VOLLTEXTSUCHE
Fachartikel, 02.05.2013
Krisenkommunikation im Social Web
Wenn’s in Social Media brennt
Enttäuschte Kunden, "Berufsdenunzianten", streitbare Statements von Mitarbeitern in Social Networks – potenzielle Auslöser für Kommunikationskrisen in Social Media gibt es en mass. Wie Unternehmen richtig reagieren, wenn im Social Web „die Hütte brennt“.
Kommunikationskrisen entstehen im Social Web in aller Regel aus einem Fehlverhalten von Unternehmen heraus. Sei es, dass beim Service geschlampt wurde oder Kritik nicht ernst genommen und richtig beantwortet wurde – in den meisten Fällen liegen die Ursachen im Unternehmen. Davon unabhängig gibt es natürlich auch Beispiele, in denen es Kunden einfach Spaß macht, den Großen eins auszuwischen und gut gemeinte Aktionen gezielt zu sabotieren. Die neue Offenheit und Transparenz im Social Web bietet da genügend Angriffsflächen. Dagegen lässt sich im Vorfeld auch wenig tun. Hier gilt es eher, die Krise einzudämmen und den Verlauf positiv zu beeinflussen.

Ein Beispiel für einen solchen unverschuldeten Gegenwind spielte sich im September 2012 auf der Facebook-Seite von Samsung Mobile USA ab. Das Facebook-Team stellte eine eigentlich interessante Frage, von der sie sich Resonanz der User erhoffte: „Wenn du nur ein elektronisches Gerät auf eine einsame Insel nehmen dürftest, welches wäre es?“. Mit der Reaktion der Nutzer hatte man wohl nicht gerechnet. So gut wie alle der über 19.000 Kommentare würden nämlich das Konkurrenzprodukt iPhone 5 wählen. Fast 2.500 Shares und über 46.000 Likes sorgten dann noch für die notwendige Reichweite. Vorhersehbar war die Reaktion der Nutzer wohl nicht, und daher war sie auch nicht vermeidbar. Samsung blieb bloß die Option, die Kommentare auszuhalten und mit weiteren Postings den Querschläger auf der Timeline weiter nach unten zu schieben.

Eine gute Vorbereitung ist jedoch schon die halbe Miete. Hierzu gehört, bei der anfänglichen SWOT-Analyse mögliche Risiken sauber herauszuarbeiten und Reaktionen zu entwerfen.

Szenario-Denken hilft, Krisen vorzubeugen


Welche Krisenszenarien sind bei Ihnen denkbar? Erarbeiten Sie einige Standard-Fälle, die häufig im Netz auftauchen. Zum Beispiel:
  • Ein unzufriedener Kunde macht sich auf Ihrer Facebook-Seite Luft. Einige Dutzend anderer Kunden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, unterstützen den Kritiker.
  • In den Medien wird negativ über Ihr Unternehmen berichtet. An mehreren Stellen im Web entstehen gleichzeitig Diskussionsherde.
  • Einer Ihrer Mitarbeiter gibt unbedacht Interna im Social Web preis. Die Inhalte werden sofort von Nutzern aufgegriffen und weitergereicht.
  • Eine Non-Profit-Organisation greift Sie aufgrund Ihrer Produktionsbedingungen oder einer anderen Eigenschaft an und erhält breiten Zuspruch.
  • Ihre Facebook-Seite wird von Fans eines konkurrierenden Unternehmens „geentert“ und mit unzähligen Kommentaren und Beiträgen versehen.
  • In einem Forum werden unwahre Behauptungen über Ihr Unternehmen von anonymen Schreibern aufgestellt. Diese werden sofort über Twitter und Co. weiterverbreitet.

Das sind nur einige Beispiele von Krisen, die im Social Web passieren können. Überlegen Sie sich, welche Situationen bei Ihnen und Ihrem Unternehmen auftreten können, und entwerfen Sie für diese Szenarien Reaktionspläne, um im Ernstfall ein schnelles und entschiedenes Handeln gewährleisten zu können.

Die gute Nachricht: Social-Media-Krisen ebben meist genauso schnell wieder ab, wie sie entstanden sind. Der Unmut der Nutzer kocht oft schnell hoch, legt sich dann aber auch wieder. Nachhaltiger Schaden entsteht nur in besonders schweren Fällen.

Antwortmöglichkeiten in Krisensituationen

Was aber ist zu tun, wenn wirklich etwas schiefgegangen ist? Wie sollten Sie mit negativen Kommentaren oder brodelnden Nutzermeinungen in Ihren Medien umgehen? Prinzipiell bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Die passende müssen Sie individuell je nach Schwere und Dringlichkeit der Situation auswählen. Hier vier Optionen:

  • Nichts tun – aussitzen: Manchmal lohnt es sich, eine Krise einfach auszusitzen. Nicht jedes Stürmchen wird ein Shitstorm und nicht jede Kritik verdient eine Antwort. Es kann sogar sein, dass Sie beim besten Willen einfach nichts dazu zu sagen haben – vielleicht auch, weil jede Rechtfertigung alles nur noch schlimmer machen würde. Und schließlich gibt es ja noch das Motto „Don’t feed the trolls“, also den Hinweis, nicht jeden notorischen Nörgler durch eine Antwort noch zu würdigen.
  • Moderierend eingreifen: In vielen Fällen werden Sie sich dafür entscheiden, die Diskussion zuzulassen, aber moderierend und mit Fakten und Klarstellungen einzugreifen. Wichtig hierbei ist, die Nutzer und deren Kritik ernst zu nehmen, niemanden zu bevormunden und sich nicht zu unangemessenen Äußerungen hinreißen zu lassen. Die Diskussion kann hitzig werden, Sie müssen jedoch immer einen kühlen Kopf behalten. Jede unbedachte Äußerung Ihrerseits kann die Kritiker weiter anstacheln.
  • Löschen: Die Verlockung, Kritik einfach zu löschen, ist verständlicherweise groß. Wenn Sie jedoch andere Social-Media-Krisen analysieren, stellen Sie fest, dass viele erst durch das Löschen so richtig an Fahrt aufgenommen haben. Der dahinterstehende Mechanismus nennt sich „Streisand-Effekt“ (warum dieser so heißt, lässt sich zum Beispiel bei Wikipedia nachlesen). Nutzer lassen sich ungern bevormunden und wenn der Eindruck der Zensur entsteht, werden die Kämpfe eben auf anderen Kanälen ausgetragen. Dort haben Sie weniger Kontrolle, weniger Einfluss und generell weniger zu sagen.
  • Rechtliche Schritte einleiten: Die härteste Keule, die Sie auspacken können, ist das Einschalten des Rechtsanwalts beziehungsweise das Ergreifen rechtlicher Maßnahmen. Das sollte wirklich immer das letzte Mittel sein und wenn irgend möglich nicht gegen private Nutzer eingesetzt werden. Im oben genannten Beispiel „Greenpeace versus Nestlé“ war die mit Rechtsbeistand durchgesetzte Löschung des Videos der Ausgangspunkt der ganzen Krise. Etwas mehr Fingerspitzengefühl hätte vielleicht viel Ärger, Kosten und Stress vermeiden können.

Aktionsplan für Social-Media-Krisen

Die folgenden konkreten Schritte sollen Ihnen helfen, Social-Media-Krisen wenn möglich zu vermeiden oder sie zumindest besser durchzustehen. Überprüfen Sie, wie gut Sie die einzelnen Schritte bereits umgesetzt haben.

1. Gute Vorbereitung

Wie oben bereits angesprochen spielt die Vorbereitung eine wichtige Rolle. Erstellen Sie Worst-Case-Sze¬na¬rios und bauen Sie für jedes (realistische) Szenario einen groben Krisenreaktionsplan. Definieren Sie dabei Zuständigkeiten, Kompetenzen, eventuelle Overtime-Regelungen, vordefinierte Antworten (vorsichtig – authentisch bleiben!) sowie eine Dokumentationsvorlage, um im Nachhinein die Krise auswerten und Lehren daraus ziehen zu können.

2. Social Content

Um auf die Krisen zu reagieren, müssen Sie Social-Media-geeigneten Content verwenden. Normale Pressemitteilungen können eher das Gegenteil bewirken, nämlich die Nutzer verärgern und weiter anstacheln. Die distanzierte Sprache einer Pressemitteilung gibt den Nutzern das Gefühl, mit Standard-Floskeln abgekanzelt und nicht ernst genommen zu werden – das ist Benzin ins Feuer gießen!

3. Unterstützer ins Boot holen

Sie sollten bereits im Rahmen des Krisenreaktionsplans mögliche Unterstützer identifizieren. Nutzer, die eine hohe Reichweite haben und Ihnen wohlgesonnen sind. Möglichst sollten diese Unterstützer Ihnen so nahestehen, dass sie nichts dagegen haben, von Ihnen in einer Krisensituation angeschrieben und um Einmischung gebeten zu werden. 

4. Intensives Monitoring

Wenn es Ihr Budget zulässt, investieren Sie in ein gutes Monitoring-Tool. Wenn nicht, schöpfen Sie alle kostenlosen Möglichkeiten aus, die Sie haben. Denn im Krisenfall ist das Monitoring überlebenswichtig. Beobachten Sie genau, wo Krisenherde entstehen und welche Nutzer besonders engagiert bei der Sache sind.

5. Seien Sie schnell

In der Krise müssen Sie schnell reagieren. Beantworten Sie offene Beiträge umgehend, reagieren Sie so schnell wie möglich auf Kritik und stellen Sie Sachverhalte klar. Das kann bedeuten, dass Sie über die normalen Arbeitszeiten hinaus aktiv sein müssen. Social Media machen nicht um 18 Uhr Feierabend, die stärkste Aktivität finden meist in den Abendstunden statt. Sie als Social-Media-Manager sollten daher in den Hochphasen der Krise (meist die ersten ein bis zwei Tage) bereit sein, auch spät abends noch in den Netzwerken an der Krisenbewältigung zu arbeiten. Ihr Arbeitgeber kann diese Überstunden ja später ausgleichen, aber jetzt geht es darum, volle Präsenz zu zeigen. Erstellen Sie hilfreichen Content, beantworten Sie Postings, melden Sie sich vielleicht sogar in einer kurzen Videobotschaft zu Wort.

6. Vermeiden Sie Fehler

Es gibt einige Dinge, die Sie jetzt unbedingt vermeiden sollten (und zwar noch strikter als sonst). Geben Sie vor allem keine pauschalen Antworten. Speisen Sie also Nutzer nicht mit Floskeln und Standard-Antworten ab. Auch wenn Copy & Paste bei häufig wiederkehrenden Fragen effizienter ist: In der ohnehin schon hitzigen Gemütslage dürfen Sie sich hier keine Blöße geben. Beantworten Sie jeden Beitrag so individuell wie möglich. Zeigen Sie, dass Sie die Nutzer ernst nehmen. Gehen Sie mit persönlichen Formulierungen auf die User ein. Es lohnt sich.

7. Lernen Sie aus anderen Beispielen

Verfolgen Sie Social-Media-Krisen bei anderen Anbietern aufmerksam. Sie können hieraus eine Menge lernen: Was war die Ursache? Was wurde falsch gemacht? Welche Reaktionen können Sie übernehmen? Was hat die Krise gelöst?

QUERVERWEIS
Buchtipp der Redaktion
Social Media Management: Wie Marketing und PR Social Media-tauglich werden
Florian Semle illustriert in diesem Buch die ganze Bandbreite des Social Media-Managements. Von der Konzeption über die kreative Umsetzung bis hin zur Steuerung der Kommunikation 2.0 liefert dieses Handbuch das Rüstzeug für den Social Media-Manager.
weitere Informationen
ZUM AUTOR
Über Felix Beilharz
BusinessVillage GmbH
Felix Beilharz (http://www.felixbeilharz.de) ist aktiver Blogger, Berater und Dozent für Social Media und Online-Marketing. Seit 2002 berät er mittelständische und große Unternehmen. Der Social-Media-Experte ist gefragter Redner ...
BusinessVillage GmbH
Reinhäuser Landstrasse 22
37083 Göttingen

+49-551-2099100
WEITERE ARTIKEL DIESES AUTORS
ANDERE ARTIKEL AUS DIESEM RESSORT
SUCHE
Volltextsuche





Profisuche
Anzeige
PRESSEFORUM MITTELSTAND
Pressedienst
LETZTE UNTERNEHMENSMELDUNGEN
Anzeige
BRANCHENVERZEICHNIS
Branchenverzeichnis
Kostenlose Corporate Showrooms inklusive Pressefach
Kostenloser Online-Dienst mit hochwertigen Corporate Showrooms (Microsites) - jetzt recherchieren und eintragen! Weitere Infos/kostenlos eintragen
EINTRÄGE
PR-DIENSTLEISTERVERZEICHNIS
PR-Dienstleisterverzeichnis
Kostenlos als PR-Agentur/-Dienstleister eintragen
Kostenfreies Verzeichnis für PR-Agenturen und sonstige PR-Dienstleister mit umfangreichen Microsites (inkl. Kunden-Pressefächern). zum PR-Dienstleisterverzeichnis
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG