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Kolumne
Chefsache Führung, 22.04.2010
Arbeitsmarkt
Befristete Arbeitsverträge als Chance begreifen
Die beste Sicherheit im Wirtschaftsleben ist die eigene Leistungsfähigkeit. Das gilt sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Den Trend zu befristeten Arbeitsverträgen als Sittenverfall zu brandmarken, wird den veränderten Bedingungen einer globalisierten Wirtschafts- und Arbeitswelt in jedem Falle nicht gerecht, speziell in Zeiten einer Wirtschaftskrise.
„Herr Müller, leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir den mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag mit einer Frist von 3 Monaten zum 01.07.2010 kündigen“. Solche Situationen werden sich in Zukunft immer seltener in deutschen Unternehmen abspielen, denn befristete Arbeitsverträge sind stark auf dem Vormarsch. In den letzten Jahren hat nach Angaben des statistischen Bundesamtes die Zahl der befristeten Arbeitsverträge deutlich zugenommen. Nahezu jeder zweite neu geschlossene Arbeitsvertrag ist heute zeitlich befristet.

Es entspricht einer völlig falschen Logik, wenn DGB Chef Michael Sommer sagt: Zeitverträge kommen einer Entrechtung von Menschen gleich (Welt am 04.04.2010). Das ist Unsinn und überdies gefährlich. Denn befristete Arbeitsverträge unterstützen Mitarbeiter bei der Frage, was sie eigentlich für sich selbst im Berufsleben wollen. Es wirft sie gewissermaßen auf sich selbst zurück.

Blöd nur, dass offensichtlich viele Menschen es nicht gelernt haben, konstruktiv und proaktiv mit dieser wichtigen Lebensfrage für sich umzugehen. Stattdessen flüchten sie lieber davor in die vermeintliche Sicherheit eines abhängig Beschäftigten, um sich selbst nicht zu begegnen. Und wenn dann die Kündigung trotzdem an die Tür klopft, tun sie so, als sei niemand zu Hause. Das ist Selbstverleugnung.

Dabei kann ein befristetes Arbeitsverhältnis für beide Seiten von Vorteil sein: Der Arbeitgeber kann sich von inkompetenten und unmotivierten Mitarbeitern schnell trennen, der Arbeitnehmer wird für seine Leistung direkt belohnt; entweder mit einer Vertragsverlängerung, einem unbefristeten Arbeitsverhältnis oder mehr Geld.

Darüber hinaus ist diese Flexibilisierung ein gutes Zeichen für die Lebendigkeit der Wirtschaft. So werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Unter Druck kommen dabei nicht die Rechte der Menschen, sondern deren Bequemlichkeit und Anspruchshaltung.

Doch glaubt man den Gazetten, so wollen insbesondere die jüngeren Arbeitnehmer eins: Flexibilität, Gestaltungsmöglichkeiten und Selbstverwirklichung! Das beißt sich mit der unbefristeten Bindung eines Arbeitsvertrages, der eine Klausel „ Der Vertrag endet automatisch mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres“ enthält.

Und die “Älteren”? Viele haben ihre Schäfchen weitestgehend im Trockenen, die Wünsche und Lebensziele verschieben sich, gerne darf es etwas weniger sein. Auch die würden mehrheitlich eine Flexibilisierung begrüßen.

Ganz absurd ist Sommers Argument, “die Deutschen bekämen auch deswegen weniger Kinder, weil der soziale Schutz so schlecht sei”. Wer sich in den Unternehmen und auf den Arbeitsgerichten auskennt weiß, dass ein Unternehmen jeden Arbeitnehmer los werden kann. Es ist zumeist nur eine Frage des Geldes oder der Leidensfähgkeit der Beteiligten. Getreu dem “Beamten-Mikado-Prinzip “Wer sich zuerst bewegt, hat verloren”. Das ist einfach kein Schutz, auch wenn Sommer das zu suggerieren versucht. Und so werden monatelange Diskussionen und Prozesse geführt, dreckige Wäsche gewaschen, um dann am Ende doch auf der Straße zu stehen. Es ist zynisch und menschenverachtend, dies gut zu heißen!

Und wenn Sommer vom “Respekt vor der Leistung von Menschen” spricht, pflichte ich ihm gerne bei. Doch was kann leistungsgerechter und -würdigender sein als ein befristeter Vertrag? Hält doch ein solcher Vertrag den Fokus der Aufmerksamkeit auf den zentralen Faktor im Arbeitsalltag: Für das genommene Entgelt eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Weil die Menschen wissen: “bringe ich meine Leistung nicht, bin ich irgendwann weg vom Fenster”. Doch das ist bei dauerhaft schlechter Leistung jeder, egal ob befristet oder unbefristet angestellt, ob Freelancer oder Vorstandsvorsitzender.

Und wer clever ist, macht sich diese Situation zu nutze. Als Mitarbeiter, weil er die genannten Vorteile erkennt. Als Chef, weil er so den Mitarbeiter nicht wie sonst immer wieder an den gechlossenen Tauschhandel erinnern muss und damit sowieso nur die Vergesslichkeit des Mitarbeiters kompensiert.

Da halte ich es lieber mit Karl Marx: “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen”.
ZUM KOLUMNIST
Über Roland Jäger
Roland Jäger ist Unternehmensberater, Trainer, Coach und Buchautor. Nach Berufsjahren im Banken- und Finanzwesen arbeitete er im Management einer renommierten Privatbank und in einem bedeutenden Beratungsunternehmen. Seit 2002 ist er Inhaber der rj management ... mehr
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