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Kolumne
Alles was Recht ist, 13.10.2011
Gerangel wegen „Käse“
Media Markt bremst sich selbst aus
„Media-Saturn-Streit nervt Richter“, titelte am 12. Oktober 2011 DIE WELT. „Es tut weh, dass man über diesen Käse verhandeln muss“ kommentiert der zuständige Richter des Landgerichts Ingolstadt den Rechtsstreit zwischen dem Media Markt-Gründer und Minderheitsaktionär Erich Kellerhals und der Mehrheitseignerin Metro.

Bravo kann man diesem Kommentar im Ergebnis nur zurufen, denn im Ergebnis ist das gefällte Urteil für alle Parteien ein Pyrrhussieg und im Sinne des Images und der strategischen Zukunft von Media-Saturn ein teuer erkaufter Erfolg, weil der Sieger aus dem Konflikt ähnlich geschwächt hervorgeht wie der Besiegte und auf dem Sieg nicht aufbauen kann.

Im Kern ging es um die Aushebelung der Vetorechte von Erich Kellerhals, der mit 22 % der Anteile und Stimmrechte unternehmensstrategische Entscheidungen beeinflussen bzw. blockieren kann, die mit 80% der Stimmen gefasst werden müssen. Eckhard Cordes, der sich eine strategische Neuausrichtung von Media-Saturn anders vorstellt als Kellerhals, wollte mit der Einrichtung eines Beirates für derartige strategische Fragen das Vetorecht umgehen.

Nun bleibt das Vetorecht für alle strategischen Entscheidungen bestehen. Bedenkt man, dass Strategie alles ist, was die Lebensfähigkeit, das Schicksal eines Unternehmens nachhaltig beeinflusst, dann gelang es lediglich, das Vetorecht für operative Entscheidungen auszuhebeln. Das ist aber im Streit unerheblich, denn es ging um die strategische Führungsfähigkeit und –macht und um nichts anderes. Wenn dann der Metroanwalt Gauweiler meint, bei einer Kostenentscheidung von 52% zulasten von Kellerhals einen Sieg davongetragen zu haben und „das Schwanzl, das mit dem Hund wedelt, nur noch ein Stummelchen“ sei, so wird hier doch die Wirklichkeit höchst naiv politisch beschönigt, um nicht zuzugeben, dass die Metro weiterhin offensichtlich keine strategische Entscheidung ohne die Gründer und Minderheitsaktionäre durchsetzen kann; auch nicht über die Mithilfe eines Beirats. Und wenn weiter konstatiert wird, dass der Beirat jetzt operative Entscheidungen wie Jahresplanungen etc. schneller als bisher fällen könne, dann sei der berühmte Strategielehrer Henry Mintzberg erwähnt, der deutlich betont, dass Unternehmensplanung eben keine Strategie sei, sondern diese schlicht voraussetze. Strategie ist schicksalsbestimmende Ziel- und Wegbestimmung eines Unternehmens und genau die darf die Metro weiter nicht ohne die Minderheitsgesellschafter bestimmen. Sehr schade, denn Media-Saturn hat aktuell eine strategische Erneuerung mehr als notwendig, sonst wird dieses Unternehmen mit dem Konzept der 80er die nächsten 10 Jahre kaum überleben.

Der einst so erfolgsverwöhnte, dezentral und mitunternehmerisch organisierte Elektronik- und Multimedia-Konzern mit seiner ausgeprägten Brot-und-Spiele-Kultur war lange Jahre die angesagte Cash Cow der Metro. Gehätschelt und getätschelt nach dem Motto des Gründers Leopold Stiefel „Viel Erfolg, viel Freiheit, wenige Erfolg, wenig Freiheit“. Im Ergebnis mündete dies in eine viele Jahre erfolgreich funktionierende Kultur und Führungsmotivation, an deren Ausprägungsende auch der Ferrari als Dienstwagen eines erfolgreichen Marktleiters durchaus angesagt war. Unternehmenskulturen entbehren der Rechtfertigung von außen und müssen sich dafür nicht entschuldigen. Solange sie in Harmonie mit Strategie, Struktur und Umfeld Wertschöpfung erbringen und funktionieren, ist das in Ordnung. Auch Unternehmen wie Google und Co. haben extensive Kulturen, die zum Unternehmen und Geschäftsmodell passen und beachtliche Resultate erzeugen.

Bei Media-Saturn hat die Alles-oder-nichts-Kultur 30 Jahre erfolgreich funktioniert. Der Samen der Zerstörung wird aber bekanntlich auf dem Höhepunkt des Erfolges gesät! Der Konzern, der die „Geiz ist Geil-Mentalität“ ebenso hoffähig gemacht hat, wie den geflügelten Spruch „Ich bin ja nicht blöd“, ist aber aktuell am Lebenszyklusende seines aktuellen strategischen Geschäftsmodells angelangt und muss sich ganz dringend neu erfinden, um zu überleben. Media-Saturn verkauft Commodities, also Massenwaren, die heute überall verfügbar sind, herstellerseits mit Wartungs- und Garantieleistungen versehen und logistisch ohne Probleme über jeden e-shop  lieferbar. Am Ende zählt nur noch der Preis. Media-Saturn hat mit seinen Märkten auf Erlebniseinkaufplätze mit Millionen von qm Verkaufsfläche und viel Beton gesetzt. Nun bleiben die Kunden aus, weil ihr Point Of Sale (POS) inzwischen vielleicht der Laptop im kuschelige Bett am Sonntagmorgen um neun ist und sie gar keine Lust haben zum Media-Saturn zu fahren, vielmehr sportlich nach dem besten Preis und der schnellsten Lieferung direkt ins Heim googlen.

Auch wenn nun Media-Markt Redcoon übernimmt und Saturn letzte Woche mal eben einen e-commerce-shop mit den gerade mal 2.500 bestlaufenden Artikeln des Sortiments freischaltet, so hinkt der Konzern nicht nur Jahre hinter etablierten Wettbewerben wie Amazon u.a. her, sondern macht dies halbherzig, weil er weder kulturell willens, noch strategisch in der Lage ist, sich konsequent neu auszurichten, sich dem veränderten strategischen Umfeld anzupassen oder dieses gar in der Manier von Apple neu zu definieren. Wenn dann bekannt wird, dass man bei Saturn nun zwar online bestellen kann, dann aber aus seinem Kuschelbett raus und zu einem Saturn-Markt fahren muss, um die Ware dort in einem bestimmten Zeitslot abzuholen, dann fällt einem ob solch kundenfeindlicher und stümperhafter Strategie schlicht nichts mehr ein.

Mit solch halbherzigen Konzepten haben schon ganz andere Unternehmen ihre Weltmarktführerschaft verloren, wie z.B. Kodak, die einst Weltmarkführer beim Film waren, wie auch – wie viele nicht wissen - Mitte der 80er die Pioniere im Bereich Digitalkamera. Sie wollten aber beides und verordneten ihren Kunden eine 2 Megapixel-Digitalkamera (ja, das gab es bereits in den 80ern!), um diese gleichzeitig zu zwingen, mit einem Transponder die Daten wieder auf einen Film zu überspielen, der dann aufwändig und teuer entwickelt und in Papierbilder übersetzt werden musste. Damit wurde der Kernnutzen des digitalen Fotografierens geradezu wieder vernichtet. Und wo ist Kodak heute? Im Digitalkamerabereich hat Kodak nichts zu melden und im Bereich Film sind sie abgeschlagen weit hinter Fuji, die diesen Welt-Restmarkt für sich entschieden haben. So passiert es einem Unternehmen, das sich aufs Hochseil traut, aber niemals auf der anderen Seite ankommt. Lessons to learn?

Liebe Media-Saturn-Entscheider: Hier kommt es nicht darauf an, wer Recht behält, sondern nur, ob und wie dieses Unternehmen lebensfähig die Zukunft gewinnen kann. Und dabei sind Eitelkeiten, Rechthabereien oder die Beschönigung von Pyrrhus-Siegen schlicht fehl am Platz. Die Sanduhr läuft aber bereits…

ZUM KOLUMNIST
Über Prof. Dr. Christoph Schließmann
Prof. Dr. Christoph Ph. Schließmann ist Wirtschaftsanwalt und Fachanwalt Arbeitsrecht in Frankfurt am Main und berät und begleitet seit über 20 Jahren Unternehmen, Unternehmer, Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer in Fragen der Unternehmens-, ... mehr
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