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Fachartikel, 04.04.2016
Nachfolgestrategie
Die Unternehmensnachfolge erfolgreich gestalten
Bei einer Unternehmensnachfolge arbeiten in der Regel der bisherige und künftige Inhaber für eine gewisse Zeit mehr oder weniger Seite an Seite. Ein schwierige Phase mit vielfältigem Konfliktpotenzial.
Frank Rübner, Inhaber eines Ingenieurbüros, dachte voller Zuversicht: Endlich habe ich den passenden Nachfolger gefunden. Denn der junge Ingenieur, den er zu seinem Nachfolger erkoren hatte, arbeitete bereits seit Jahren als Projektleiter für sein Büro – zu seiner vollsten Zufriedenheit. Und er äußerte in Gesprächen mit ihm, dass er gerne Unternehmer werden und das Ingenieurbüro erwerben würde.

Entsprechend schnell war das Vertragswerk unter Dach und Fach, das vorsah: Der Ingenieur führt fortan das Büro als zweiter Geschäftsführer mit Rübner und übernimmt dieses in drei Jahren ganz. Doch kaum war die Tinte auf dem Vertragswerk trocken, häuften sich die Schwierigkeiten. Denn plötzlich stellte der Ingenieur als Mitgesellschafter des Büros vieles in Frage, was Rübner bisher heilig beziehungsweise wichtig war – mit der Konsequenz, dass sich die Konflikte häuften und sie nach einem halben Jahr entschieden: Wir gehen künftig getrennte Wege, denn noch 2,5 Jahre hält es keiner von uns aus, das Geschäft gemeinsam zu führen. Für Rübner bedeutet dies: Er musste sich erneut auf die Suche nach einem Nachfolger begeben.

Ähnlich war es bei Klaus Decker, einem der beiden Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebs. Nach langer Suche war auch er felsenfest überzeugt: Endlich habe ich einen Nachfolger gefunden, die meine Firmenanteile übernehmen kann – aufgrund seiner fachlichen Kompetenz und weil seine Persönlichkeit zu meinem Partner passt. Also setzen sich die drei zusammen und vereinbarten, der Metallbauer arbeitet zunächst zwei Jahre angestellt in der Firma mit – unter anderem um eine Beziehung zu den wichtigsten Kunden aufzubauen. Und danach übernimmt er die Gesellschaftsanteile von Decker und dieser scheidet aus dem Unternehmen aus.

Doch nach einem halben Jahr war diese Planungen Schall und Rauch. Denn in der alltäglichen Zusammenarbeit zeigte sich: Deckers Partner und der Neue können nicht miteinander; sie haben unterschiedliche Arbeitsstile. Außerdem findet der Metallbauer keinen Draht zu den bisher von Decker betreuten Kunden – zumeist inhabergeführten, mittelständischen Betrieben. Deshalb sagte Deckers Partner irgendwann zu ihm: Diesen Mann  akzeptiere ich nicht als Partner, denn nach deinem Ausscheiden muss mit ihm zusammenarbeiten. Also musste er gehen. Und Deckers Plan, in zwei Jahren in den Ruhestand zu gehen und diesen relaxt in Mallorca zu verbringen? Er war obsolet. Denn er hatte niemanden, an den er seine Kanzleianteile verkaufen konnte. Deshalb fehlte ihm auch das Geld, um wie erhofft eine Finca auf der Mittelmeer-Insel zu erwerben.

Viele Träume und Wunschvorstellungen platzen

Ähnliche Prozesse beobachtet man oft, wenn es um die Unternehmensnachfolge geht. Dann sieht man viele Träume und Wunschvorstellungen platzen – zuweilen weil die Unternehmer sich nicht rechtzeitig mit dem Thema Nachfolgeregelung befassen. Dies geschieht jedoch immer seltener. Denn in den letzten Jahren setzte sich in Unternehmerkreisen auch aufgrund der Berichterstattung der Medien darüber, wie viele Unternehmer keinen Nachfolger finden, zunehmend die Erkenntnis durch: Dieser Schritt muss von langer Hand geplant werden – insbesondere dann, wenn
  • der Nachfolger nicht der eigene Sohn oder die eigene Tochter, sondern ein „Fremder“ ist und
  • der Betrieb nicht mangels Alternative „verschenkt“, sondern zu einem angemessenen Preis verkauft werden soll.
Deshalb machen sich viele Unternehmer zu Recht bereits, wenn die ersten grauen Haare ihre Schläfen zieren, erste Gedanken darüber:
  • Was passiert mit meinem Unternehmen, wenn ich in absehbarer Zeit ausscheiden möchte? Und:
  • Wer könnte dann mein Nachfolger sein?
Dies gilt insbesondere für die Inhaber von Unternehmen, die außer von ihrer fachlichen Expertise primär von der Vertrauensbeziehung leben, die sie über viele Jahre zu ihrer Stammklientel aufgebaut haben. Denn sie können ihren Kunden nicht heute verkünden, dass das Unternehmen ab morgen einen neuen Inhaber hat und die Kunden somit einen neuen zentralen Ansprechpartner haben. Vielmehr muss der Nachfolger in einem längeren Prozess zunächst mit dem Geschäft des Unternehmens und den Besonderheiten seiner Klientel vertraut gemacht sowie bei den Kunden eingeführt werden. Sonst ist die Gefahr groß, dass diese dem Unternehmen den Rücken kehren und just das verloren geht, was weitgehend dessen Wert ausmacht: die gewachsenen Beziehungen zu den Kunden.

Unterschiedliche Perspektiven bewirken Konflikte


Deshalb ist es bei besagten Unternehmen meist nötig, dass dessen bisheriger und künftiger Inhaber, nachdem die Unternehmensnachfolge vertraglich beziehungsweise notariell geregelt ist, noch eine längere Zeit zusammenarbeiten und gemeinsam das Unternehmen führen, bevor der Übernahmeprozess vollzogen ist. Dieser Prozess erstreckt sich oft über zwei, drei Jahre und ist in der Regel für alle Beteiligten keine leichte Zeit – selbst wenn sie den Vertragsabschluss noch mit einem Glas Champagner und freudestrahlenden Augen begossen. Denn in ihr prallen in der Regel nicht nur zwei Generationen, sondern auch zwei unterschiedliche Perspektiven aufeinander: Während der scheidende Inhaber primär daran denkt, wie der Übergabeprozess – also die nächsten zwei, drei Jahre – gestaltet werden, stehen für den künftigen (alleinigen) Inhaber die Fragen zentral:
  • Wohin soll sich das Unternehmen mittel- und langfristig entwickeln? Und:
  • Was ist nötig, damit das Unternehmen auch nach dem Ausscheiden des bisherigen Inhabers erfolgreich im Markt agiert (und ich meine finanziellen Verpflichtungen, die ich mit dem Kauf des Unternehmens einging, erfüllen kann)?
Aus diesen unterschiedlichen Sichtweisen resultieren auch unterschiedliche Prioritätensetzungen im Arbeitsalltag, woraus in der Zusammenarbeit häufig Konflikte resultieren.

Hinzu kommt: Alle Beteiligten müssen, wenn der Übergabeprozess eingeläutet wird, sich selbst und ihre Rolle neu definieren. So muss zum Beispiel der bisherige Inhaber, der es gewohnt ist, allein Entscheidungen zu treffen, den neuen Mit-Inhaber und künftigen alleinigen Inhaber fortan nicht nur in seine Entscheidungsprozesse einbeziehen, sondern diesem auch sukzessiv die (alleinigen) Entscheidungsbefugnisse übertragen.

Konflikte verursachen emotionale Wunden


Dies fällt vielen gestandenen Unternehmern schwer – selbst wenn sie guten Willens sind. Denn sie sind mit dem Unternehmen, das sie oft über Jahrzehnte aufgebaut haben, emotional eng verbunden. Außerdem haben sie als gestandene Unternehmer nicht nur ihren eigenen Stil, Probleme und Herausforderungen anzugehen und zu lösen, entwickelt, sie haben aufgrund ihrer Erfahrungen meist auch eine sehr dezidierte Meinung darüber, was beim Führen des Unternehmens, beim Umgang mit seinen Kunden usw. zu beachten ist. Der künftige Inhaber hingegen ist – sofern er nicht zuvor bereits Unternehmer war – in ihren Augen noch ein unternehmerisches Greenhorn, das
  • das Unternehmen sowie seinen Markt und seine Klientel noch nicht kennt,
  • sich in der Rolle des Unternehmers erst noch einfinden muss und
  • noch lernen muss, was geht und nicht geht.
Diese Grundeinstellung prägt oft unbewusst und unbeabsichtigt ihre Kommunikation mit dem künftigen Inhaber, was unweigerlich zu Konflikten führt – insbesondere dann, wenn der bisherige Inhaber, real oder in der subjektiven Wahrnehmung des künftigen Inhabers, sich entsprechend auch gegenüber Mitarbeitern und Kunden äußert und so dessen Autorität untergräbt. Schleichen sich solche Kommunikationsmuster in den Umgang der Beteiligten ein, dann ist der Übergabeprozess meist nicht mehr zu steuern, mit der Konsequenz, dass die geplante Übergabe entweder ganz scheitert oder im Laufe des Übergabeprozesses ein großer Teil des Unternehmenswerts vernichtet wird.

Neutraler Berater als Moderator und Wegbegleiter

Deshalb empfiehlt es sich, zu diesem Prozess einen neutralen, externen Berater hinzuziehen, der den Übergabeprozess begleitet und mit den Beteiligten die verschiedenen Aspekte bearbeitet, die mit jedem Nachfolgeprozess verbunden sind – hierzu zählen unter anderem:
  • psychologische Aspekte – zum Beispiel: Welche Erwartungen habe ich als „neuer“ beziehungsweise „scheidender“ Gesellschafter an das Verhalten des jeweils anderen? Was ist mir als Person in dem Übergabeprozess wichtig?
  • unternehmerische Aspekte – zum Beispiel: Inwieweit ändert sich durch die (beabsichtigte) Übergabe die Kultur des Unternehmens, seine Marktposition? Was ist aus meiner Warte als neuer beziehungsweise scheidender Gesellschafter für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe wichtig?
  • kommunikativen Aspekte – zum Beispiel: Wie kommunizieren wir als neuer sowie scheidender Gesellschafter im Übergabeprozess miteinander? Wie treffen wir Entscheidungen und kommunizieren wir sie? Wie und wann informieren wir die Mitarbeiter, Kunden und sonstigen Stakeholder über die geplante Übergabe?
Über viele der vorgenannten Fragen wird in geplanten Übergabeprozessen keine explizite Verständigung erzielt. Vielmehr wursteln die Beteiligten – auch weil die Übergabe für sie Neuland ist – gemäß der Devise „Irgendwie wird es schon klappen“ so vor sich hin, bis auf beiden Seiten bereits emotionale Wunden entstanden sind, die nicht nur schmerzen, sondern auch eine zielorientierte Zusammenarbeit erschweren. Erst wenn die Situation sich bereits krisenhaft zugespitzt hat, suchen die Beteiligten – sozusagen als letzten Notnagel – oft eine externe Unterstützung, mit der Intention, den Übergabeprozess wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu führen und sicherzustellen, dass er gelingt.

Den Prozess in ein ruhiges Fahrwasser führen


Eine solche Beratung gliedert sich meist in vier Phasen.  
  1. Analysephase: Der Berater interviewt in 4-Augen-Gesprächen alle Beteiligten – also zum Beispiel den neuen und den scheidenden Gesellschafter (sowie bei Partnerunternehmen die verbleibenden Partner). Er ermittelt deren offene und verdeckte Wünsche sowie Befürchtungen. Er klärt den Konfliktstatus und bereitet die Beteiligten auf die Klärung vor. Dabei fördert er auch einen Perspektivenwechsel und berät alle Seiten mit Weitblick, damit es in der Klärungsphase „Gewinner“ geben kann. In extrem zugespitzten Situationen kann ein Ergebnis der Analyse auch die Einschätzung sein: Eine erfolgreiche Unternehmensübergabe ist nicht mehr möglich und eine Trennung ist der beste Weg für die Beteiligten. In diesem Fall bereitet der Berater die Beteiligten auf ein Klärungsgespräch vor, das auf eine würdige Trennung auf Augenhöhe abzielt.

  2. Klärungsphase: In dieser Phase führt der Berater die Beteiligten zum Beispiel in einem eintägigen Workshop zusammen. Er klärt mit ihnen die entstandenen Konflikte und Missverständnisse und schafft den erforderlichen Raum, dass alle Beteiligten ihre wechselseitigen Erwartungen äußern. Gemeinsam erarbeiten sie, was die zentralen Erfolgsfaktoren einer Unternehmensübergabe sind und Regeln für den Umgang miteinander, und erzielen ein Commitment hierüber. Zudem verständigen sie sich auf die zentralen Eckpfeiler der Nachfolge- und Übergabestrategie.

  3. Planungsphase: In dieser Phase plant der Berater mit den Gesellschaftern die Details für das Umsetzen der Strategie. Er verständigt sich mit ihnen über die betrieblich notwendigen Veränderungen und entwirft mit ihnen einen Maßnahmen- und Umsetzungsplan. Außerdem erstellt er mit ihnen einen Kommunikationsplan, wie und wann die Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und sonstigen Stakeholder wie zum Beispiel Banken über die geplanten Veränderungen informiert werden.

  4. Umsetzungsphase: In dieser Phase begleitet der Berater die aktuellen und künftigen Inhaber zum Beispiel mit Coachings beim Umsetzen der einzelnen Maßnahmen. Außerdem schafft er den erforderlichen Rahmen, dass sich die Stakeholder regelmäßig wechselseitig Feedback geben und gegebenenfalls Strategieanpassungen und Verhaltensveränderungen vornehmen. Die Umsetzungsphase endet mit einer Evaluation des Übergabeprozesses durch alle Beteiligten. Oft erfolgt in dieser Phase auch ein individuelles Führungscoaching für den „neuen“ Chef sowie ein Coaching des alten Chefs, das ihn im Prozess, „sein“ Unternehmen loszulassen und sich zunehmend zurück zu nehmen, unterstützt.
Durch ein solches Vorgehen lassen sich die meisten Nachfolgeprozesse, bei denen bereits emotionale Verletzungen entstanden sind, noch in ein ruhiges Fahrwasser führen, so dass der Übergabeprozess gelingt – auch weil der Berater sozusagen eine Plattform schafft, um auch heikle Themen, die mit Emotionen behaftet sind, so zu besprechen, dass für beide Seiten akzeptable und somit tragfähige Lösungen erarbeitet werden können.

Sich frühzeitig professionelle Unterstützung sichern


Viel sinnvoller wäre es aber, unmittelbar nachdem oder sogar noch bevor die Unternehmensübergabe vertraglich geregelt wird, einen Nachfolgeberater zu engagieren. Denn im Übergabeprozess müssen sowohl der bisherige als auch der künftige Inhaber sich und ihre Rolle neu definieren und finden. Außerdem müssen die Akteure gemeinsam viele Herausforderungen meistern, bezüglich deren Lösung sie aufgrund ihrer Biografie und der Lebensphase, in der sie sich befinden, oft unterschiedliche Einschätzungen, Erwartungen und Bedürfnisse haben. Deshalb sind Konflikte beziehungsweise Interessengegensätze, aus denen Konflikte resultieren, nahezu unumgänglich. Darum ist eine professionelle Prozessbegleitung fast unverzichtbar, wenn der Übergabeprozess ohne bleibende emotionale Wunden und ohne eine Vernichtung eines großen Teils des Unternehmenswerts gemeistert werden soll.
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ZUM AUTOR
Über Klaus Kissel
ifsm – Institut für Sales- und Managementberatung
Klaus Kissel ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm - Institut für Salesmanagement, das neben offenen auch firmeninterne Weiterbildungen zum Sales-Coach durchführt. Klaus Kissel ist Bankkaufmann, Diplom-Betriebswirt VWA und ...
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