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Manche Schuster können nicht bei ihren Leisten bleiben – Werden häufige Berufswechsel zum Alltag?

(PM) , 02.02.2007 - Von Ansgar Lange Bonn/Nürnberg - In der Regel bleibt der Schuster bei seinen Leisten. Dies ist nicht nur im Sprichwort so, sondern auch in der Realität. Zwar ist die Anzahl derjenigen jungen Menschen, die das Schusterhandwerk lernen, ziemlich gering. Doch es gibt sie noch. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) www.iab.de in Nürnberg hat dies in ihrer aktuellen Studie zum „Berufswechsel in Deutschland“ wissenschaftlich belegt. Der Arbeitsmarkt fordert von den übrigen Berufsgruppen deutlich mehr Flexibilität. Ein Fünftel der Absolventen wechselt nämlich bereits unmittelbar nach der Ausbildung den erlernten Beruf. Bei den männlichen Absolventen ist der Anteil der Berufswechsler seit 1977 von 18 auf 26 Prozent gestiegen. Bei den Frauen ist die Wechselquote dagegen von 19 auf 16 Prozent gesunken. Warum gibt es hier eine Geschlechtertrennung? „Bei vielen typischen Männerberufen, beispielsweise den Tischlern oder Rohrinstallateuren, hat die Wechselhäufigkeit im Zeitverlauf eher zugenommen. Bei typischen Frauenberufen, zum Beispiel den Steuerfachgehilfinnen oder Bürofachkräften, ist sie zurückgegangen“, erklärt das IAB. Anhand dieser Zahlen wirkt es ein wenig absurd, wenn im Ruhrgebiet die Kumpel gegen die Schließung der zechen im Jahr 2014 oder 2018 demonstrieren. Denn zumindest die Jüngeren haben genügend Zeit, auf einen anderen Beruf umzuschulen. Und wer heute noch „unter Tage“ eine Lehre macht, geht auf eigene Verantwortung ein hohes Risiko ein, in ein paar Jahren ausgemustert zu werden. Doch Flexibilität in allen Ehren. Direkt nach der Ausbildung wäre es schon gut, wenn die Leute in ihrem erlernten Beruf eine Stelle fänden, so die Experte des IAB: „Ausbildungsabsolventen, die beim Berufseinstieg eine Tätigkeit finden, können optimal an ihre Lehrzeit anschließen, indem sie die erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten nun im ‚richtigen’ Berufsleben festigen und perfektionieren.“ In der Vergangenheit sei dies im Durchschnitt etwa 80 Prozent der Ausbildungsabsolventen gelungen. Bei den Männern ist der Anteil derjenigen, die nach der Ausbildung in einen anderen Beruf wechseln, seit den 1970er Jahren von rund 18 auf 26 (2004) Prozent gestiegen. Die 25-jährige Catharina C. hat eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester gemacht. „Dies ist mein absoluter Traumberuf. Doch nach der Ausbildung bekam ich leider keinen Job als Kinderkrankenschwester. Jetzt arbeite ich als Altenpflegerin“, sagt sie. Die junge Frau ist also zwar im Gesundheitsbereich tätig, doch macht es selbstverständlich einen Unterschied, ob man mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen älteren Menschen arbeitet. „Sicherlich ist mein persönlicher Berufswechsel auch eine Folge des demographischen Wandels. Der Pflegebedarf bei älteren Menschen steigt rasant, und die Wiegen bleiben heute leider oft leer.“ Arbeitgeber haben oft ein handfestes materielles Interesse, ihre Auszubildenden nach der Lehrzeit wieder „loszuwerden“. Insbesondere kleinere Unternehmen nutzen die preiswerte Arbeitskraft von jungen Menschen in der Ausbildungszeit. Sie arbeiten mit Azubis und Volontären, da sie es sich nicht leisten können, zu viele feste Angestellte an Bord zu haben. Denn fallen Kunden und damit Budget weg, sind die Personalkosten schnell zu hoch. Weitere Liberalisierungen des Arbeitsrechts könnten hier Abhilfe schaffen. Ein Blick über den Großen Teich könnte helfen. Junge Menschen laufen heute Gefahr, dass sie sich langfristig „unter Wert“ verkaufen. Die Nürnberger Forscher weisen darauf hin, dass seit Ende der 90er Jahre der Anteil der „unterwertigen Beschäftigung“ nach der Ausbildung deutlich zugenommen habe. Je weiter der Einstiegsberuf vom Lehrberuf inhaltlich entfernt sei, um so größer sei die Wahrscheinlichkeit dafür. Eine Ursache dafür ist der Beschäftigungsrückgang in zahlreichen gewerblichen Berufen, insbesondere in der Metall- und Baubranche sowie im Handwerk. Sind Mobilität und Flexibilität Tugenden, die von allen Altersgruppen gleichmäßig vorgelebt werden? Hier sind Zweifel angebracht. Im Vergleich zu den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik hat die Flexibilität abgenommen. Ist der flexible Arbeitnehmer also nur ein modernen Mythos? Nach einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) www.bibb.de und des IAB hatte zur Jahrtausendwende jeder dritte bereits einmal den Beruf gewechselt, davon neun Prozent mehrmals. Gegenüber 1991 habe es kaum Veränderungen gegeben, die Anteile der Wechsler seien gleich geblieben. Blicke man noch weiter zurück, zeige sich gar eine abnehmende Mobilität: 1979 hätten noch 37 Prozent einen Berufswechsel zu Protokoll gegeben. Die Erklärung für diese überraschenden Zahlen: Der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft läuft offenbar weit sanfter beziehungsweise innerhalb der Berufe ab. In der Nachkriegszeit seien hingegen weite Teile der Bevölkerung gezwungen worden, von der Landwirtschaft in die Industrie zu wechseln. Die internationale Mobilität sei trotz der Globalisierung äußerst beschränkt. Von den hierzulande geborenen Deutschen seien nur 2,4 Prozent schon einmal berufsbedingt im Ausland gewesen. Auch die Treue zum Unternehmen nehme eher zu. Parallel zu der Scheu, beruflich neue Ufer anzusteuern, seien die Deutschen bei der Weiterbildung sogar eindeutig auf dem Rückzug. Seit 1997 sinke die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung in Ost wie West. Dies sei umso bedenklicher, da in der alten EU nur Griechenland und Spanien noch schlechter bei der Weiterbildung abschnitten. „Wir sehen hier ein ähnliches Phänomen wie bei den Wirtschaftsreformen“, sagt Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash www.harveynash.de. „Seit Jahren reden wir uns die Köpfe heiß über Einschnitte ins soziale Netz, über Hartz IV und die Massenarbeitslosigkeit. Doch geschehen ist wenig. Vielleicht existiert der Mythos vom flexiblen Arbeitnehmer aber nur deshalb, weil so viel darüber geredet wurde. Pauschalurteile verbieten sich jedoch. So haben viele junge Menschen aus den neuen Ländern Flexibilität und Mobilität bewiesen, als sie sich der Arbeit wegen in den Westen aufmachten. Meiner Einschätzung nach müssen in Zukunft die Arbeitnehmer, die über kein sehr hohes Bildungsniveau und keine optimale Ausbildung verfügen, noch mobiler und flexibler werden. Wer für die Anforderungen der modernen Wissensgesellschaft schlecht gerüstet ist und ein Leben lang in seinem Heimatdorf leben will, der hat wirklich schlechte Karten und wird über kurz oder lang ein Fall für den Sozialstaat werden. Für viele Akademiker ist ständige Weiterbildung und hohe Flexibilität und Mobilität schon jetzt Standard.“
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