittlerweile Studien der Neurowissenschaften, Psychologie und Managementwissenschaft. Demnach bringen Menschen mit ausgeprägten Fähigkeiten zur Selbststeuerung überdurchschnittliche Leistungen, leiden sie weniger unter Stress, haben sie bessere persönliche Beziehungen und bewältigen sie emotional belastende Situationen wesentlich effektiver. Kurzum: Sie sind erfolgreicher. Und genau solche Führungskräfte benötigen Unternehmen mehr denn je.
Erste Studien, etwa von Forschern der Universität St. Gallen und der London Business School, ergaben nämlich, dass nur zehn Prozent der Führungskräfte im Alltag die wichtige Fähigkeit zur Selbststeuerung – soll heißen Willensstärke, Selbstdisziplin, Konsequenz und Fokussierung – aufbringen, um ein definiertes Ziel zu erreichen. Das Gros war entweder hyperaktiv, aber erfolglos, distanziert bzw. zögerlich und somit unwirksam.
Immer wieder findet man im Unternehmensalltag fachlich hervorragende Manager, die großartige Ideen haben, sich vieles vornehmen – und dann doch kaum was umsetzen. Warum? Sie verzetteln sich, wissen oft nicht, worauf es ankommt und tun sich schwer damit, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Bei anderen ist es umgekehrt; sie erzeugen mit relativ wenigen Ressourcen überzeugende Ergebnisse, und das ist es, was letztlich zählt.
Die Probleme, ein Ziel konsequent zu verfolgen, resultieren daher, dass wir sehr häufig gegen eigene und fremde Motive handeln, Interessenskonflikte meistern und uns gegen widrige Umstände durchsetzen müssen, wenn es darum geht, ein bestimmtes Resultat zu erzielen. Die meisten Ziele und Vorhaben scheitern daher vor allem an den fehlenden Umsetzungskompetenzen der Akteure.
Unternehmen, die die Bedeutung der Umsetzungskompetenzen erkennen, sollten beachten, dass das Konstrukt Volition aus verschiedenen Teildimensionen besteht. Diese Teildimensionen lassen sich als Verhaltensbeschreibungen darstellen. Unterschieden werden Aufmerksamkeitssteuerung und Fokussierung, Emotions- und Stimmungsmanagement, Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke, vorausschauende Planung und Problemlösung sowie die zielbezogene Selbstdisziplin.
Konsequenz: Angesichts der Bedeutung der Umsetzungskompetenzen von Führungskräften sollten Unternehmen bereits bei der Personalauswahl die entsprechenden Fähigkeiten von Bewerbern prüfen, da diese ein Prädiktor für den künftigen Erfolg einer Person sind. Diese Beschreibungen der Teildimensionen können zum Beispiel auch Grundlage für so genannte Verhaltensinterviews in einem Management-Audit sein. Die Gutachten eignen sich dann, um die Entwicklungsmaßnahmen der Teilnehmer zu planen. Denn das ist das Wichtigste: Die Umsetzungskompetenzen sollten im Rahmen der Führungskräfteentwicklung systematisch trainiert werden.