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Fachartikel, 11.07.2007
Management (allgemein)
Kooperative Mitarbeiterführung – kein Alibi für Führungsschwäche
Ein falsches Führungsverständnis macht Führungskräfte handlungsunfähig. Ist eine Führungskraft zu passiv, dann wird sie oft nicht ernst genommen, von ihren eigenen Mitarbeitern (vor)geführt. Ist ihre Art der Mitarbeiterführung zu autoritär, dann provoziert sie Gegenwehr. Ein richtig verstandener kooperativer Führungsstil bedeutet zwar, die Mitarbeitende in die Entscheidungsfindung einzubinden. Doch heißt dies nicht, sich vor unliebsamen Entscheidungen zu drücken, und so die eigene Führungsschwäche zu kaschieren.
Im Rahmen eines Seminars beschreibt eine Führungskraft eine Problematik, die den Alltag vieler Führungskräfte widerspiegelt: «Ich bin nun seit einigen Jahren Führungskraft und erlebe immer wieder schwierige Situationen, in denen ich nicht richtig weiss, wie ich mich verhalten soll. In den unterschiedlichsten Trainings habe ich gehört, dass man kooperativ führen soll. In der Praxis erlebe ich aber immer wieder Situationen, in denen ich am liebsten autoritär oder sogar aggressiv reagieren möchte. Ich bin überzeugt, dass es Situationen gibt, in denen man nicht kooperativ handeln muss. Aber alle sagen, das dürfe man nicht, als kompetente Führungskraft müsse man immer kooperativ bleiben.»

Solche oder ähnliche Einschätzungen und Aussagen hören Managementberater, Coaches und Trainer immer wieder. Die Ursache für solche Beurteilungen beziehungsweise das Gefühl, handlungsunfähig zu sein, ist nicht immer auf mangelndes Potenzial oder fehlende Qualifikation der Führungskraft zurückzuführen. Oft lässt sich diese Situationseinschätzung mit einem falschen Führungsverständnis bzw. einem falschen Verständnis des kooperativen Führungsstils (auch demokratischer Führungsstil genannt) erklären.

Es darf davon ausgegangen werden, dass fast alle Führungskräfte, die in den letzten zehn Jahren zur Führungskraft ernannt wurden, in irgendeiner Form Führungstrainings absolviert haben. Dort wird oft ausführlich über die Führungsstile referiert, und es werden Fragen gestellt wie «Was ist der richtige Führungsstil?» oder «Was ist für mich persönlich der richtige Führungsstil?».Normalerweise wird der kooperative, wertschätzende, zielorientierte oder partizipative Führungsstil (oder wie auch immer er genannt wird) ins Zentrum gestellt. Bei diesen verschiedenen Führungsstilen steckt in der Kernaussage der kooperative Stil dahinter. Das Problem in der Praxis ist, dass der kooperative Führungsstil in den Trainings teilweise falsch dargestellt wird. Was vermittelt wird, entspricht oft nicht wirklich dem demokratischen oder kooperativen Führungsstil. In den Trainings wird der kooperative Führungsstil von Beratern und Trainern oft dargestellt, als ob er u. a. bedeuten würde:

  • Du musst dich immer wohlwollend um deine Mitarbeitenden kümmern
  • Ziele sollen immer vereinbart und nicht vorgegeben werden
  • Wenn mit den Mitarbeitenden lange, intensiv und vor allem richtig geredet wird, lassen sich alle Probleme lösen, und Motivation und Engagement entstehen von alleine.

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Es ist verantwortungslos, dass Trainer sich selbst zum Massstab machen.
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Oftmals werden Führungskräften in Seminaren unter der Überschrift des «kooperativen Führungsstils» eine Einstellung vermittelt und Methoden gelehrt, die dem wahren Kern dieses Führungsstils nur bedingt Rechnung tragen. Die Konsequenzen sind, dass Führungskräfte nicht funktionierendes Handwerkzeug zur Lösung ihrer Probleme bekommen haben. In der Praxis führt dies zu einem Dilemma: Egal was die Führungskraft tut, sie handelt entsprechend der ihr vermittelten Lehre falsch.

In jedem Falle aber stellen Führungskräfte schnell fest, dass der Führungsalltag nicht immer so harmonisch abläuft, wie er in vielen Seminaren dargestellt wird. In diesem Zusammenhang machen viele Führungskräfte dann die traurige Erfahrung, dass sich die eigenen Aufgaben und Probleme beispielsweise im Umgang mit den Mitarbeitenden mit dem kooperativen Verständnis nicht bewältigen lassen. Führungsverantwortliche stellen sich dann die Frage: «Wenn ich feststelle, dass ich mit den mir vermittelten Führungsmethoden die Probleme nicht in den Griff bekomme, bin ich dann unfähig?» Die Führungskraft wird sich hilflos fühlen und deshalb dazu neigen, sich entweder passiv oder autoritär beziehungsweise aggressiv zu verhalten.

Aus diesem Grund sollte es das Ziel von Seminaren sein, Führungskräfte mit solchen Werkzeugen vertraut zu machen und Verhaltensregeln mit auf den Weg zu geben, die sie in die Lage versetzen, souveräner und wirkungsvoller zu agieren - und nicht, sie in ihrem Verhalten zu schwächen. In der Praxis wird das Unvermögen der Führungskraft oft der Führungskraft selbst zugeschrieben – es wird nicht realisiert, dass ursprünglich der Trainer dafür verantwortlich ist, weil dieser ja wie vereinbart den kooperativen Führungsstil vermittelt hat. Dieses weiche, unwirksame und nicht zu Ende gedachte Verständnis von kooperativem Führen wird teilweise von Trainern gepredigt, die aus der Pädagogen- bzw. Psychoecke kommen und selbst nie geführt haben. Sie kennen ihr Wissen nur aus Lehrbüchern und ziehen als Einzelkämpfer mit dem Ziel durch die Lande, die eigene Wunschvorstellung von Führen, selbst oft das Resultat eigener frustrierender Erfahrung aus der Vergangenheit, zu lehren.

Es ist verantwortungslos, dass solche Trainer nicht nur Inhalte falsch darstellen, sondern auch sich selbst zum Massstab machen und diesen unter dem Deckmantel des bewährten kooperativen Führungsstils vermitteln. Dieses falsch vermittelte Wissen führt in der Praxis nicht nur bei erfahrenen Führungsverantwortlichen zu Verunsicherungen, sondern vor allem auch bei jungen Nachwuchsführungskräften.

Solche Trainer vergessen darzulegen, bzw. sie verleugnen sogar, dass es in der Praxis oft keine wirkliche Zielvereinbarung gibt. Ziele werden meist hierarchisch vorgegeben, und das Einzige, was mit den Mitarbeitenden noch vereinbart werden kann, sind Art und Weise der Umsetzung und die Massnahmen zur Zielerreichung. Es wird auch nicht erwähnt, dass nicht alle Mitarbeitenden an einer kooperativen Zusammenarbeit interessiert sind und ein weiches «es wäre schön, wenn ...» bei ihnen nicht funktioniert.

Was aber können Führungskräfte tun, damit Mitarbeitende ihr Verhalten ändern, die kein Interesse an einer konstruktiven Zusammenarbeit haben und bei denen alle weichen Methoden (Gespräche, Vereinbarungen, Wertschätzung, Partizipation der Mitarbeitenden bei Entscheidungsprozessen, Feedback, Respekt) unwirksam waren oder versagt haben? Der scheinbar kooperative Führungsstil bringt die Führungskraft zwangsläufig immer wieder in Situationen, in der sie sich hilflos oder ohnmächtig fühlt und die sie zu einem autoritären oder aggressiven Verhalten provoziert. Das bedeutet, dass dieser falsche kooperative Führungsstil autoritäres Verhalten auch in Situationen hervorruft, in denen es noch keinen Grund für autoritäres Verhalten gibt.

Gerade in schwierigen Führungssituationen ist eine klare und direktive Vorgehensweise nützlich, in der nicht nur Bitten formuliert, sondern auch die Erwartungen klar ausgesprochen und die Konsequenzen deutlich aufgezeigt werden für den Fall, dass der Mitarbeiter sein Verhalten nicht ändert. Genau solch eine direktive Komponente ist ein wichtiger Bestandteil des kooperativen Führens. Deshalb wäre der Begriff «kooperativ-direktiver Führungsstil» eigentlich die präzisere Definition.

Ein weiterer Grund, warum der kooperative Führungsstil nicht funktioniert: Oft trauen sich junge Führungskräfte, die selbst sehr harmonieorientiert bzw. konfliktscheu sind, nicht, klare Entscheidungen zu treffen. Dies lässt sich besonders bei denjenigen Führungskräften beobachten, die aus den eigenen Reihen heraus zum Vorgesetzten ernannt wurden. Viele haben nicht den Mut, ihre Rolle als Chefin oder Chef einzunehmen, denn es würde bedeuten, dass sie emotional mehr auf Distanz gehen und auch Entscheidungen treffen müssten, die sie bis vor Kurzem selbst noch verurteilt hätten.

Müssen keine Entscheidungen getroffen oder Mitarbeiter in ihre Schranken gewiesen werden, ist das Führen relativ einfach. Schwierig wird es, wenn in Situationen eine Entscheidung gefällt werden muss, in der nicht sicher ist, ob sich diese als richtig herausstellen wird – hier geht es darum, dass die Führungskraft eine Verantwortung übernehmen muss, die sie eventuell gar nicht haben möchte. Genau genommen lässt sich ein Problemlöseprozess bis zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung auch von einem Moderator steuern. Dafür benötigt man, falls die Einbindung der Mitarbeitenden erwünscht ist, keine Führungskraft. Die Führungskraft wird erst bei der Entscheidung zwingend nötig, wenn sie bestimmen muss, wie ein Problem gelöst wird. Besonders schwer empfinden Führungskräfte eine Entscheidung dann, wenn die Meinungen der Mitarbeitenden heterogen sind und sie ertragen müssen, dass nicht alle Mitarbeitenden mit ihrer Entscheidung einverstanden sind.

Wie die Realität leider immer wieder zeigt, versuchen viele Führungskräfte potenziellen Widerständen von Mitarbeitern im Rahmen von Entscheidungen dahingehend zu begegnen bzw. vorzubeugen, indem sie eine Entscheidung durch eine Abstimmung zustande kommen lassen. Eine Abstimmung berücksichtigt jedoch meist nur die Stimmung in der Gruppe und die Befindlichkeiten einzelner Personen und ist kaum Garant dafür, dass die Problemlage oder Aufgabenstellung angemessen berücksichtigt wird. Darüber hinaus braucht dafür kein Team oder keine Abteilung einen Vorgesetzten.

Es fällt vielen der jungen Führungskräfte schwer, ihre neue Führungsrolle einzunehmen. Viele möchten gerne weiterhin der Kollege oder die Kollegin sein und wie in der Vergangenheit angenommen werden. Führungskräfte sind mit Macht ausgestattet, und Mitarbeitende werden darauf mit Vorsicht reagieren. Der Versuch, in der gleichen Rolle wie vor der Beförderung zu bleiben, wird deshalb scheitern. Führungskräfte müssen sich folgende Fragen stellen:

  • Wie stark ist mein persönlicher Führungsanspruch ausgeprägt?
  • Bin ich mir der Bedeutung meiner Rolle und Funktion als Entscheider bewusst?
  • Ist mir klar, dass ich mich positionieren muss, und zwar nach oben und nach unten?
  • Bin ich mir dessen bewusst, dass ich derjenige bin, der das Tempo vorgeben muss?
  • Ist mir klar, dass ich dafür verantwortlich bin, die Prozesse aktiv nach vorne zu treiben?
  • Ist mir klar, dass ich derjenige bin, der Entscheidungen unter Umständen auch gegen die Meinung und die Interessen der Mitarbeitenden trifft?
  • Ist mir auch klar, dass mich meine Mitarbeitenden brauchen?
  • Ist mir klar, dass alles, was ich als Führungskraft tue, plötzlich eine andere Bedeutung als in der Vergangenheit hat?
  • Ist mir klar, dass allein schon meine neue Rolle dazu führt, dass sich Mitarbeitende mir gegenüber anders verhalten?
  • Wie gut kann ich damit umgehen, dass sich die emotionale Distanz zu meinen Mitarbeitenden vergrößert hat?
  • Ist mir bewusst, dass ich, solange ich den Anspruch habe, «geliebt zu werden«, meine Entscheidungen von der Stimmung im Team abhängig mache und mich nicht an dem orientiere, was tatsächlich notwendig ist?
  • Ist mir wirklich klar, dass Führen «einsamer macht», und bin ich bereit, diesen Preis zu bezahlen?

Kooperative Mitarbeiterführung bedeutet nicht nur reden, reden und reden. Zwar verlangt kooperatives Führen Wertschätzung und Respekt vor den Meinungen und Empfindungen der Mitarbeiter, diese in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Probleme jederzeit mit dem Vorgesetzten besprechen zu können. Gleichzeitig bedeutet kooperative Mitarbeiterführung aber auch, dass klare Entscheidungen getroffen werden müssen, selbst wenn sie gelegentlich dem einen oder anderen wehtun (könnten).

Dennoch möchten manche Trainer Führungskräften das Aufzeigen von Konsequenzen oder das «Entscheiden entgegen der Meinung der Mitarbeitenden» immer wieder ausreden. Diese Empfehlungen sind jedoch kontraproduktiv und speisen sich in aller Regel aus persönlichen Wünschen und Empfindungen des jeweiligen Trainers. Den wahren Kern des kooperativen Führungsstils bringen sie nicht zum Ausdruck. Um die eben beschriebenen Missverständnisse zu verhindern, benenne ich den kooperativen Führungsstil als kooperativ-direktiv. Damit wird der zweite Aspekt beim Führen, die Entscheidungsfindung, betont und macht Führungskräfte wieder handlungsfähig. Dies bedeutet noch lange nicht, dass deshalb die Führungskraft autoritär ist.

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